[512] 1062. Das Passionsbild auf dem Johannisberg.

Am Rande des Weges, der zum Johannisberge hinaufführt, sind von oben bis unten sechs niedliche Kapellchen errichtet, welche mit ziemlich schön und kunstvoll geschnitzten Passionsbildern geschmückt sind und in Verbindung mit der Kirche, wo sich das heilige Grab befindet, den sonst üblichen, nur aus sieben Stationen bestehenden Kreuzweg bilden. Das Bild der Kreuzannagelung, welches in dem vierten Kapellchen stand, wurde im November des Jahres 1794 von den französischen Kriegstruppen herausgerissen und verbrannt und ist heute durch ein einfaches Kreuz ersetzt. Von diesem Bilde wird folgende Sage erzählt.

Die alten Budersberger pflegten allgemein den Sonntagnachmittag auf dem Johannisberge zu verbringen. Einst gingen drei Jünglinge plaudernd und scherzend den Berg hinauf, und als sie zu dem vierten Stationskapellchen kamen, welches die Kreuzigung darstellte, da hatten sie Mitleid mit dem armen Heilande und ärgerten sich gar sehr über das rohe, grausame Benehmen der Juden. Sie rissen die Henkersknechte heraus, durchbohrten ihnen die Augen und schlugen ihnen mit den Hammern die Nasen und die Finger ab und hängten sie zuletzt mit gedrehten Haselruten an den nächsten Baum auf. Doch sieh! auf einmal blitzte mitten im Wege vor dem Kapellchen eine rotblaue Flamme aus dem Boden hervor, und von jäher Furcht befallen stürzten die drei Jünglinge über Stock und Stein, durch Hecken und Gebüsch nach Hause. Zwei davon wurden siech und starben früh, der andere wurde von der Zeit an hinkend und blieb es sein ganzes Leben lang.


J. Prott, Pfarrer

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 512.
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