[232] 539. Das Hündlein beim Brakenberg.

A. Im Brakenberg bei Rosport, in der Nähe der Fähre, nach anderen beim Greeneschbaum, ist es nicht recht geheuer. Ein Hündlein, davon der Ort den Namen hat, erscheint des Nachts dem Wanderer, folgt demselben eine Strecke Wegs auf der Ferse, worauf er verschwindet. Sowie die gespenstische Bracke sich zeigt, verspürt der Wanderer eine schwere, drückende Last; nur mühsam keucht er weiter. Mit dem Verschwinden des Hündleins ist die Last flugs gehoben.

Alte Leute behaupten, daß, wenn man kein Wörtlein zu ihm sage, man die unheimliche Last nicht verspüre. Leider vergessen die meisten den heilsamen Rat und locken das Hündlein; kaum ist aber ein Wort gefallen, sitzt ihnen die Zentnerlast auf dem Hals.

Nach einer anderen Tradition soll es bald ein Pferd, bald ein Stier, bald ein gewaltiger Hund, bald ein riesiger Mann sein. Noch andere wollen bloß ein furchtbares, geräuschvolles Tosen und Branden in der Sauer gehört haben.


J.N. Moes


B. Dem Dorfe Rosport gegenüber liegt jenseits der Sauer, zwischen den Dörfern Ralingen und Godendorf, der sagenreiche Brakenberg. Auf dem Wege, der sich mitten durch den Abhang dieses Berges von Ralingen nach Godendorf zieht, war es in früheren Zeiten nicht geheuer. Auf der Strecke vom sogenannten Grêneschbirnbaum an bis zu dem Kreuzwege unterhalb Godendorf spukte ein kleiner, weißer, dreibeiniger Hund, der durch sein Erscheinen den einsamen Wanderer oft in Furcht und Angst setzte und allgemein unter dem Namen Brakenhündchen oder Eselshündchen bekannt ist. Sein Hauptaufenthalt ist der Eselsborn. Schmeichelnd und zutraulich pflegt es sich dem um Mitternacht dort vorübergehenden Wanderer zu nähern und ihn dann eine Strecke Weges zu begleiten, indem es neben oder hinter ihm herläuft. Anfangs erscheint das Hündchen als kleiner, niedlicher Pudel, allmählich aber wird es immer größer und größer und erreicht zuletzt die Höhe eines Pferdes. Läßt der Wanderer es ruhig, so kommt er ungeschoren davon; wagt er aber, es zu locken oder zu reizen, so springt es ihm auf den Rücken und läßt sich von ihm als eine ungeheuer schwere und immer zunehmende Last von hier aus tragen, entweder bis an den Grêneschbirnbaum oder bis[232] hart an den Eingang von Godendorf, je nachdem die Richtung war. Zuweilen erschien das Gespenst auch zuerst im Umkreise des Grêneschbirnbaumes und plagte auf seine Weise die Leute von dort aus bis zum Eselsborn; nicht selten wurde es auch in dem Dorfe Rosport in der Nähe eines Heiligenhäuschens gesehen, das früher »ob der Bâch« unterhalb des jetzigen »Schieweschhauses« stand.

Ein Mann aus Edingen wollte nicht an die Erscheinung des Eselshündchens glauben. »Pa!« sagte er, »dummes Weibergeschwätz! Schon zu jeder Stunde der Nacht ging ich am Eselsborn vorbei, ein Hündchen ist mir aber noch nicht begegnet.« Einst kehrte dieser Mann in später Nacht von Ralingen, wo er sich einen Rausch geholt hatte, auf dem Brakenwege in seine Heimat zurück. Als er am Eselsborn angekommen war, rief er übermütig aus: »Nun, wenn es einen Eselshund gibt, so mag er kommen!« Und sieh da! ein weißer Pudel, der immer größer und größer wurde, näherte sich auf einmal dem Manne, sprang ihm auf den Rücken und ließ sich von ihm tragen. Es war eine ungeheuere Last, die bei jedem Schritte zunahm, so daß der in Schweiß gebadete Mann kaum noch fortkommen konnte. So mußte er ihn tragen bis an den Godendorfer Mühlenbach. Dort wurde er plötzlich mit furchtbarer Gewalt gerüttelt und durch die Hecken ins Wasser geschleudert; darauf erst verließ ihn das Gespenst. Bei dem Schrecken, der sich seiner gleich beim ersten Erscheinen des Hündchens bemächtigt hatte, war der Mann plötzlich wieder nüchtern geworden und seither wagte er es nicht mehr, in später Nacht am Eselsborn vorbeizugehen.

Ein anderer Mann aus demselben Dorfe kehrte einst in später Nacht in Begleitung seines Sohnes mit einem Pferde und einem Teimer von dem Trierer Markte nach Hause zurück. Als sie an dem Grêneschbaum vorbeifuhren, rief auf einmal der Sohn, der das Pferd an der Leine führte, dem Vater zu: »Ei! sieh da, Vater, was für ein schönes, weißes Hündchen!« Und ohne die Antwort des Vaters abzuwarten, rief er schnell: »Hei, hei, hei, komm her! komm!« und lockte das Hündchen an sich. Der Vater, der alsbald wußte, was für eine Bewandtnis es mit dem Hunde habe, rief gleich dem Sohne warnend zu: »Willst du wohl still sein! das ist das Brakenhündchen!« Sogleich näherte sich das Hündchen und lief neben dem Pferde her, und der Teimer wurde nun auf einmal so schwer, daß das Pferd kaum noch fortkommen konnte und bald mit Schweiß und Schaum bedeckt war. Auf dem Kreuzwege, unterhalb der Godendorfer Mühle, verschwand das Hündchen plötzlich, und dabei war es, als ob eine ungeheuere Last vom Teimer wiche, denn das Pferd stolperte mit dem Teimer jetzt auf einmal so heftig vorwärts, daß es auf die Nase fiel.

Wie viele sagen, pflegt derselbe Geist auch in Gestalt eines großen dreibeinigen Hundes von schwarzer Farbe zu erscheinen. Dann ist es der Braken- oder Eselshund.[233]

Eine Frau aus Rosport trug einst des Morgens früh, als es noch dunkel war, ihr Tuch auf den Anger, der dem Grêneschbaum gegenüber an der Fähre liegt, um es dort zu waschen und zu bleichen. Da sah sie plötzlich einen großen, schwarzen, dreibeinigen Hund, der eine schwere Kette unter furchtbarem Gerassel am Halse nachschleppte, mit offenem, glühendem Maule durch die Sauer herüberschwimmen. Die Frau erschrak so sehr, daß sie das Tuch und alles liegen ließ und nach Hause eilte. Erst am hellen Tage wagte sie es, wieder zum Tuche zurückzukehren.


Lehrer M. Bamberg zu Steinheim

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 232-234.
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