[234] 542. Der schwarze Hund zu Ehnen.

Lange Zeit hindurch beunruhigte ein Geist in Gestalt eines großen, schwarzen Hundes die Einwohner von Ehnen. Er wurde meistens am Orte Follmillen, in der Frongasse und beim Heiligenhäuschen zwischen Wormeldingen und Ehnen gesehen. Gewöhnlich lag er da quer über den Weg und glotzte die Kommenden mit feurigen[234] Augen an. Wer sich alsogleich bekreuzte, den ließ er ruhig vorbeigehen und ängstigte ihn nicht weiter. Wer dies jedoch zu tun unterließ, der erhielt von unsichtbarer Hand Prügel bis nach Hause.

Einst kam ein Mann aus Ehnen, der sich in Wormeldingen einen Rausch angetrunken hatte, in später Nacht am Heiligenhäuschen vorbei, als nicht weit davon der Geisterhund ihm den Weg versperrte. »Was machst du da liegen?« schrie der Mann. »Heb dich weg und laß mich vorbei!« Der Hund aber wich nicht von der Stelle und wurde zusehends immer größer und schrecklicher. Der Mann suchte auf einem Umweg an dem Hund vorbeizukommen; wohin er sich aber wendete, der Hund lag stets vor seinen Füßen. Nun ward es ihm unheimlich zu Mute und völlige Nüchternheit trat an die Stelle des Rauches. Er bekreuzte sich mehrere Male und betete unter Angst und Entsetzen. Da ließ ihn zwar der Geist vorüber, ging aber an der Seite des Mannes bis zur Brücke bei Ehnen mit ihm. Am andern Tage waren des geängstigten Mannes Haare schneeweiß geworden.

Schon längst hat man von dem Geist nichts mehr gehört. Man erzählt, ein Pater aus dem Dominikanerhause zu Ehnen habe ihn beschworen und in einen Felsen gebannt.


Lehrer Linden zu Rollingen

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 234-235.
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