Die beiden Töchter.

[42] Es lebten einmal ein alter mann und ein altes weib. diese waren nicht miteinander verheirathet, und hatten zwei töchter. die tochter des mannes war ein gutes und liebes kind; sie arbeitete fleißig und verdiente sich manchen pfennig, mit dem sie ihren alten vater ernähren half. aber die tochter des alten weibes war ein faules und schlechtes[42] kind und hielt mehr auf schönen plunder, als auf ein gutes herz. einmal gingen beide mädeln in die spinnstube. aber die tochter des weibes spann nichts und tanzte und lachte nur, während die gute tochter des mannes sehr thätig war. gegen abend gingen beide mädeln miteinander nach hause, denn sie wohnten unter einem dache. vor dem hause war aber ›ein planken‹, über diesen mußten beide mädeln steigen. da stieg zuerst die tochter des weibes hinüber und sagte der andern: ›gieb mir dein gespinnst, ich will es halten, indeß du herüber steigst.‹ das gute mädchen hatte nichts arges im sinne und gab es ihr. aber das böse mädel lief davon und sagte ihrer mutter zu hause: ›siehst du liebe mutter wie fleißig ich gesponnen habe. die Marpiola, die auch in der spinnstube war, hat nichts gearbeitet, denn sie ist immer sehr faul. sie hat die ganze zeit nur gelacht und von hübschen burschen gesprochen.‹ – die gute tochter aber weinte zu hause und sagte ihrem alten vater nichts von dem, was vorgefallen war. –

Eines tages sagte sie zu ihrem vater: ›lieber vater, laßt mich in die welt gehen; ich will mir einen dienst suchen. wenn ich zurückkomme, werde ich mit der hülfe Gottes euch geld bringen, welches ich mir in der welt verdienen will.‹ der alte sagte: ›geh' liebes kind mit Gott und komme bald glücklich wieder.‹

Die gute tochter nahm von ihrem alten vater unter vielen thränen abschied. sie steckte sich ein stück kalten maiskuchen in die tasche und ging. da kam ihr eine schmutzige hündin entgegen, welche zu ihr sprach: ›liebes mädchen! reinige mich von allem schmutz und ungeziefer.‹ das gute mädchen reinigte die schmutzige hündin. dann machte sie sich auf den weg und ging lange, lange fort.

Als sie eine gute strecke gegangen war, fand sie einen baum am wege stehen. als der baum sie sah, sagte er zu ihr: ›liebes mädchen, reinige mich von den vielen raupen, welche auf meinen blättern sitzen!‹ und das gute mädchen reinigte den baum und ging weiter.

Als sie eine volle stunde weiter gegangen war, sah sie einen tiefen, tiefen brunnen neben dem wege. sie ging[43] zum brunnen um wasser zu trinken, aber im brunnen war fast kein wasser, dagegen viele, viele kröten und eidechsen. da sprach der brunnen zum mädchen: ›mein liebes kind, ich weiß, daß du durstig bist und wasser trinken willst, und doch kann ich dir keinen einzigen reinen tropfen geben. reinige mich zuerst, und dann will ich dich sättigen.‹ die gute tochter warf ihre kleider ab, stieg in den brunnen und reinigte ihn von den vielen kröten und eidechsen. dann stieg sie heraus, kleidete sich wieder an, und zog weiter.

Nach einer halben stunde sah sie am wege einen halbzerfallenen backofen. als sie vorüber gehen wollte, sagte ihr der backofen: ›liebes mädchen, bleibe doch ein wenig bei mir, und baue mich wieder auf.‹ das mädchen ließ sich nicht weiter bitten, und stellte den backofen wieder her. er sah ganz wie neu aus und dessen freute er sich sehr.

Darauf ging das gutherzige kind weiter und begegnete dem heiligen Sonntag. Dieser war ein gar lieber mann und er fragte die gute tochter: ›liebes mädchen, wohin wanderst du?‹ ›wohin mich nur der fuß führt, denn ich suche einen dienst‹ sagte das mädchen. ›komm du in meinen dienst‹ sagte darauf der heilige Sonntag. ›ich will dich reichlich belohnen, wenn du durch einen ganzen monat bei mir alle vögel der welt zusammen rufen und baden willst. aber zum bade darfst du weder ein heißes noch ein kaltes wasser nehmen, damit die armen vögelein nicht erkranken.‹

›Gut, ich will es thun,‹ sagte die gute tochter und nahm den dienst an. sie hatte nichts anderes zu arbeiten, als das, was der heilige Sonntag ihr früher be stimmt hatte; sie rief alle vögel der welt alle morgen zusammen und ließ sie in einem großen, großen silberbecken baden. dazu nahm sie immer laues wasser und der heilige Sonntag war dessen sehr zufrieden und freute sich, weil das mädchen gut und folgsam war. bald ging der monat vorüber und die gute tochter war vom dienste frei. da nahm sie abschied vom heiligen Sonntag und der liebreiche Sonntag küßte sie innig, gab ihr einen koffer mit und sagte: ›geh liebes kind glücklich[44] mit diesem koffer zu deinem alten vater; doch öffne ihn nicht eher, als bis du in deiner heimath bist. das was du darin findest, gehört dir, denn es ist der lohn für deine treuen dienste.‹

Die gute tochter bedankte sich vielmal und ging fort. unterweges ward sie hungerig, da kam sie zu dem backofen, welchen sie früher neu hergestellt hatte, und in dem backofen sah sie viele, schöne kolatschen. da sprach der backofen zu ihr: ›liebes mädchen, nimm dir für deinen liebreichen dienst kolatschen, so viel du nur brauchst, um deinen hunger zu stillen.‹ da nahm die gute tochter die warmen kuchen heraus und ließ sich dieselben gar wohl bekommen.

Darauf ging sie weiter, aber während ihrer wanderschaft plagte sie der durst. da kam sie zum brunnen und dieser sagte: ›liebes kind, weil du mich gereinigt hast, will ich dich belohnen. dort steht ein goldener becher, schöpfe mit diesem wasser, so viel du nur willst und nimm dir dann den goldenen becher mit.‹

Das gutherzige mädchen bedankte sich, stillte seinen durst steckte den becher in die tasche und zog wieder weiter. da kam sie zum baum, den sie vor kurzer zeit von den vielen raupen gereinigt hatte; aber was für schöne früchte und blätter trug er jetzt auf seinen ästen! die früchte waren goldenen äpfeln ähnlich und die blätter schienen aus smaragd. da neigte sich der baum mit seinen ästen tief herab und sprach zum mädchen: ›iß, von meinen früchten, so viel dir gut thut, denn so lohn' ich dir deine liebe.‹

Die gute tochter aß nach herzenslust und ging dann ihrer wege wohl eine gute stunde hindurch. Da begegnete ihr die hündin, welche sie einmal vom ungeziefer rein gemacht hatte. diese trug einen großen beutel im maule, der voll dukaten war. da sprach die hündin: ›weil du mich sorgfältig geputzt hast, schenke ich dir zur belohnung diesen beutel. sei reich und glücklich.‹

Dabei gab sie dem mädchen den beutel voller dukaten und lief weg. Die gute tochter aber steckte den beutel[45] ein und wanderte weiter. als es abend wurde, kam sie nach hause, und als sie ihren alten vater bewillkommt und sich recht gefreut hatte, öffnete sie den koffer. da schimmerten helle diamanten, gold und silbersachen ihr daraus entgegen und dabei noch so viele dukaten, als sie und ihr lieber vater für das ganze leben bedurften. sie war nun reich geworden, wie wenige leute in der welt, denn sie verdiente ein besseres schicksal, weil sie gut und edelmüthig war.

Von ihrem großen reichthum vernahm die schlimme tochter, und ging auch auf die reise, denn sie dachte, sie müsse sich auch so glücklich machen. sie ging den nämlichen weg, den die gute tochter gegangen war. da begegnete ihr die schmutzige hündin und bat, sie zu reinigen. aber das böse mädchen sprach: ›meine zarten händchen will ich mit deinem kothe nicht beschmieren‹ und schlug die hündin mit einer weidenruthe.

Drauf kam sie zum baume, der war wieder unrein geworden, und bat die böse tochter, daß sie ihn von den neuen raupen reinigen sollte. aber die wollte davon nichts wissen, und antwortete ihm eben so garstig wie der hündin. so ging es auch den beiden anderen: dem brunnen und dem backofen, denn der brunnen war wieder voller kröten und eidechsen und der backofen war neuerdings in stücke zusammen gefallen. da kam sie zum heiligen Sonntag und verdingte sich bei ihm. da hatte sie auch nichts anderes zu thun, als das, was die gute tochter arbeitete, aber einmal war ihr die ganze arbeit zu viel geworden und sie gab aus lauter bosheit allen vögeln anstatt ein laues, ein sehr heißes wasser. nun flog ein sperlingpärchen zu allererst in's bad und verbrannte sich zu todt. die andern vögel sahen dies und flogen erschreckt davon. das verdroß den heiligen Sonntag, doch sagte er nichts und als der dienstmonat vorbei war, da gab er ihr auch einen koffer mit auf die reise. der heilige Sonntag sprach dabei: ›geh' mit diesem koffer nach deiner heimath; doch öffne ihn nicht eher, als bis du zu hause bei deiner mutter bist. was du darin finden wirst, gehört dir als lohn für deinen dienst.‹[46] Die böse tochter war über das geschenk noch erfreut und machte sich auf die reise. da kam sie zum backofen und weil es sie sehr hungerte, guckte sie hinein, aber sie sah nichts anderes darinnen, als einen aschenhaufen und allerlei schmutzige thiere. zudem war er halb zerfallen und hatte ein gar elendes aussehen. da sprach der backofen: ›hättest du mich schön aufgebaut, so würdest du jetzt gute kolatschen essen. geh' du böses mädel weiter.‹

Da ging die böse tochter zornig weg, und verfluchte den backofen. drauf fühlte sie auch durst und sie kam nach einer strecke wegs zum brunnen. der aber sagte: ›dir geb' ich kein wasser, weil du keinen tropfen verdienst. geh' und such dir einen andern brunnen.‹

Sie ging und kam zum baum. der baum aber hatte gar schöne goldene früchte, die tief hinunter bis an die erde hingen. da freute sich die böse tochter und lief hin, äpfel zu reißen, denn es hungerte sie sehr. aber die äste hoben, jemehr sich das mädel ausstreckte, ihre spitzen empor und sie mußte verdrüßlich ohne einen einzigen apfel wieder weiter ziehen. darauf begegnete ihr die schmutzige hündin und als sie die böse tochter erkannte, sprang sie auf dieselbe los und biß ihr die wade durch. nun fing die böse tochter zu schreien an und verwünschte die hündin in die hölle. endlich kam sie nach hause zu ihrer alten mutter; bevor sie jedoch die alte mutter begrüßt und geküßt, machte sie neugierig den koffer auf um zu sehen, was ihr der heilige Sonntag zum geschenke gab, aber als sie den deckel aufhob, da krochen und schlüpften schlangen und eidechsen hervor, so daß das ganze zimmer davon voll war. da schrieen beide, die mutter und die tochter laut auf und liefen weinend und jammernd zur thüre hinaus,

Die gute tochter betrübte sich sehr über das unglück der bösen tochter und schenkte ihr die hälfte von dem, was ihr der heilige Sonntag zum geschenke gab. aber die böse tochter war undankbar und sprach unter allen bauersleuten anstatt gutes, immer viel böses und schlechtes von der guten tochter. das aber verdroß den alten vater[47] und er zog bald mit der guten und viellieben tochter in ein fremdes dorf. dort baute er sich ein schönes haus und lebte mit seinem mädchen noch viele glückliche tage. die böse tochter aber sammt ihrer mutter hatten immer noth bis über den hals und starben endlich in großer trübsal.

Das märlein erzählt noch weiter, daß die gute tochter im neuen dorfe viel freier gewann; aber keinen wollte das gute kind zum manne nehmen, weil alle mehr auf wohlhabenheit hielten als auf ein redliches und gutes herz. da kam ein armer, armer bursche, und den heirathete das liebe mädchen, denn er war fleißig und gesittet, tugendhaft und gut wie die gute tochter selbst.

Quelle:
Staufe, L. A.: Romanische Märchen aus der Bukowina. In: Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde 1 (1853) 42-50, 469-472, Göttingen: Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, S. 42-48.
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