[391] 828. Die Katze mit drei Pfoten zu Grevenmacher.

[391] Zu Grevenmacher stand ehedem ein Kloster, an dessen Stelle sich jetzt ein Haus mit einem Garten befindet; daneben befand sich ein kleines Haus, das jetzt noch besteht. In diesem Häuschen wohnte ein Mann, der einen Zauberring besaß; dieser Ring machte es seinem Besitzer möglich, jede beliebige Gestalt anzunehmen. In dem Kloster wohnte ein Abt, der einen Mann beleidigt hatte. Der Beleidigte beschloß, sich am Abt zu rächen, und begab sich zum Eigentümer des Zauberrings mit der Bitte, ihm denselben zu leihen. Dieser hatte anfangs Bedenken, den Ring von sich zu geben, weil er, sobald er denselben nicht mehr besaß, in Schlaf verfiel und nicht eher wieder aufwachte, als bis er den Ring zurückerhielt. Zuletzt jedoch willigte er ein. Der andre, nun im Besitz des Zauberringes, verwandelte sich in eine Katze und als es anfing zu dunkeln, begab er sich an das Fenster des Zimmers, in dem der Abt studierte. Er streckte die Pfote durch eine zerbrochene Glasscheibe hinein, öffnete das Fenster und der Wind warf alles in des Abtes Studierzimmer durcheinander. Das tat die Katze drei Abende nacheinander. Am dritten Tage aber bemerkte der Abt, daß eine Katze mit menschlicher Geschick lichkeit das Fenster öffnete, und als dieselbe am vierten Tage wieder das Fenster öffnen wollte, hieb er ihr die Pfote ab und warf dieselbe in den Ofen. Von der Zeit an geht die Katze nachts umher, ihre abgehauene Pfote zu suchen, ohne welche sie ihre menschliche Gestalt nicht wieder annehmen kann. Der Mann im kleinen Häuschen aber, dem der Zauberring gehört, schläft noch immer.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 391-392.
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