IV. Die drei Wünsche.

[16] Es war einmal ein recht armer Mann; der hatte eine sehr hübsche Frau geheiratet. Eines Tages hatten sie sich ins warme Bett gelegt, da sie vor Kälte klapperten, und begannen sich zu unterhalten und sich zu sagen, was sie tun würden, wenn sie viel Geld hätten. »Wäre ich reich«, so sprach die Frau, »da würdest du sehen, wie zufrieden ich wäre!« »Ich wäre da auch zufrieden«, versetzte ihr Gemahl; »und weisst du, was ich wünsche? Ich wünsche, es käme eine Zauberin, die uns alles geben wollte, was wir erbäten!«[16]

Auf einmal erschien in ihrer Kammer eine gar schöne Frau; prächtig war sie angezogen, und sprach zu ihnen: »Höret! Ich bin eine Zauberin und werde euch die ersten drei Dinge geben, die euer Herz wünscht; aber seid vorsichtig bei euren Wünschen, denn nach diesen drei Dingen gebe ich euch nichts mehr!« Dann verschwand die Frau. Die beiden Leute wurden sehr bestürzt und zerbrachen sich den Kopf, um sich etwas sehr Schönes und Gutes zu wünschen. »Wenn es nach mir ginge,« sprach die Frau, »so wüsste ich, was ich mir wünschte; doch für den Augenblick wünsche ich nichts, – es scheint mir aber, dass, wenn ich schön, reich und eine Fürstin wäre, mir nichts mangeln würde!« »Aber,« antwortete ihr der Mann, »was nützte dir das alles, wenn du krank würdest und in jungen Jahren sterben müsstest?« »Das Richtige für die Zauberin wäre gewesen, wenn sie uns etwa zwölf Dinge hätte wählen lassen, und nicht bloss drei!« »Da hast du Recht!« versetzte der Mann; »aber wenn wir nun einmal nicht mehr als drei (Dinge zu wählen) haben, so wollen wir uns auch lieber nicht beeilen; wir wollen bis morgen warten, und morgen früh wollen wir sehen, was wir uns wünschen!« »Ich werde die ganze Nacht über die Wünsche nachdenken,« sprach die Frau; »dabei wollen wir etwas essen und trinken!«

Nun stiegen die beiden aus dem Bette und öffneten den Schrank, und die Frau nahm ein Stückchen Brot und eine halbe Sardine heraus. Der Mann hatte sich bereits in den Kopf gesetzt, er hätte viel Geld; darum gefiel ihm das Essen gar nicht, und er sprach: »Wie wünschte ich, ich hätte ein Stück Blutwurst! Mit welchem Appetit wollte ich die essen!« Er hatte das Wort noch nicht zu Ende gesprochen, – da erschien sofort eine Blutwurst auf dem Tische, die sehr schön duftete. Als die Frau das sah, begann sie gehörig zu schreien und geriet in Wut und sprach: »Wie du nur immer für deinen Bauch sorgst! Hättest du bis morgen gewartet und hätten wir dann viel Geld gehabt, hättest du dir da nicht Blutwürste, soviel du willst, kaufen können?« Und sie jammerte und redete ihm vor, bis er schliesslich in grösster Wut vom Stuhle aufsprang und ihr zuschrie: »Ich möchte, man würfe dich ins Wasser Was für eine bewegliche (wörtl.: lange) Zunge du hast! Ich wäre gar nicht böse, wenn ich die Blutwurst hier an deiner Nase hängen sähe!« Plötzlich – denke, wie sonderbar es ihm zu Mute wurde, denn er war mit diesen Worten noch gar nicht zu Ende – hing[17] die Blutwurst unter der Nase seiner Frau! Sie tat alles, was sie konnte, um die Wurst von ihrer Nase wegzubekommen, – aber alles vergeblich; denn jemehr die Frau zerrte, desto fester und dicker wurde die Wurst, bis die Frau ein Gesicht wie ein Elefant bekommen hatte; und so schön sie vordem gewesen war, um so fürchterlicher wäre sie dir jetzt erschienen!

Da brach die Frau laut in Tränen und Schluchzen aus und rannte im Zimmer umher: »Was für ein Unglück ich immer habe! Wie dein Herz hart und schlecht ist! Wozu brauchtest du zu wünschen, dass sich diese Blutwurst mir an die Nase setze!« »Lass uns sehen, was wir tun können; denn wir haben bloss noch einen Wunsch übrig, dass die drei vollwerden! Ich werde mir also recht viel Geld wünschen, und dann mache ich dir ein Futteral aus Gold, damit du die Blutwurst darin verbergen kannst!« »Hüte dich, das zu tun!« schrie die Frau sofort; »denn ich werde mir sicher mit eigenen Händen das Leben nehmen, wenn ich mein ganzes Dasein mit dieser an mei ner Nase baumelnden Blutwurst zubringen müsste! Höre mich an! Lass mich den letzten Wunsch sagen, denn sonst springe ich augenblicklich vom Dache herunter und du siehst mich nicht wieder vor deinen Augen!« Und damit lief die Frau die Treppe zum Dache hinauf. Da ihr Mann sie aber sehr lieb hatte, rannte er ihr nach, hielt sie fest und sprach zu ihr: »Ja, liebe Seele! Wünsch' dir, was du willst! Lass uns in Frieden zusammen leben!« Da freute sich die Frau gar sehr, wischte sich die Tränen aus den Augen und rief: »Nun, – ich wünsche, dass diese Blutwurst auf den Boden falle!«

Sofort geschah das, und die Frau sprach zu ihrem Manne: »Na, – da wir die Blutwurst noch dahaben, wollen wir sie essen; vielleicht erbarmt sich Gott unser schliesslich doch einmal!« Und das taten sie: sie assen die Wurst und wünschten sich hinfort nichts mehr und lebten zufrieden bis zu ihrem Tode.

Quelle:
Stumme, Hans: Maltesische Märchen. Gedichte und Rätsel in deutscher Übersetzung, Leipziger Semitistische Studien, Band 1, Heft 5, Leipzig: J.C. Hinrichsche Buchhandlung, 1904, S. 16-18.
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