83. Die Tochter eines armen Fischers

[399] Es war einmal, und wenn es nicht gewesen, würde man es nicht erzählen, es würde sich im Nebel verloren haben. Es war einmal ein armer Mann, der lebte vom Fischfang. Er fing die Fische, seine Tochter verkaufte sie einem reichen Kaufmann in der Stadt. Dieser Kaufherr besaß zwölf Geschäfte und hatte auch einen Sohn, welcher heiraten[399] sollte. Dieser hatte dies schöne Fischermädchen einmal gesehen und war hinter ihr gegangen bis in ihre Hütte am Harbach, wo sie mit ihrem Vater wohnte. Sie war so schön, kräftig und ehrlich, aber ein armes Mädchen. Aber trotzdem gefiel sie diesem jungen Herrn sehr, und er verlangte sie zur Frau. Aber ihr Vater wollte sie ihm nicht geben, es werde die Zeit kommen, wo sie ihm nicht mehr gefalle, und er werde ihr die Straße geben, weil sie ein armes Mädchen sei. Und was würden auch die Leute sagen, sie würden ihn auslachen, er solle gehen und sich eine Frau unter seinesgleichen suchen. Der Jüngling ließ aber doch nicht von ihr und gab ihr von Zeit zu Zeit 100 Gulden, damit sie das Geld sammle, bis in der Stadt ein Haus zu verkaufen sei, dann solle sie es kaufen. Dann würden die Leute denken, sie habe auch etwas, und würden sie nicht für ein armes Mädchen halten. Bald kam die Zeit, daß der alte Fischer ein schönes Haus in der Stadt hatte und kaufte seiner Tochter schöne Kleider. Gut. Des Jünglings Vater wollte anfangs auch nicht, sein Sohn solle eine arme Fischerstochter zur Frau nehmen. Als er dann hörte, sie habe ein Haus in der Stadt, sagte er nichts mehr und machte Hochzeit und alles war gut, die beiden Jungen liebten sich und lebten wie im Paradies. Wenn der Mann um Waren fuhr, besorgte sie das Geschäft, er konnte sich auf sie verlassen. Aber die Leute sind schlimm und stören gerne ein friedliches Leben. Einmal war er mit Freunden im Wirtshaus, und es kam auch ein Fremder hin. Ein Wort gab das andere, bis der Fremde anfing: »Wie getraust du dich, deine Frau allein zu Hause zu lassen, wenn du um Waren fährst?« – »Warum soll ich sie nicht lassen, sie redet nie mit einem andern Mann.« – »Geh zum Teufel, sie wird auch nicht.« – »Komm, wir wetten, bis du nach Hause kommst, habe ich das Ringlein, welches deine Frau am Finger trägt, an meinem Finger.« – »Gut, wenn meine Frau dir das Ringlein[400] gibt, dann gebe ich dir meine zwölf Geschäfte und gehe aus der Stadt.« Am andern Tag fuhr er fort, und der Fremde kam zu seiner Frau ins Geschäft, um sich eine Zigarre zu kaufen, und fing an zu plaudern, aber die junge Frau sah ihn nicht einmal an, und als er nicht ging, bat sie ihn, jetzt fortzugehen, ihr Mann sei nicht zu Hause. Dann versuchte er noch mit schönen Worten so und so, konnte aber nichts machen, sie war eine gute Frau. Als er dies einsah, ging er zur Dienstmagd und schenkte ihr 100 Gulden, sie solle ihm dafür das Ringlein ihrer Herrin verschaffen. Nichts leichter als das, denn sie lege das Ringlein abends immer auf den Tisch. Als die junge Frau am nächsten Morgen aufstand und das Ringlein vom Tisch nehmen wollte, war es fort, als sie der Magd rief, war auch die fort.

Jetzt, der Betrüger, der ging ihrem Manne entgegen mit der ausgestreckten Hand, damit er den Ring sehe. Als der Kaufmann dies sah, erstarrte er, fragte nicht mehr wie und was, gab ihm gleich die Kaufhäuser und seine Habe, dann ging er zu seiner Frau, rief sie auf den Wagen, und sie fuhren beide in den Wald. Dort nahm er sich das Gewehr und wollte sie erschießen, das Gewehr ging aber nicht los, er versuchte zwei-, dreimal, umsonst, dann sagte er: »Jetzt gehe, du Betrügerin, du Elende, daß ich dich nicht mehr vor meinen Augen sehe.« – »Aber was ist denn mit dir, sage mir's, was hab ich dir getan, ich habe doch nichts Schlechtes vorgegeben.« – »Schweig, nicht mehr lüg mit deinem unverschämten Mund.« Mit diesen Worten kehrte er um, ging fort und wurde Soldat. Sie blieb ganz zerschlagen im Walde sitzen und wußte nicht, wie ihr geschehen. Da kam Gott zu ihr und tröstete sie und sagte, ihr Mann werde sie nach einiger Zeit mit sechs Pferden abholen. Und Gott dachte, und was er denkt, das geschieht, da stand ein schönes Haus mitten im Walde, in dem sollte sie wohnen, bis ihr Mann käme.[401]

Es verging eine Zeit, wieviel vergangen sein wird, dann kamen die Manöver, und der Kaufmann ohne Geschäfte war jetzt Soldat und auch dabei. Einmal saßen mehrere Soldaten um das Feuer und erzählten, was sie in ihrem Leben erlebt. Nur einmal fing einer lachend an zu erzählen: »Wißt ihr, wie ich zu zwölf Geschäften gekommen?« – »Wir wissen es, wenn du es uns sagst.« – »Ich kam einmal in die Stadt und begegnete einem jungen Mann, der hatte eine schöne und tugendhafte Frau. Ich wettete mit ihm, wenn ich ihr den Ring vom Finger nehmen könnte, wären alle seine Häuser mein. Am nächsten Tage ging ich, aber die junge Frau war wie eine Blume, sie sah nicht einmal auf mich und jagte mich fast hinaus. Als ich sah, daß ich mit ihr nichts anfangen konnte, wandte ich mich an ihre Dienstmagd, gab der 100 Gulden, sie stahl ihrer Herrin den Ring vom Tisch und brachte ihn mir.« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, fühlte er sich von starker Hand angefaßt. Als sie nebeneinander saßen, hatten sie sich nicht erkannt, jetzt gingen ihm die Augen auf, er nahm einen Stock und prügelte den Betrüger, daß er ihn fast totschlug, und schrie: »Du Räuber, du Räuber, komm zum Gericht.« Aber der bat zitternd um Verzeihung, er gebe ihm alles zurück.

Dann ging der Mann seine Frau suchen, er ging auf den Platz im Walde und war sehr verwundert, dort, wo er seine Frau erschießen wollte, ein schönes Haus zu finden und sie selbst drinnen, da kam sie ihm wie eine Heilige vor. Er führte sie mit sechs Pferden wieder in die Stadt.

Aber an allen heiligen Festtagen kamen sie in den Wald und beteten dort, wo das Haus gestanden, dies war aber verschwunden, schnell wie es entstanden.


Petru Faur, Alzen[402]


Quelle:
Schullerus, Pauline: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal. Bukarest: Kriterion 1977, S. 399-403.
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