86. Die tapfere Königstochter

[409] Es war einmal und einmal, und wenn es nicht gewesen, würde man es nicht erzählen, wie ein Floh würde es zerplatzen. Es war einmal ein König, der war 99 Jahre alt und hieß der rote und hatte drei Töchter, aber nicht einen Sohn, er wäre ihm so lieb gewesen. Schau, ein Mädchen ist immer nur ein Mädchen, das am Feuer sitzt mit dem Rocken und der Spindel in der Hand. Aber er konnte sich nicht helfen.

Jetzt geschah es, daß ihn der grüne König in den Krieg rief. »Nun, hätte ich einen Sohn, würde ich ihn schicken und mich ausruhen, ich bin ein zu alter Mann, wie soll ich in den Krieg ziehen? Aber was kann ich tun, ich muß.« – »Laß mich, Vater, ich ziehe Männerkleider an, setze mich aufs Pferd und reite in den Krieg«, sagte die älteste. »Meine Tochter, bleib zu Hause, du bist nicht mutig genug.« – »Wie sollt ich nicht, ich gehe.« Sie zog sich an wie ein Offizier, setzte sich aufs Pferd und ritt auf die Straße. Als sie aus dem Dorf hinaus war, begegnete ihr ein Wolf mit eisernen Zähnen, und als er das Mädchen sah, machte er mit dem Mund »ham«. Da erschrak das Mädchen sehr, kehrte um und erzählte ihrem Vater, wie es ihr ergangen, ein Wolf mit eisernen Zähnen habe sie fressen wollen.[409]

Dann kam die zweite Tochter: »Vater, laß mich, ich bin tapferer als meine Schwester.« Auch sie zog Männerkleider an, stieg aufs Pferd und ritt auf die Straße. Als sie am Ende des Dorfes anlangte, stand der Wolf mit den eisernen Zähnen, als ob er sie erwartet hätte, sperrte den Mund auf und machte »ham«, wie wenn er sie einschlucken wollte. Aber unser Mädchen erschrak, kehrte das Pferd um wie der Gedanke und kam nach Hause. »Was ist mit dir, Mädchen?« fragte der König, »dieses habe ich befürchtet, Mädchen sind Mädchen und haben nicht Kurasche wie die Knaben, ich werde mich fertigmachen und trotz meinem Alter und mit meinem Alter selbst gehen, was zum Teufel soll ich denn?«

»O nein, Väterchen«, sagte die jüngste, ein kleines, zartes Mädchen, es schien, als habe sie die Kraft nur im Auge und auf der Zunge. »Was willst du, du Aschenbrödel, du Kleine, Elende, du bist gut, in der Asche zu sitzen.« – »Tu gut, Väterchen, laß mich, gib mir nicht ein Pferd, um das dir leid tut, gib mir das alte, auf dem du geritten in deiner Jugend.« – »Nun, wenn du nicht folgen willst, gehe denn, schneller noch als deine Schwestern wirst du zurückkehren.« Aber das Mädchen ging gleich in den Pferdestall zur alten Stute, um ein wenig nach ihr zu sehen. Sie lag in einem Winkel wie weh ihrer, ohne Fressen und ungestriegelt. Als sie gehört, wie und was, lehrte sie das Mädchen, sie solle dem König seinen Sattel und seine Kleider, die er in seiner Jugend getragen, verlangen und in den Stall bringen. – Sie ging und verlangte sie, aber der König sagte: »Gehe auf den Aufboden und suche sie, es wird alles zerrissen und hin sein, seitdem sind 80 Jahre vergangen.« Das Mädchen ließ nicht nach, ging hinauf und suchte und fand lauter Flicken, es sammelte sie alle in ein Tuch und brachte sie der Stute in den Stall. Diese blies über alles, nur einmal wurde der Sattel wie neu und die Kleider noch schöner als neu. Das[410] Mädchen zog sie an, legte den Sattel aufs Pferd, stieg auf und ritt fort.

Als es ans Ende des Dorfes kam, stand der Wolf mit den eisernen Zähnen in der Nähe, wagte aber nicht, in den Weg zu treten, er zog sich in den Wald. Als die Königstochter ein Stück weiter geritten, sah sie eine Schweinsrippe, die war aus Gold und war so schön und funkelte wie die Sonne. Sie hielt die Stute mit »ho«, sie wollte die Rippe aufheben. Die Stute wollte aber nicht und sagte: »Laß die Rippe liegen, dir wird sie Feuer bringen und mir Rauch.« – »Wie soll ich diese goldene Rippe liegen lassen, sie ist zu schön.« – »Mach, was du willst, wenn du mir nicht gehorchen willst.« Sie stieg ab, hob die Rippe auf und steckte sie auf die Kappe. Dann ritt sie weiter und fand einen goldenen Zopf, sie bückte sich, um ihn aufzuheben, trotzdem die Stute wieder sagte: »Laß den Zopf in Ruh, dir wird Feuer kommen und mir Rauch.« – »Oh, ich laß ihn nicht, er ist zu schön«, und hob ihn auf und legte ihn um die Kappe. Jetzt ritt sie weiter, bis sie sich der Stadt näherte, wo der grüne König wohnte. Als sie in der Nähe war, fing die Stute an, ihr zu sagen: »Wenn du in das Haus trittst, mußt du fest auf die Füße treten, und wenn du ißt, nimm den Mund voll wie ein Jüngling und iß ohne Scham, bis du satt bist und noch ein wenig mehr, und wenn du in den Garten gehst, steck dir eine große Blume auf die Kappe, dann denkt der König nicht, du wärst nur ein Mädchen.« Gut.

Als sie in den königlichen Hof ritt, kam der König heraus und gab ihr einen guten Tag und rief sie in die Stube, setzte sie an den Tisch und ehrte sie, er dachte, es wäre der rote König. Aber das Mädchen dachte der Worte des Pferdes und nahm die Hand immer voll und steckte sie in den Mund und aß, daß man es von draußen hörte. Nach dem Essen gingen sie spazieren durch den Garten zu den Blumen, die Königstochter pflückte sich die größte, man heißt sie Sonnenblume,[411] und steckte sich sie auf die Kappe. Sie gingen weiter und trafen spielende Kinder, sie warfen ihre Kappen wie Bälle. Das Mädchen war auch jung, und wie sie sah die Kinder spielen, vergaß sie den König und warf auch ihre Kappe. Da fiel die goldene Rippe herunter. Gut. Der König sah sie gleich, nahm sie in die Hand und sagte: »Wenn du mir das Schwein, das die Rippe verloren, nicht bringst, hau ich dir den Kopf ab, daß er dir zu Füßen fällt.«

Das Mädchen erschrak und ging in den Stall zu ihrer Stute und jammerte um seinen Kopf. »Sagt' ich dir's, du solltest die Rippe in Ruhe lassen? Dir wird Feuer kommen und mir Rauch? Du wolltest nicht auf mich hören. Aber es wird ja so sein, wie Gott will. Geh und verlange ein Viertel Kohlen und einen Sack Dukaten, dann wollen wir versuchen. Die Kohlen fress' ich, damit ich stärker werde, die Dukaten sollen dein sein.« Sie wandte sich zum König zurück und verlangte ein Viertel Kohlen und einen Sack Dukaten. Der König gab ihr, was sie wünschte. Die Stute fraß die Kohlen, dann stieg das Mädchen auf und ritt schnell wie der Gedanke weit, weit bis ans Meer, wo die lange Leiter steht im Wasser. Als sie dort ankamen, sagte die Stute: »Jetzt steig ab und begib dich auf der Leiter ins Wasser, dann wirst du sieben goldene Ferkel sehen, sieh gut, welchem die Rippe fehlt und halte es fest mit einer Hand, mit der anderen halte ihm den Mund zu, damit es nicht schreit. Sollte es schreien, kommt die Sau aus der Herde und frißt dich.« Die Königstochter merkte gut auf und stieg ins Wasser, und als sie im Wasser war, sah sie gleich sieben Ferkel aus Gold und das, welches die Rippe verloren. Gleich legte sie ihm die Hand auf den Mund, nahm es in den Arm und kam aus dem Meer heraus, setzte sich aufs Pferd und brach auf den Weg auf. Als sie ein Stück geritten, nur einmal sagte das Mädchen: »Du Stute, ich nehme die Hand vom Munde des Ferkels weg, wir sind jetzt weit von der Sau,[412] sie kann uns nicht mehr erreichen.« – »Du, Mädchen, höre auf mich, wenn du mir nicht gehorchst, dann ist es nicht gut.« Sie ritt weiter, und als sie in die Nähe der Königsstadt kam, nur einmal nahm sie die Hand vom Munde des Ferkels, und wie sie die Hand von seinem Munde nahm, fing es an zu schreien und schrie, die Stute floh; die Sau kam wie der Wind und packte die Stute am Schwanz, aber zum Glück ritten sie in die Stadt, und in die Stadt kam die Sau nicht. »Siehst du, meine Tochter, weil du mir nicht gefolgt, bin ich ohne Schwanz geblieben, nur ein wenig, und die Sau hätte uns beide umgebracht.« – »Laß mich jetzt, du wirst ja auch ohne Schwanz leben.« Gut.

Die Stute ging in den Stall, aber das Mädchen mit dem goldenen Ferkel rief der König ins Zimmer, er freute sich so, daß er etwas so Schönes erhalten hatte, setzte das Mädchen an den Tisch und ehrte es mit Speisen aller Art. Als sie gegessen – das Mädchen aß viel, wie ein Mann –, gingen sie wieder in den Garten und trafen wieder Kinder, die mit ihren Kappen spielten. Sie vergaß, daß sie nicht ein Mädchen, daß sie der rote König sein sollte, und fing auch an zu spielen, und wie sie ihre Kappe warf, nur einmal fiel der goldene Zopf neben die Füße des Königs. Der König sah ihn gerade gleich, hob ihn auf, nahm ihn in die Hand, er gefiel ihm so gut, daß er sagte: »Wenn du mir nicht die junge Frau bringst, die die goldene Flechte verloren, hau ich dir den Kopf ab, daß er neben die Sohlen der Füße fällt.«

Die Königstochter kam traurig zu ihrer Stute in den Stall und erzählte, wie es ihr ergangen. »Sagte ich dir's, Tochter des Königs, dir wird Feuer kommen, mir Rauch, aber es wird so kommen, wie Gott will. Geh zum König und verlang ihm zwei Viertel Kohlen und zwei Säcke Dukaten, dann wollen wir auch dieses vollbringen.« Das Mädchen verlangte dem König, was die Stute befohlen, er gab es. Als die Stute die zwei Viertel Kohlen gefressen hatte, stieg[413] das Mädchen aufs Pferd und ritt schnell, schnell aus Siebenbürgen hinaus über die Gebirge weit, weit bis zu einigen schönen, schönen Häusern, dort wohnte das Mädchen mit dem goldenen Haar. Aber die Stute war übernatürlich und konnte zaubern, was sie wollte. So ging sie bis ins Vorhaus und verwandelte sich in ein Geschäft und die Königstochter in einen Kaufmann. Da trat die Dienstmagd heraus und verwunderte sich sehr, wie hier ein so schönes Geschäft geworden, und fürchtete sich, es sei hier nicht reine Arbeit (es gehe nicht mit rechten Dingen zu). Aber der Kaufmann rief sie heran, zeigte ihr schöne Tücher und sagte: »Nun, meine Tochter, dies Tuch, ich schenke es dir, gefällt es dir?« – »Es gefällt mir wirklich, aber du wirst mir's nicht umsonst geben?« – »O ja, ich schenke es dir.« – »Ich danke schön«, sagte die Dienstmagd, nahm das Tuch und lief damit froh ins Haus zu ihrer Herrin und erzählte ihr, was im Vorhaus geschehen sei. Das Mädchen mit dem goldenen Haar verwunderte sich und ging auch, um zu sehen wie und was. Als sie hinaus kam, sah sie gleich ein Paar Schuhe, die ihr gut gefielen, und versuchte sie, der Kaufmann brachte andere zum Probieren, sie wären schöner. Nur einmal schien es ihr, als ob das Vorhaus mit ihr sich bewege und mit dem Kaufmann, und wie sie dies spürte, fragte sie, was das sei, und als sie gefragt, sagte der Kaufmann, es sei so, da saßen sie beide auf dem Pferd und in der Nähe der Königsstadt. Gut.

Als sie zum König kamen, freute sich der sehr und sprach von der Hochzeit. »Dann werde ich dich heiraten, wenn du mir das Schwert Gottes bringst.« Der König rief den roten König, eigentlich die Königstochter, und befahl ihr, das Schwert Gottes zu bringen, wenn er es nicht bringe, haue er ihm den Kopf ab. Nun gut.

Die Königstochter ging zu Tode betrübt zur Stute und erzählte, wie es ihr gegangen. »Dies ist eine häßliche Sache«,[414] sagte die Stute, »dies ist eine Sünde, aber was soll man, wir müssen auch dies tun, nachdem es der König befohlen, aber doch, es ist eine große Sünde, und Gott wird dich verwünschen. Gott ist groß und schlägt uns nicht mit dem Stock, aber er schlägt uns. Aber es wird ja sein, wie Gott will. Geh und verlang drei Viertel Kohlen und drei Säcke voll Dukaten, dann trage ich dich in den Himmel.« Die Königstochter ging und forderte, was die Stute befohlen. Der König gab alles.

Als die Stute alle Kohlen gefressen, wurde sie groß und stark und mutig. Das Mädchen stieg auf und brach auf zum Himmel. Als es dort angelangt, lehrte es die Stute, es solle durchs Vorhaus in das Zimmer rechts gehen, dort würde es das Schwert neben der Türe angehängt finden, es brauche nicht langsam, leise und mit Sorge hineinzugehen, Gott sehe es doch. »Gott sieht alle Sünden, aber vielmals läßt er die Menschen sündigen, dann verwünscht er sie, wie es recht ist.« Das Mädchen tat, wie die Stute befohlen, und wie es ins Zimmer Gottes eingetreten, war es ihr doch unheimlich, und es ging nur leise und nahm das Schwert mit Angst, obwohl sie wußte, daß Gott alles sieht. Als sie es genommen, floh sie hinaus, stieg aufs Pferd und brach heimwärts auf.

Gott sprach zum heiligen Petrus: »Du Petrus, was sollen wir machen mit diesem Mädchen? Wir können es nicht nur so lassen, wir müssen es verfluchen, nachdem es gesündigt.« – »Unser Gott, du hast recht, was könnten wir wohl machen?« – »Weißt du was? Nachdem sie jetzt immer in Männerkleidern herumgegangen, soll sie ein Mann sein und bleiben, solange sie lebt.« – »Recht hast du, unser Gott«, antwortete der heilige Petrus. Und so war es.

Als sie in der Nähe der Königsstadt angelangt, sagte das Mädchen zur Stute: »Du Stute, mir kommt vor, Gott hat aus mir einen Mann gemacht.« – »So wird es sein«,[415] antwortete die Stute. »Gott hat dich zu einem Mann verwünscht, Gott ist groß.«

Als sie das Schwert Gottes dem König übergab, wollte er gleich Hochzeit machen, aber das Mädchen mit dem goldenen Haar sagte: »Dann will ich dich nehmen, wenn du dich in kochender Milch gebadet.« Der König befahl der Magd, sie solle Milch in den Kessel füllen und ans Feuer setzen. Als sie kochte, rief er die Königstochter oder jetzt den Jüngling, er solle zuerst in die Milch gehen, dieser bat aber, er solle zuerst seine Stute neben den Kessel bringen. Als die Stute herankam, blies sie aus der Nase kühle Luft in die Milch, daß sie nur lauwarm wurde und er gemütlich badete, als er herauskam, war er ein so schöner, weißer Jüngling wie die Milch. Nun wurde die Milch wieder siedend gemacht, der König stieg ins Bad und verbrannte, daß das Fleisch von den Knochen fiel und er tot blieb. Darauf kam das Mädchen mit den goldenen Haaren zum Königssohn und sprach: »Du sollst mein Herr sein, ich will deine Herrin sein, denn du hast mich herübergebracht, und dein will ich sein. Nur darum wollte ich, der König solle in heißer Milch baden, damit wir von ihm frei werden.« Dann hielten sie Hochzeit eine ganze Woche. Nachher gingen sie beide zu seinem Vater, dem alten roten König. Wie groß war seine Freude, als er hörte, er habe jetzt auch einen Sohn. Und ich stand auf einem Nagel und erzähle nichts mehr.


(Soll durch Glaser aus dem Alttal ins Harbachtal gekommen sein.)

Quelle:
Schullerus, Pauline: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal. Bukarest: Kriterion 1977, S. 409-416.
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