[291] 666. Die weiße Frau, der Schutzgeist des Johannisberges.

Einst wollten die Franzosen zur Kriegszeit die Kirche auf dem Johannisberg niederreißen. Sie hatten das Werk der Zerstörung aber kaum begonnen, als sich bei Sonnenuntergang aus dem alten, moosigen Gemäuer hinter der[291] Kirche zu drei wiederholten Malen ein Wimmern hören ließ, wie ausgestoßen aus der Brust eines schwergepreßten Weibes. Dann erhob sich plötzlich in dem umliegenden Hain ein grollendes Rauschen, als wollten alle Bäume sich mit den Wurzeln losreißen und auf die Frevler einstürmen. Zu gleicher Zeit erschien ein blasses, ehrwürdiges Weib in weißen Gewändern. Sie hatte einen weißen Stab in der Hand und trieb die Gottesschänder nach allen Seiten hin auseinander. Es soll Elisabeth von Hunolstein gewesen sein, Frau von Wendel, wie das Volk sie nennt. Unter ihrer Pflege stand einst das Heiligtum des Berges in höchster Blüte (ungefähr 1500–1540).


J. Prott, Pfarrer

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 291-292.
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