[405] 858. Der Bann und seine Lösung.

Ordensleuten und Priestern legte man die Macht bei, wen sie nur wollten, festzubannen. Nachfolgendes ereignete sich bei Diekirch.

Einst kehrte der Priester des Spitals abends von einem nahen Dorfe nach Diekirch zurück. Plötzlich trat ihm ein Klausner, der sich in der Umgegend aufhielt, in den Weg und forderte Geld oder Blut. »Freund«, sagte der Priester, »ist das Euer Ernst?« – »Mein voller Ernst«, entgegnete der andere. »Nun, wenn es nicht anders sein kann, so wollen wir die Sache in Güte abmachen; nehmen wir noch eine Prise.« Der Räuber war's zufrieden. Während dieser Zeit hatte der Priester das Banngebet gesprochen. »Taugenichts«, donnerte er dann den verblüfften Räuber an, »hier bleibst du stehen, bis ich den Bann löse.« Jener stand festgebannt. Der Priester aber eilte dem Spital zu; dort angelangt, fiel er in Ohnmacht. Als er wieder zur Besinnung gekommen war, erzählte er dort den Vorfall. »Um Gottes Willen, so eilen Sie doch morgen vor Sonnenaufgang vor das Tor«, sprach sein[405] Mitbruder, »und machen Sie das Kreuz über den Unglücklichen, sonst ist er mit Leib und Seele dem Teufel verfallen.« Der Priester tat es und der Räuber war vom Banne frei. Wäre der Priester erst nach Sonnenaufgang hingegangen, so hätte sein »Wort« keine Wirkung mehr gehabt und der Böse hätte den Räuber geholt.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 405-406.
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