3. Die Tochter des Schweinehirten

[163] Ein reicher Kaufmann mit zwölf Geschäften in der Stadt hatte einen schönen und verständigen Sohn. Jetzt, da er einen Sohn hatte, kam die Zeit, daß dieser ein junger Herr wurde und ans Heiraten dachte.

An einem Tage ging dieser junge Herr spazieren bis in den Wald. Als er in den Wald trat, traf er eine Schweineherde. Die Tochter des Schweinehirten hütete die Schweine. Aber dies Mädchen war so schön, wie man noch nie gesehen, mit der Sonne auf dem Rücken, dem Mond auf der Brust und den Sternen in den Augen.

Als der Sohn des Kaufmanns dies schöne Mädchen gesehen, konnte er nicht mehr von ihr lassen. Alle Tage ging er zu ihr in den Wald. Als es Winter wurde, ging er abends in die ţigănie (Zigeunerwohnungen) zu ihr. Aber ihre Eltern wollten ihn nicht hineinlassen, weil er ein reicher Herr war und sie nur eine Zigeunerin. Aber er bat sie so viel, sie möchten ihm ihre Tochter zur Frau geben, bis sie einwilligten, er werde sie ehren wie eine Königin. Er kaufte ihr schöne kostbare Kleider, daß sie darin noch schöner aussah als ein Fräulein. Dann machten sie Hochzeit und lebten nachher viele Jahre in Friede und Gesundheit.

Die Jahre vergingen, eines nach dem andern. Da traf es sich, daß die Frau starb. Der Mann war so traurig und untröstlich, daß er nicht mehr wußte, was er machen sollte. Er ging mit schwerem Herzen hinaus aus der Stadt dem Walde zu. Nur einmal kam ein Vöglein aus dem Paradies und gab ihm ein Blatt, er solle es auf den Mund der Toten legen, so erhalte sie die Seele wieder. Er dankte und kehrte schnell nach Hause um, legte ihr das Blatt auf den Mund. Da erhob sich die Frau und war gesund und schön wie eine Blume. In Frieden aber lebten sie nicht mehr. Die[164] Leute quälten sie zu viel mit Fragen, wie es auf der andern Welt sei, bis sie es satt wurde und ihren Mann bat, sie sollten in ein anderes Land auswandern. Ihr Mann tat alles, was sie wollte, und wenn sie sagte: »So soll es sein«, so sagte er: »Gut.«

Sie packten alles zusammen und machten sich auf den Weg. Als sie schon einige Tage unterwegs waren, nahe an ihrem neuen Wohnort, fiel dem Manne ein, daß er das Blatt mit der Seele der Menschen zu Hause vergessen. Er ließ seine Frau im Wirtshause und eilte zurück um das Blatt. Als er fort war, kam ein Offizier und raubte die Frau. Gut. Ihr Mann nahm das Blatt und seine Trompete und kehrte wieder zurück. Als er zum Wirtshaus kam, fand er seine Frau nicht mehr. Die Leute sagten ihm, wer sie gestohlen. Nun wußte er nicht, was er machen sollte. Da nahm er sich die Trompete und ging blasend in die Stadt. Nur einmal kamen einige Gendarmen und fingen ihn, um ihn ins Gefängnis zu werfen, ihn auszankend: »Du siehst, wie traurig wir sind, alle Leute gehen in schwarzen Kleidern, alle Häuser sind mit schwarzen Tüchern behangen, nur du kommst lustig blasend!«

»Ich habe nichts gesehen, was für Trauer habt ihr?«

»Die Tochter des Königs ist gestorben.«

»Sagt dem König, ich brächte seiner Tochter das Leben wieder.«

Als der König von diesem Manne hörte, schickte er um ihn. Er kam, bückte sich und legte dem Mädchen das Blatt auf den Mund. Gleich erhob es sich, war gesund und froh und schön wie eine Blume. Den König freute es so sehr, daß er zu dem Fremden sagte: »Weil du mein Kind vom Tode befreit hast, gebe ich dir, was du verlangst, wenn du willst, gebe ich dir das Mädchen zur Frau.«

»Ich danke dir, Herr König, eine Frau habe ich, aber sieh, wie es mir mit meiner ergangen. Es hat sie mir ein Offizier[165] gestohlen. Wie soll ichs wohl machen, daß ich sie wieder bekomme?«

Der König lud alle Offiziere, die in der Stadt waren, zum Essen ein, und befahl, daß jeder auch seine Frau mitbringe. Sie kamen alle mit ihren Frauen zum Tische, nur der Dieb kam allein. Zu diesem ging der König und fragte ihn, wo er seine Frau gelassen? Nur einmal wurde er ganz bleich und wußte nicht, was er antworten sollte. Der König aber fragte alle, was verdiene ein Mann, der einem andern die Frau gestohlen. Alle urteilten, der müsse an den Schwanz eines Esels gebunden durch die Stadt geführt werden. Die Worte waren noch nicht ausgesprochen, so kamen die Gendarmen und brachten die gestohlene Frau ihrem Manne zurück. Den Dieb aber fingen sie, banden ihn an den Schwanz des Esels und zogen ihn durch die Stadt zum Spotte der Menschen und zu seiner Schande. Der Kaufmann aber mit seiner Frau wird auch heute noch leben, wenn sie das Blatt des Lebens nicht verloren haben.


Petru Faur, Alzen.

Quelle:
Schullerus, Pauline: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal. Bukarest: Kriterion 1977, S. 163-166.
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