Sa Rondaya des Falistroncos.
Das Märchen der Falistroncos.
(Bunyola.)

[86] Es war ein Mann, der war sehr arm und hatte einen Bruder, der sehr reich war. Eines Tages entschloss er sich, seinen Bruder aufzusuchen und seine Frau sagte zu ihm:

– Gehe nicht hin, so wie so, wird er dir nichts geben.

Er hörte nicht auf sie, reiste ab und es war sehr weit. Als er schon lange gegangen war, fand er einen alten Mann und fragte ihn, ob er ihn[86] begleiten wolle. Jener Mann bejahte es. Als sie ein Stückchen weit waren sagte dieser ihm:

– Wenn er dir sagt, setze dich, dann setze dich nicht, wenn er dich fragt, ob du speisen willst, dann verneine es, wenn er dich fragt, was du willst, dann verlange den Ring, den er an seinem Finger hat. Er wird ihn dir geben, und es wird dir gut ergehen.

Also machte er es und wie er den Ring erhielt, ging er mit jenem wieder fort und er sagte zu demselben:

– Ringelchen, für die Bekehrung des heiligen Paulus, bringe uns zum Speisen. Sie speisten und der alte Mann verabschiedete sich dann von ihm.

Weiter gehend fand er einen Riesen.[87] Der Riese sagte ihm, dass er ihn verspeisen wolle, er sagte ihm nein, und zu seinem Ringe:

– Ringelchen, für die Bekehrung des heiligen Paulus, bringe zu Essen und zu Trinken für den Riesen. Es erschien ein reich gedeckter Tisch und als der Riese dies sah, fragte er ihn:

– Willst du mir diesen Ring gegen diese Falistroncos vertauschen?

– Und welche Geschicklichkeit haben die Falistroncos?

– Wenn man ihnen sagt schlage, dann schlagen sie und wenn man ihnen sagt tödte, dann tödten sie.

– Ja, sagte er und vertauschte sogleich den Ring gegen die Falistroncos und sagte:

– Falistroncos tödtet den Riesen.[88]

Der Riese blieb todt und er hatte den Ring und die Falistroncos.

Darauf kam die Riesin heraus.

– Ringelein, sagte er, für die Bekehrung des heiligen Paulus, bringe Essen für die Riesin.

Als die Riesin das sah, sagte sie zu ihm:

– Willst du mir deinen Ring mit dieser Börse vertauschen?

– Und welche Geschicklichkeit hat diese Börse?

– Dass jedes Mal, wenn man sie öffnet, ein Geldstück herausfällt.

– Ja! und dann sagte er gleich:

– Falistroncos tödte die Riesin.

Die Riesin blieb todt und er hatte die Falistroncos, den Ring und die Börse.

Darnach ging er in ein Gasthaus,[89] übernachtete, da es schon Abend geworden war, und am folgenden Morgen ging er nach Hause und sagte seiner Frau:

– Wisse, dass ich reich zurückkomme.

Die Frau sagte darauf:

– Arm gingst du weg und arm wirst du zurückgekehrt sein.

– Cotre! sagte er, ich bringe eine Börse und so oft man sie öffnet, fällt ein Geldstück heraus.

Er öffnete sie und es fiel keins heraus.

– Siehst du, was ich dir sagte, bemerkte seine Frau.

– Also die Wirthin muss sie mir vertauscht haben. Er geht zum Gasthaus und verlangte von der Wirthin seine[90] Börse und sie sagte, dass sie nichts davon wisse.

– Falistroncos, sagte er, schlaget die Wirthin bis sie die Börse herausgibt.

– Schlaget nicht, schlaget nicht, rief sie, ich werde sie schon herausgeben. Und sie gab sie ihm.

Er kehrte nach Hause zurück, öffnete die Börse und es fiel ein Geldstück heraus und so oft er öffnete, fiel ein anderes heraus.

Dann sagte er:

– Ringelchen für die Bekehrung des heiligen Paulus bringe zu Essen für die Frau und die Kinder.

Das Ringelchen brachte es ihnen, und als sie gegessen hatten, sagte er:

– Ringelchen für die Bekehrung[91] des heiligen Paulus mache, dass ich morgen früh einen Palast habe, wie jener des Königs.

Der Palast erstand und als der König ihn sah, wollte er es nicht leiden, er ging zu seinem Hause und fand dort dessen Frau, welche einen Wasserkrug hinauftrug, und sagte zu ihr:

– Gebet ihn mir, ich werde ihn euch hinauftragen.

Sie sagte ihm nein, und er erwiderte ja und als sie sah, dass er darauf bestand, gab sie ihm den Krug und sagte zu dem Ring:

– Ringelchen für die Bekehrung des heiligen Paulus mache, dass er die Treppe hinauf- und hinabsteige, ohne sich aufhalten zu können mit dem Krug auf der Schulter.[92]

Der König begann zu laufen die Treppe hinauf und hinunter, bis sie ihm sagte, es sei genug.

Der König wollte ihren Mann tödten lassen und befahl seinen Dienern, ihn zu prügeln.

Da sagte dieser:

– Ringelchen für die Bekehrung des heiligen Paulus mache, dass statt meiner sie jenen Esel prügeln gehen.

Sie gingen, den Esel zu prügeln und liessen den Mann unbehelligt.

Eines anderen Tages ging die Königin zu ihrem Hause und fand sie wie sie ein Schwein schlachtete und Würste hackte und sagte zu ihr:

– Lasset es mich machen, ich werde sie hacken.

– Ringlein, sagte sie, für die Bekehrung des heiligen Paulus mache,[93] dass in ihr Gesicht warmes Wasser spritze, und dass sie mit dem Hacken nicht aufhören könne, bis ich sage, es sei genug.

Als sie ihr sagte es sei genug, ging die Königin zum König, um es ihm zu erzählen, und der König sagte:

– Dieses Mal werden wir ihr den Mann tödten.

Sie führten den Mann zu einem Baum, um ihn festzubinden und zu tödten und dort war ein Esel, welcher weidete.

– Ringelchen, sagte er, für die Bekehrung des heiligen Paulus mache, dass sie jenen Esel tödten gehen.

Sie gingen den Esel tödten und als der König sah, dass er ihm nichts anhaben könne, liess er ihn gehen und[94] er lebte im Reichthum sein ganzes Leben lang.

Quelle:
Erzherzog Ludwig Salvator: Märchen aus Mallorca. Würzburg, Leipzig: Verlag der Kaiserlichen und Königlichen Hofbuchhandlung von Leo Woerl, 1896, S. 86-95.
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