[514] 1068. Die Schloßkapelle von Ewerlingen.

A. Das Schloß von Ewerlingen war ehemals der Sitz der hochadeligen Familie Ewerlingen, von welcher das Dorf seinen Namen führt. Diese Familie war sehr gottesfürchtig: sie hatte ihren eigenen Hauskaplan und eine äußerst schöne Schloßkapelle. Während der Stürme der ersten französischen Revolution mußte die Familie Ewerlingen flüchten, und das Schloß nebst den dazu gehörigen großen Gütern kam in fremde Hände. Da wurde die Kapelle in Schweineställe umgewandelt. Diese Entweihung einer heiligen Stätte konnte nicht unbestraft bleiben. Einst schlachtete der Besitzer ein fettes Schwein, dessen Gedärme in die hart am Schlosse vorbeifließende Attert geworfen wurden. Plötzlich wurden dieselben feuerrot und verschlangen sich so ineinander,[514] daß sie ein schönes Kreuz bildeten, unter welchem einige Schriftzeichen erschienen. Von den Leuten, die zugegen waren, vermochte keiner die Schrift zu lesen. Zufälligerweise befand sich ein Jude unter den Zuschauern dieser rief auf einmal: »Es ist hebräisch!« Da drangen alle in ihn, die Worte zu übersetzen. Er dachte einige Zeit nach und sprach dann: »Es ist ein verhängnisvolles Urteil, und die Bedeutung der Worte ist: Es wird dich reuen.« Die Leute aber merkten, daß er nicht alles gesagt habe; der Jude jedoch schwieg beharrlich und wollte über den Rest keine Auskunft geben.


B. Zu Ewerlingen hatte jemand aus einer Kapelle einen Schweinestall gemacht. Als er nun einmal ein Schwein geschlachtet hatte, fanden sich in dessen Bauche Buchstaben vor, die niemand lesen konnte. Da befragte man ein Judenmädchen, das im Rufe der Hexenkunde stand. Dasselbe erklärte den Sinn der Buchstaben dahin: »Es wird dich reuen.« Auch soll der Eigentümer in der Folge wirklich ganz unglücklich in der Schweinezucht gewesen sein.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 514-515.
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