[222] 38. Die Trollfrau

Vor langen, langen Jahren wohnten einmal zwei alte wohlhabende Leute auf einem Hof oben in Hadeland. Die hatten einen Sohn, der war Dragoner und ein großer hübscher Kerl. Im Gebirg hatten sie eine Alm, und die war nicht wie die meisten Sennhütten, sondern schön und solid gebaut und hatte sogar einen Schornstein und ein Dach und Fenster. Da oben wurde den ganzen Sommer gehaust, aber wenn sie im Herbst heimgezogen waren, so merkten die Holzhauer und Jäger und Fischer und wer sonst um diese Zeit im Wald zu tun hatte, daß das Bergvolk da sein Wesen trieb mit seiner Herde. Und bei denen war ein Mädchen, die war so wunderschön, wie sie niemals etwas Ähnliches gesehen hatten.

Davon hatte der Sohn oft gehört, und in einem Herbst, als sie von der Alm schon zu Hause waren, da zog er seine[222] volle Uniform an, sattelte sein Dienstpferd, steckte seine Pistolen in die Satteltasche, und so ritt er hinauf. Als er gegen die Alm zu kam, da brannte in der Sennhütte ein solches Feuer, daß es über alle Wege hinleuchtete, und da merkte er wohl, daß die Bergleute darin waren. Da band er sein Pferd an eine Tanne, nahm eine Pistole aus der Satteltasche und schlich an die Hütte heran und schaute durchs Fenster; darin saßen ein alter Mann und eine Frau, die waren ganz krumm und zusammengeschrumpft vor Alter und so unerhört häßlich, wie er nie etwas in seinem Leben gesehen hatte; aber es war auch ein Mädchen dabei, die war so wunderschön, daß er sich stracks in sie verliebte und meinte, er könne nicht leben ohne sie. Alle hatten Kuhschwänze und das schöne Mädchen auch. Er konnte sehen, daß sie eben erst gekommen waren, denn es war noch alles in Unordnung. Das Mädchen war dabei, den häßlichen Alten zu waschen, und die Frau machte Feuer unter dem großen Käsekessel am Herd.

In dem Augenblick stieß der Dragoner die Tür auf und schoß gerade über dem Kopf des Mädchens seine Pistole ab, so daß sie zu Boden taumelte. Aber da wurde sie auf einmal so häßlich, wie sie zuvor schön gewesen war, und eine Nase bekam sie, so lang wie ein Pistolenfutteral.

»Jetzt kannst du sie nehmen, jetzt gehört sie dir«, sagte der alte Mann. Aber der Dragoner war wie festgewachsen; wo er stand, da stand er und konnte keinen Schritt tun, weder vor noch rückwärts. Da fing der Alte an, das Mädchen zu waschen; und da wurde sie ein bißchen ansehnlicher: die Nase war nur noch halb so groß, und der häßliche Kuhschwanz wurde hinaufgebunden, aber schön war sie nicht, das hätte nur ein Lügner behaupten können.

»Nun gehört sie dir, mein stolzer Dragoner, setz sie nun vor dich aufs Pferd und reite in die Stadt und halte Hochzeit mit ihr. Aber für uns kannst du in der kleinen Kammer im Backhaus decken, denn wir wollen nicht mit der übrigen Hochzeitsgesellschaft zusammen sein«, sagte das alte[223] Scheusal, ihr Vater; »aber wenn der Teller umgeht, kannst du auch bei uns vorsprechen.«

Er wagte nichts anderes zu tun und nahm sie mit vor sich auf das Pferd und richtete die Hochzeit her. Aber bevor sie zur Kirche gingen, bat die Braut eine von den Brautjungfern, sie möchte sich gut hinter sie stellen, damit niemand sehen könnte, wie ihr Schwanz abfiele, wenn der Priester ihre Hände zusammenlegte.

Also wurde die Hochzeit gefeiert, und als der Teller umging, ging der Hochzeiter hinaus in die Kammer, wo für die alten Leute vom Berg gedeckt war. Diesmal sah er dort nichts, aber als die Hochzeitsgäste gegangen waren, lag so viel Gold und Silber da und ein solcher Haufe Geld, wie er noch nie beisammen gesehen hatte.

Nun ging es lange Zeit schön und gut; jedesmal, wenn Gäste da waren, deckte die Frau für die alten Leute draußen in der Kammer, und jedesmal lag so viel Geld da, daß sie bald nicht mehr wußten, was sie damit anfangen sollten. Aber häßlich war sie und häßlich blieb sie, und er war ihrer herzlich überdrüssig. So konnte es nicht ausbleiben, daß er zuweilen böse war und ihr mit Schlägen und Püffen drohte.

Einmal wollte er in die Stadt; und da es Herbst und schon gefroren war, so sollte das Pferd erst beschlagen werden. Also ging er in die Schmiede – denn er war selbst ein tüchtiger Schmied –, aber wie er es auch anstellte, so war das Hufeisen entweder zu groß oder zu klein und wollte durchaus nicht passen. Er hatte kein anderes Pferd zu Hause und mühte sich ab bis zum Mittag und bis in den Nachmittag hinein.

»Wirst du denn niemals mit dem Beschlagen zu Streich kommen?« sagte die Frau. »Du bist schon kein sonderlich guter Mann, aber du bist ein noch viel schlechterer Schmied. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als daß ich selbst in die Schmiede gehe und das Pferd beschlage; dieses Eisen ist zu groß, das müßtest du kleiner machen, und dieses hier ist zu klein, das müßtest du größer machen.«[224]

Sie ging in die Schmiede, und das erste, was sie tat, war, daß sie das Hufeisen in beide Hände nahm und geradebog.

»Da schau her«, sagte sie, »so mußt du es machen.« Damit bog sie es wieder zusammen, als ob es aus Blei wäre. »Jetzt halte das Bein her«, sagte sie, und das Hufeisen paßte so aufs Haar, daß der beste Schmied es nicht besser hätte machen können. »Du hast ja ganz gehörige Kräfte in den Fingern!« sagte der Mann und schaute sie an.

»Meinst du?« gab sie zur Antwort. »Wie glaubst du denn, daß es mir gegangen wäre, wenn du solche Kräfte hättest? Aber ich habe dich viel zu lieb, als daß ich meine Kräfte gegen dich gebrauchen sollte«, sagte sie.

Und von diesem Tag an war er der beste Ehemann.

Quelle:
Stroebe, Klara: Nordische Volksmärchen. 2: Norwegen. Jena: Eugen Diederichs, 1922, S. 222-225.
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