[229] 531. Der große Hund bei Rodingen.

Eine Hebamme aus Rodingen hatte sich eines Abends schon zur Ruhe begeben, als sie nach einem eine halbe Stunde entfernten Dorfe gerufen wurde. Da es sehr eilte, so lief der Mann, der sie rufen gekommen, gleich zurück und sie mußte sich, wenn auch ungern, dazu entschließen, allein nachzueilen. Als sie ungefähr die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, kam sie zwischen zwei Hecken. Der Mond schien zwar, wurde aber von Zeit zu Zeit durch schwarze Wolken verhüllt, so daß die Nacht bald finster, bald halbdunkel war. Auf einmal glaubte sie, daß sie dicht vor einem großen, schwarzen Hund stehe, der im Wege lag. Sie stieß einen lauten Schrei aus. Als sie sich aber von ihrem Schrecken erholt hatte, sah sie nichts mehr. Sie ging weiter und dachte bei sich, es könne eine Täuschung gewesen sein. Als sie an Ort und Stelle ankam, fragte sie[229] der Mann, der sie gerufen hatte, ob ihr unterwegs nichts begegnet sei. »Als ich an die und die Stelle des Weges kam,« sagte sie, »glaubte ich, auf einen schrecklich großen Hund zu rennen.« – »Dann war es Euch grade wie mir,« entgegnete der Mann, »ich glaubte, dasselbe zu sehen und eben an derselben Stelle.«


Lehrer P. Hummer

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 229-230.
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