[351] 766. Der Versucher und der Eremit.

Zu Schankweiler (jetzt Preußen) war eine Klause, welche ein sehr frommer Eremit bewohnte. Einst versuchte der Böse, in Gestalt eines Frauenzimmers von ausnehmender Schönheit, ihn zu Fall zu bringen. An einem Abend, während es heftig regnete, klopfte es an des Klausners Tür. Er fragte, wer draußen sei. Eine Frau antwortete draußen mit kläglicher Stimme, er möge sie doch bei solchem[351] Unwetter nicht draußen stehen lassen, sie sei eine arme, verirrte Frau. Der Eremit öffnete auf ihr inständiges Bitten. Darauf tritt eine schöne, junge, reichgekleidete Frau zu ihm herein. Sie fing sogleich an, ihn zu versuchen; der Klausner widerstand ihr standhaft. Als sie jedoch zu ungestüm auf ihn eindrang, sagte er zu ihr: »Sieh, Satan, ehe ich mich versündige, will ich lieber dies mein sündiges Fleisch auf glühenden Kohlen braten.« Hierauf legte er seinen Rock ab und warf sich in die am Herde glimmenden Kohlen. Darauf legte das Weib seine Menschengestalt ab und fuhr als Scheusal zum Dache hinaus. Der ganz mit Brandbeulen bedeckte Körper des Klausners war sogleich wunderbarerweise geheilt.


Erasmy

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 351-352.
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