[552] 1127. Der Graf von Simmern.

Auf dem Schlosse zu Simmern lebte einst ein frommer und verständiger Graf. Aber nicht lange erfreuten sich die Untergebenen seiner weisen Herrschaft, denn der gute Graf verlor den Verstand. Um allem Unfall vorzubeugen, gab man ihm einen festen und verständigen Mann aus einem benachtbarten Kloster zum steten Gefährten. Der Graf scheute das Licht, und um ihm zu entgehen, hielt er sich gewöhnlich in den dunkeln Schloßgewölben auf, wo ihm sein Wächter auf Schritt und Tritt folgte.

Eines Tages war der Begleiter seinem Herrn in einem unterirdischen Gange, der in den Schloßbrunnen auslief, gefolgt, als der Unglückliche plötzlich verschwand. Sein Begleiter machte Lärm, man durchsuchte jedes Eckchen der Kellergewölbe, sowie den Schloßbrunnen, doch ohne Erfolg. Noch am späten Abend irrte der treue Wächter umher, um seinen verlorenen[552] Herrn zu suchen. Da, sagt man, erschien ihm etwas und ward ihm etwas gesagt, was er nie jemand entdecken wollte. Aber schrecklich muß es gewesen sein, denn am anderen Morgen war des Wächters Haar weiß wie der Schnee; er säumte nicht mehr einen Augenblick im Schlosse sondern begab sich nach Rom zum hl. Vater, von wo er nie mehr zurückkehrte.


Pfarrer P. Bies, Manuskript

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 552-553.
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