X. Die Geldbörse.

[33] Es war also einmal ein Mann; der wanderte nach Hause – er kam von der Arbeit – und fand einen grossen Beutel voll Geld. Sofort versetzte er sich einen Schlag an die Stirn und rief aus: »Hier ist mein Glück! Nun brauche ich nicht mehr zu arbeiten! Ich bin jetzt ein Herr und will nun reisen!« Und mit diesen Worten begann er, des Weges weiterzuziehen. Er erblickte ein Haus, das zu verkaufen war, und sprach bei sich: »Das wartet auf mich!« Er kam mit dem Herrn des Hauses überein, bezahlte ihn und wollte in frohester Stimmung ins Haus hinein, um es zu beziehen. Beim ersten Schritt aber, den er tat, stürzte – weil es windig war – die Windfahne um und fiel ihm auf den Kopf; dabei hätte sie ihm fast den Kopf wie einen Kuchen plattgedrückt und ihn auf der Stelle getötet. »Gott hat mich vom Tode errettet!« rief Zeppi aus; »es ist aber besser, ich tausche das Haus gegen den Garten um, der hier vor ihm liegt!«

Dem Herrn des Gartens gefiel der Handel, und das Geschäft wurde abgeschlossen. In frohester Stimmung über den Erwerb des Gartens ging Zeppi weiter – geh' weiter und hol' einen, der weitergeht! – bis er schliesslich müdewurde. In der Ferne erblickte er das Meer: da setzte er sich in den Kopf, er müsste dorthin. Als er ans Ufer gelangte, erblickte er ein schönes Schiff und wünschte, das Schiff wäre das seinige. Was tat unser Zeppi? Er fuhr in einem Boote nach dem Schiff, ging zum Kapitän und sprach zu ihm: »Höre, Kapitän! Willst du, dass ich den Garten dort gegen dein Schiff eintausche?« »Topp! Ich nehme den Garten, und du nimmst das Schiff!«

Zeppi blieb also dort (an Bord), während der Kapitän an Land ging. Der treffliche Zeppi meinte nun, jedermann könne Seemann sein; er nahm das Steuerruder zur Hand, liess die Segel aufziehen – und nun: Gott befohlen! Auf einmal kam ein Sturm, und das Schiff kenterte. Glücklicherweise konnte unser Zeppi schwimmen; er begann zu rudern – rudere und hol' einen, der rudert! – bis er seinen Fuss aufs Land setzte und gerettet war. Alsbald erblickte er das Schiff umgekehrt, mit der Unterseite nach oben gewandt daliegen; da redete er sich wieder Mut ein und wollte wieder hin. »Nein, – ich will lieber doch nicht wieder aufs Schiff!« (rief er[34] schliesslich aus), und während er diese Worte sprach, kam ein Mann vorüber, der auf einem Pferde ritt. Der Zeppi fasste nun sofort einen anderen Plan. »Komm her!« Der Mann kam herbei und fragte Zeppi, was er wolle. »Siehst du das Schiff dort?« »Jawohl!« »Willst du es haben?« »Ich habe kein Geld mit, es zu kaufen!« »Guck' her! Wenn du willst, so gebe ich es dir, und du gibst mir dein Pferd!« »Abgemacht!«

Zeppi nahm jetzt das Tier, und der andere verliess ihn. Als sich Zeppi nun anschicken wollte, aufzusteigen, scheute das Pferd und begann auszuschlagen und ging mit ihm durch. Zeppi begann laut zu schreien: »Haltet es! Haltet es! Es macht mich tot!« Nachdem das Pferd ein grosses Stück weitergelaufen war, hielt es an; Zeppi stieg von ihm herunter, und da er es jetzt durchaus verkaufen wollte, fand er natürlich keinen Käufer. Dann kam ein Mann; dieser sprach zu Zeppi: »Gevatter, willst du mir das Pferd geben, wenn ich dir die Kuh gebe?« »Schlag ein!«

Zeppi dachte nun in frohester Stimmung darüber nach, wie viel Milch er immer haben würde; und als es mit ihm so weit war, als es mit ihm hatte kommen sollen, schickte er sich an, die Kuh zu melken. Als Zeppi ihr aber das Euter berührte, versetzte sie ihm einen Stoss in die Magengrube. Alsbald kam eine Milchfrau mit ihrer (Ziegen)herde vorüber. »Willst du mir eine deiner Ziegen geben, wenn ich dir die Kuh hier gebe?« Die Frau war damit einverstanden, doch der betreffenden Ziege gefiel die Sache nicht; denn als die Frau sich mit der Kuh entfernte, wandte sich die Ziege gegen Zeppi und begann auf ihn einzustossen, als richtige Ziege, die sie war. »Hätte ich doch lieber ein Zickelchen statt dieser Ziege genommen!« Damit rannte Zeppi hinter der Milchfrau her; er holte sie ein und gab ihr die Ziege, und sie gab ihm ein Zickelchen, das noch saugte.

»Bäh! Bäh!« Während er so mit dem Zickelchen seines Weges zog, begegnete ihm ein Mann mit Eiern und hielt ihn an. »Höre! Was willst du mit diesem Zickelchen anfangen? Willst du, dass ich dir eine Henne dafür gebe?« Zeppi sah ein, dass er am besten ja sagte, und nahm die Henne an. »Mir gehört die Welt!« rief er aus; »jetzt bekomme ich täglich frische Eier!«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, – da flog ihm die Henne fort, und er fing sie erst nach vieler Mühe wieder ein. Ein Fleischer kam des Weges daher; bei sich hatte dieser einen Hund,[35] der jämmerlich zerbissen war. Der Fleischer fragte: »Willst du ihn haben?« Da gab ihm Zeppi die Henne und nahm den Hund in Empfang; er band ihm einen Bindfadenstrick an den Hals und marschierte mit ihm weiter.

Wie der Hund sah, dass sich sein Herr entfernte, riss er sich plötzlich vom Stricke los und entfloh dem Zeppi. Da begann Zeppi, in gedrücktester Stimmung, zu weinen und auszurufen: »Wieviel besser wäre es für mich gewesen, wenn ich die Börse, als ich sie fand, behalten hätte! Nun bin ich wieder so arm wie vordem!« Hiermit kehrte er um und begab sich nach Hause und ging wieder an die Arbeit. – Tombi, tombi! Aus ist die Geschichte! Ein Viertel Seife kostet vier Centimes!

Quelle:
Stumme, Hans: Maltesische Märchen. Gedichte und Rätsel in deutscher Übersetzung, Leipziger Semitistische Studien, Band 1, Heft 5, Leipzig: J.C. Hinrichsche Buchhandlung, 1904, S. 33-36.
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