[257] 613. Der geisterhafte Schimmel bei Rosport.

Ein Mann aus Rosport kehrte einst um Mitternacht von Ralingen nach Hause zurück. An der Rosporter Fähre angekommen, rief er dem Fergen das übliche »Hol über!« zu und setzte sich nieder, um dessen Ankunft abzuwarten. Da sah er auf einmal einen prachtvollen Schimmel mit silbernem Zaum an dem Ufer der Sauer auf und ab trappeln. Er glaubte, das Tier habe sich verlaufen, und mit der gewohnten List, wie man Pferde zu fangen pflegt, gelang es ihm, dasselbe am Zaum zu fassen und festzuhalten. Doch sieh da! Plötzlich bäumt sich der Schimmel wild empor, öffnet sein glühendes Maul und speit mit ehernem Wiehern silberhelle Funken und Flammen aus; zugleich stürzt er sich, indem er sich überschlägt, unter furchtbarem Getöse der Luft, in die Fluten der Sauer, die zischend und gäschend, als würden sie kochen oder mit Feuer kämpfen, über ihm zusammenschlagen. Groß war das Entsetzen des Mannes; am andern Morgen waren seine Haare weiß wie Schnee.


J. Prott, Pfarrer

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 257.
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