II. Nachtvolk.

[164] Entrückungen lebender Personen, durch Zweifel, Vorwitz oder Sehnsucht verursacht, und Wiederkehren Derselben nach beängstigendem Traume kommen schon in den ältesten Zeiten vor.

(Stöber.)


Entrückungs-Geschichten finden wir auch in der untern Schweiz in gar mancherlei Art und Verumständung.

(Lütolf.)


Ein Schneider aus Wössingen (Baden) wurde so verführt, daß er einst Abends beim Nachhausegehen in eine Kutsche sich setzte, die den gleichen Weg rollte. Kaum war er eingestiegen, erhob sich die Kutsche[164] in die Lüfte und fuhr, schnell wie der Wind, über Berg und Thal. Am Morgen lag er am Meeresufer bei einem Schiffe und bat die Schiffer um Beistand; sie nahmen ihn mit nach Ostindien, wo er 20 Jahre blieb, nach deren Verlauf heimkehrte und eben ankam, als seine Frau, die ihn todt geglaubt hatte, mit dem Lehrjungen Hochzeit gehalten hatte. Er kehrte wieder nach Ostindien zurück. – Das sind Erinnerungen an Wuotans Wagen, der noch als »großer Bär« am Himmel steht, welchen das Volk den »Wagen« heißt. Wenn der Wagen von Böcken gezogen wird, der Mann, der darin sitzt, Bocksfüße hat und der Wagen mit einem Knalle verschwindet, so darf man die Sagen auf den Donnergott und seinen Wagen beziehen.

(Mone 8.)


Ein Mann aus Steinbach (Baden) traf beim Heimgehen eines Abends ein schönes Pferd. In der Meinung, Dasselbe habe sich verlaufen, wollte er es nach dessen Stalle reiten. Aber kaum war er aufgesessen, erhob sich das Pferd in die Lüfte und trug ihn fort, bis er die Frühglocke hörte; dann erst setzte es ihn ab, und er befand sich jenseits des Rheines und so weit von Steinbach, daß er zur Rückkehr dahin zwei Tage nöthig hatte.

(Mone 8.)


In den Straßen der guten Stadt Mannheim spuckt ein schwarzes Pferd, der »Trappgaul« genannt, welches schon viele Leute irre geführt hat.

(Mone 4.)

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 164-165.
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