[275] 652. Das Schlärmrechen (Schleiermariechen).

Zwei Brüder aus Wormeldingen machten sich eines Abends auf, um nach dem Gostinger Wald auf den Anstand zu gehen. Als sie ungefähr die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, begegnete ihnen eine Weibsperson in schneeweißem Anzug, das Gesicht mit einem dichten Schleier verhüllt. Sobald die Männer der sonderbaren Erscheinung ansichtig wurden, machten sie halt, und wie Schlärmrechen nun gar hart an sie herantrat, ihnen einen schweren Rosenkranz vor die Augen hielt und sie mit schauerlichhohler Stimme nach der Kreuzwoche fragte, da erfaßte die Jäger ein panischer Schrecken, so daß sie kopfüber dem Dorfe zustürzten. Schlärmrechen war ihnen immer dicht auf den Fersen und kaum hatten sie die Tür des Hauses hinter sich zugeworfen, als von außen ein so wuchtiger Schlag gegen dieselbe erfolgte, daß das ganze Haus erdröhnte.

Schlärmrechen (so genannt wegen ihrer dichten Verschleierung) wurde später noch oft auf dem Wege zwischen Wormeldingen und Niederdonwen gesehen, und obschon sie nie jemand ein Leid zugefügt, wagte es doch lange Zeit nachher niemand, bei vorgerückter Nachtstunde diesen Weg zu gehen.


Lehrer Konert zu Hollerich

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 275.
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