11. Der Küh-Joli.

[141] Ein Besitzer des Schloßgutes oberhalb Jenins hatte einen rohen Knecht, wie er selber ein rauher, geiziger, hartherziger Gebieter über die eigene Familie und seine Untergebenen war.

Dieser Knecht fand sein besonderes Vergnügen darin, nächtlich herumzustreifen, und das liebe Vieh in den benachbarten Weideplätzen herumzujagen, und Demselben keine Ruhe zu gönnen.

Konnte er in einen Stall gelangen, wo das Vieh, wie üblich, angebunden war, hatte er noch größere Freude; das plagte er, daß es laut brüllte.[141]

Wie oft nun aufgepaßt wurde, was dem Vieh doch fehle, daß es so brülle, und man vermuthete, es geschehe ihm Qual, konnte man sonderbarerweise des Bösewichtes nie habhaft werden, denn vermöge eines Paktes mit dem Bösen, konnte er unsichtbar sich machen.

In seinen bessern Stunden sah man ihn in einem großen Hute im Schloßbezirke herumhandthieren; und Abends nach dem Füttern, wenn der Knecht des Nachbarn (Stock mit Namen) »bürchelte« (ins Horn blies) und jodelte, um die Zeit sich zu vertreiben, that er ein Gleiches, sang auch den Kuh-Reihen.

Nach seinem Tode aber war's viele Jahre lang im Schloßgute nie mehr richtig gewesen. Ärger als im Leben wüthete er umher, im Gute selber, in Alpen und Maysäßen, in Einfängen und sogar Ställen nahe beim Dorfe. In's Dorf aber kam er nie. Er fügte Vielerorts Unheil an, bis daß es einem Geisterbanner gelang, den Bösewicht an das sog. Panx-Gatter hinunter zu bannen, wo er jolen mag, so lange es ihm gefällt.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 141-142.
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