[393] 831. Der Werwolf zu Bettemburg.

Einst war ein junger, unbesonnener Bursche aus Bettemburg in den Krieg gegangen und hatte seine alten Eltern hilflos zurückgelassen. Niemand wußte, was aus ihm geworden, selbst seine betrübten Eltern hielten ihn für tot. Viele Jahre waren vergangen; die armen Eltern des ungeratenen Burschen lagen schon längst unter der Erde und niemand im Dorf dachte mehr an den Verschollenen. Da kam eines Tages die Straße von Luxemburg nach Bettemburg ein alter, lahmer, abgedankter Soldat dahergegangen. In seinen Zügen las man Verzweiflung und aus seinem Mund tönten gräßliche Flüche. Auf einem Hügel unweit Bettemburg setzte er sich nieder. Etwas seitwärts erhob sich ein steinernes Kreuz. Als der Unglückliche dasselbe erblickte, griff er nach Steinen und unter schrecklichen Gotteslästerungen verstümmelte er das heilige Christusbild.

Von diesem Tage an ging allnächtlich zu Bettemburg ein greulicher Wolf um, der alles Lebende wütend zerriß und grenzenlosen Jammer im Dorf verursachte, um so mehr, als weder Schieß- noch Stichwaffen ihn zu verwunden im Stande waren. Endlich schaffte ein Klosterbruder, der im Dorf freundliche Aufnahme gefunden hatte, Hilfe gegen dies Ungeheuer. Er empfahl den Leuten, eine silberne Kugel zu gießen, die Namen Jesus, Maria und Joseph hineinzugraben und so den Wolf anzugreifen. Ein geübter Schütze erlegte ihn auch wirklich; aber wie erstaunte man, als der vermeintliche Wolf kein Tier, sondern der seit vierzig Jahren verschollene Sohn des Hirtenpitt war. Der Leichnam wurde verscharrt. Aber noch bis auf den heutigen Tag soll der Gotteslästerer keine Ruhe im Grabe haben und, schauerliches Geheul ausstoßend, allnächtlich als Werwolf das Steinkreuz an der Straße auf der Höhe vor Bettemburg umkreisen.


N. Steffen, Manuskript

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 393.
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