[86] 18. Die Zauberäpfel

[86] Es war einmal ein Bursche, der tat es immer allen andern zuvor. Es fehlte ihm nie an Geld; das kam daher, daß er einen Beutel hatte, der nie leer war. Nie fehlte es ihm an Nahrung; denn er hatte ein Tuch, und sobald er das ausbreitete, bekam er alles, was er wollte, Essen und Trinken. Dazu hatte er noch einen Wünschelhut. Wenn er den aufsetzte, konnte er sich wünschen, wohin er wollte, und sogleich war er dort. – Nur an einem Ding fehlte es ihm noch: er hatte keine Frau,[87] und nun kam er allmählich in die Jahre, wo er sich hätte eilen müssen.

Aber als er so eines Tages trübselig dahinging, fiel es ihm ein, sich zu der schönsten Königstochter in der Welt zu wünschen. Kaum hatte er es gedacht, so war er schon dort. Und es war ein Land, das er noch nie erblickt hatte, und eine Stadt, in der er noch nie gewesen war. Und der König hatte eine Tochter, so schön, wie er noch nie etwas gesehen hatte, und die wollte er auf der Stelle haben. Aber sie wollte gar nichts von ihm wissen und war sehr hochmütig.

Schließlich war er ganz verzweifelt, und so kam er außer sich, daß er nicht mehr sein konnte, wo sie nicht war. Da nahm er seinen Wünschelhut und wünschte sich ins Schloß. Er wolle adieu sagen, sagte er. Und sie gaben sich die Hand. »Ich wollte, wir wären weit überm Ende der Welt!« sagte der Bursch, und da waren sie dort. Sie setzten sich, um zu ruhen, unter einen Baum; es war in einem großen Wald. Aber die Königstochter weinte und bat, ob sie nicht wieder heim dürfe. Er könne alles Silber und Gold, das im Schloß sei, dafür haben. »Ich hab selber Geld genug«, sagte der Bursch und schüttelte seinen Beutel, daß das Geld nur so herumrollte. Er dürfte jeden Tag an der königlichen Tafel sitzen und von den besten Speisen essen und den feinsten Wein trinken, sagte sie. »Ich habe selber Essen und Trinken genug«, sagte der Bursch und breitete gleich sein Tuch aus. »Sieh, du magst dich zu Tische setzen«, sagte er. Da stand ein Tisch gedeckt mit dem Besten, was man sich wünschen kann; selbst der König führte keine so feine Tafel.

Als sie gegessen hatten, sagte die Königstochter: »Ach, schau doch die schönen Äpfel da oben an dem Baum. Wenn du brav wärest, holtest du mir ein paar herunter!« Der Bursche, nicht faul, kletterte hinauf. Aber er hatte das Tuch und den Beutel vergessen, und die nahm sie an sich. Und als er die Äpfel hinunterschütteln wollte, fiel ihm der Hut hinab. Den setzte sie sich auf und wünschte sich heim in ihr eigenes Zimmer, und stracks war sie auch dort.[88]

»Das hättest du wissen sollen!« sagte sich der Bursche und eilte vom Baum herunter. Er fing an zu weinen und wußte sich gar nicht zu helfen. Als er so dasaß, versuchte er die Äpfel, die er hinuntergeworfen hatte. Kaum hatte er recht versucht, so hatte er ein kurioses Gefühl im Kopf, und als er recht zusah, hatte er Hörner. »Nun kann es ja nichts mehr schaden«, sagte er und aß ruhig weiter von den Äpfeln. Aber auf einmal war das Horn weg, und er war wie früher. »Auch gut«, sagte der Bursche. Damit steckte er die Äpfel ein und machte sich auf die Suche nach der Königstochter. Er zog von Stadt zu Stadt und segelte von Land zu Land. Aber es war eine weite Reise und dauerte über Jahr und Tag und noch länger.

Aber eines Tages kam er doch hin. Es war ein Sonntag, und er erfragte, daß die Königstochter in der Kirche sei. Da setzte er sich mit seinen Äpfeln vors Kirchentor und gab sich als Handelsmann aus. »Äpfel von Damaskus! Äpfel von Damaskus!« schrie er. Da kam auch schon die Königstochter und hieß ihr Mädchen gehen und schauen, was der fremde Handelsmann Schönes feil habe. Ja, das seien Äpfel von Damaskus. »Was hat man von den Äpfeln Gutes?« fragte das Mädchen. »Klugheit und Schönheit!« sagte der Kaufmann, und das Mädchen kaufte.

Als die Königstochter von den Äpfeln gegessen hatte, bekam sie Hörner. Und da war ein so jämmerliches Klagen im Schloß, daß es ein Jammer war. Und sie schlugen das Schloß schwarz aus und ließen im ganzen Reich von allen Kanzeln verkünden, wer der Königstochter helfen könne, der solle sie und das halbe Königreich dazu bekommen. Da kamen Hinz und Kunz und die besten Ärzte im Land. Aber keiner konnte helfen.

Da kam eines Tags ein fremder Doktor von weit her an den Hof. Er sei nicht aus dem Lande, sagte er, und habe extra die lange Reise gemacht, nur um sein Heil hier zu versuchen. Aber er müsse mit der Königstochter allein sein, sagte er, und das wurde ihm erlaubt.[89]

Die Königstochter erkannte ihn und wurde rot und blaß. »Wenn ich dir jetzt helfe, willst du mich dann heiraten?« fragte der Bursch. Ja, das wollte sie. Da gab er ihr einen von den Wunderäpfeln, und da waren die Hörner nur noch halb so groß. »Mehr kann ich nicht tun, bevor ich nicht auch meinen Hut und mein Tuch und meinen Beutel wiederhabe«, sagte er. Da holte sie ihm die Sachen herbei. Da gab er ihr noch einen Wunderapfel, und da waren die Hörner nur noch ganz winzig kleine Hörnchen. »Jetzt kann ich nicht weitermachen, ehe du mir nicht schwörst, treu zu sein«, sagte er. Das schwur sie ihm. Aber als sie den dritten Apfel bekam, wurde ihre Stirn wieder ganz glatt, und sie war noch schöner als in früheren Tagen.

Da war die Freude groß im Schloß. So richteten sie die Hochzeit zu mit Backen und Brauen und luden Leute aus Ost und West dazu ein. Da tranken sie und waren froh und guter Dinge, und wenn sie nicht aufgehört haben, so sind sie es heute noch.[90]

Quelle:
Stroebe, Klara: Nordische Volksmärchen. 2: Norwegen. Jena: Eugen Diederichs, 1922, S. 86-91.
Lizenz:
Kategorien: