Sa Rondaya des Boch.
Das Märchen des Bockes.
(Palma.)

Es war ein König, der wollte sich vermählen und man sagte ihm, dass ein gewecktes und witziges Mädchen vorhanden sei, das für ihn geeignet wäre.

Sobald der König dies erfuhr, ging er zum Hause dieses Mädchens und sagte zu demselben:

– Guten Morgen und was machtest du jetzt?

– Ich kochte Hinauf und Hinunter.

Der König, etwas überrascht über diese Antwort, frug es abermals:

– Und deine Mutter, wo ist sie?

– Sie macht das, was man an Eurer Majestät machte, als sie klein waren.

– Und dein Vater?

– Zieht Leute aus ihrem Hause heraus.

– Und dein Bruder?

– Mein Bruder ist auf der Jagd, tödtet das Wild und bringt das lebende zurück.

Während der König verwundert noch dastand, kommt die Mutter an.

– Oh Herr König! So vornehme Besuche in mei nem Hause. Sprechen sie, was wünschen sie von mir?

– Ich wünsche, ihr saget mir, was das Hinauf und Hinunter ist, das euere Tochter kocht, woher ihr kommt und was ihr gemacht habt, und das man auch an mir machte, als ich klein war.[2]

– Nun gilt es, nun gilt es, das muss ihnen meine Tochter gesagt haben. Die Hinauf und Hinunter sind die Kichererbsen, welche steigen und sinken, wenn sie kochen, ich komme von einer Taufe, zu der ich ein Kind getragen habe, denn ich bin Hebamme; mein Mann zieht Wurzeln aus der Erde, und mein Sohn, der eine Krankheit hatte, ist voll Läuse, und jetzt geht er hinter eine Wand und tödtet alle, die er kann, und diejenigen, die er nicht tödten kann, bringt er lebend wieder zurück.

– Das ist sehr gut, sagte der König, also du wirst mir morgen einen Korb voll Gelächter in meinen Palast senden.

– Werde damit dienen, antwortete sie.[3]

Als der König fortgegangen war, kam der Vater an; die Mutter beklagte sich über die Kühnheit der Tochter, und er fragte diese: Wie willst du aber dem König morgen einen Korb voll Gelächter senden? Nun gilt es, nun gilt es.

– Habt keine Furcht, mein Vater, ihr nehmet die Netze, gehet jagen und bringet mir alle Vögel, die ihr fangen könnt.

Ihr Vater ging auf die Jagd (alles wurde dort so gemacht, wie sie sagte) und kehrte Abends zurück, mit Sperlingen beladen. Sie band dem einen einen Fuss, rupfte dem anderen die Federn des Kopfes aus, schnitt einem den Schweif ab, dem anderen rupfte sie den Bauch, einem anderen den Rücken, und als sie einen Korb[4] voll hatte, sagte sie zu ihrem Vater, er möge den Korb in den Palast bringen, um den Befehl des Königs zu erfüllen.

Der König liess ihn auf einen Tisch umwerfen, und ich glaube es schon, dass alles ein Gelächter war. Alsdann sagte er zu ihrem Vater:

– Saget eurer Tochter, dass es sehr gut sei und dass dieses hier ein Dutzend Eier sind (und er gab sie ihm, zerquetscht, in einen Topf), dass sie sie von einer Henne ausbrüten lassen solle, und wenn die Küchlein ausgekrochen sind, dass sie mir dieselben bringen solle.

– Ei, ei, dachte der Vater, was wird meine Tochter jetzt machen? Sie aber, als sie das vernommen, verabschiedete sich fröhlich vom König.[5]

– Mein Vater, nehmet diese Barcella (ein Maass Getreide) Gerste, gehet und mahlet sie, und wenn sie gemahlen ist, bringt sie dem König und saget ihm, er soll sie säen, und wenn es schnittreif sein wird, werden es die Hähnchen aufpicken. Also machte es ihr Vater und als der König es vernahm, antwortete er ihm, er soll zu seiner Tochter gehen und ihr mittheilen, er lasse ihr sagen, sie solle auf dem Wege und ausserhalb des Weges gehen, nicht angekleidet und nicht ausgezogen.

Der Vater, ganz verzweifelt, theilte der Tochter mit, was der König ihm gesagt hatte und sie nahm munter ein Fischernetz, bedeckte sich damit und setzte sich auf einen Bock. Der Bock begann zu laufen und bald ging[6] er auf dem Wege, bald ausserhalb desselben.

Als der König merkte, dass er sie nicht fangen konnte, frug er sie, ob sie ihn heirathen wolle, aber mit der Bedingung, dass sie weder Rathschläge, noch Hülfsmittel geben dürfe, und wenn sie deren gäbe, müsste sie den Palast verlassen.

Es ist gut, sagte sie, aber ich mache auch die Bedingung, wenn ich weggehen muss, dass ich mitnehmen kann, was mir am meisten gefällt und was ich am liebsten habe.

Der König willigte ein und sie heiratheten. Bei der Hochzeit erschienen viele Ritter aus allen Ländern und als sie frühstückten, warf die Stute eines der Ritter ein Füllen und das Füllen stellte sich unter einen Hengst.[7] Als das Frühstück beendet war, fanden die Ritter das Füllen und der Besitzer des Hengstes beanspruchte dasselbe als sein Eigenthum und wollte es nicht dem Eigenthümer der Stute zurückgeben, der, wie ihr wohl verstehen könnt, ein Recht darauf hatte und dieser ging, den Vorfall der Königin mitzutheilen.

– Saget nichts, sagte ihm die Königin. Der König wird jetzt mit seinen Rittern spazieren gehen, gehet zu dem Wege, auf dem sie zurückkommen müssen und lasset in der Mitte desselben ein so grosses Loch graben, dass sie dort fast nicht vorüber gehen können. Der König wird euch fragen, was ihr macht und ihr sollt ihm antworten, dass ihr Sardinen herauszieht, und wenn er euch weiter[8] fragt, so antwortet ihm dies und das.

Der Ritter machte es so, wie die Königin es ihm gesagt hatte. Es geschah, dass der König ihn frug, was er mache und er antwortete ihm, dass er Sardinen herauszöge und dass der König ihm sagte:

– Wie ist es möglich, aus einem so trockenen Boden, Sardinen herauszuziehen.

– Es ist leichter möglich, aus einem trockenen Boden Sardinen herauszuziehen, antwortete ihm der Ritter, als dass ein Hengst ein Füllen werfe.

Das ist meine Frau, die euch diesen Rath gegeben hat. Ich gehe augenblicklich zu ihr und schicke sie fort, nach ihrem Hause.[9]

Es ist sehr gut, was ich soeben höre, antwortete die Frau, aber ich bitte dich, lass mich noch zu Abend essen, bevor ich weggehe.

Der König willfahrte ihr und sie that Mohn in sein Glas und gab es ihm zu trinken. Als er fest eingeschlafen war, steckte sie ihn in einen Sack, legte ihn auf einen Karren und brachte ihn zu ihrem Hause, wo sie ihn auf ein Strohlager, hoch oben auf dem Dachboden, legte.

Als der König am anderen Morgen erwachte und sich ganz von Spinnengeweben umgeben fand, wusste er nicht, was mit ihm vorgegangen war. Seine Frau, die vor ihm stand, sagte ihm, dass sie die Bedingung, die sie vor der Heirath gemacht, erfüllt habe, dass sie, indem sie nach Hause zurückgekehrt[10] sei, auch ihn mitgenommen habe, weil er das sei, was sie am meisten liebe.

Der König erlaubte ihr nun, dass sie machen könne, was sie wünsche, dass sie so viele Rathschläge und Hülfsmittel geben dürfe, als sie wolle und ihr gut scheine und beide gingen mitsammen in den Palast zurück und wenn wir noch nicht todt sind, dann leben wir noch.

Quelle:
Erzherzog Ludwig Salvator: Märchen aus Mallorca. Würzburg, Leipzig: Verlag der Kaiserlichen und Königlichen Hofbuchhandlung von Leo Woerl, 1896, S. 2-11.
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