48. Der Zigeuner als Saufänger

[280] Es begab sich einmal, daß die Mutter Zmeune die Kraft ihres Sohnes Zmeu erproben wollte, deshalb sagte sie zu ihm: »Geh, mein Sohn, mit dem Zigeuner in den Wald, wo der große Eber haust, welchen du selbst nicht zu zwingen vermagst, treibe ihn dem Zigeuner zu, der ihn gewiß umbringen wird.« Diese Rede beleidigte den Zmeu, und um seiner Mutter zu zeigen, daß der Zigeuner nicht stärker sei, rief er denselben, und sie gingen zusammen in den Wald hinaus, wo sich das borstige Untier umtat.

Der Zmeu, welcher sich in dem Walde genau auskannte, wußte es nun gerade so anzustellen, daß der Eber auf seinen Jagdgefährten zurannte. Als der aber die Bestie so daherschießen sah, wandte er sich schnell um, sprang zu einer starken Buche und kletterte hinauf. Der Eber, voll Wut in seinem gehetzten Zustande, seinem Gegner nicht mehr nachzukönnen, nahm einen mächtigen Anlauf, schoß gegen den Stamm und hieb mit seinen furchtbaren Hauern so grimmig hinein, daß sie fest darin steckenblieben und er nicht mehr loskommen konnte. Jetzt war es Zeit. Der Zigeuner sprang schnell herab, setzte sich rittlings auf den Eber und rief, denselben bei den Ohren fassend, dem Zmeu zu: »Komm her, Bruder, komm, ich hab ihn!«[280]

Da schlich dieser herbei, und als er sah, daß der Zigeuner auf ihm saß wie auf einer zahmen Sau, wußte er vor Staunen kein Wort mehr hervorzubringen, sondern stach den Eber vollends nieder, worauf sie beide heimkehrten. Auch die Mutter Zmeune konnte sich nicht genug verwundern, wie der Zigeuner dieses Ungetüm so habe fangen können.

Quelle:
Schott, Arthur und Albert: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat. Bukarest: Kriterion, 1975, S. 280-281.
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