98. Die Mär von einer Katze

[458] Es war einmal eine Katze, die kletterte an einer Weide hinauf und begegnete dem roten Hahn. »Wohin gehst du, du Katze?« – »Ich gehe zum weißen Brot und zum roten Branntwein, kommst du auch mit?« – »Bleib hier, du Katze, du hast keine Kreuzer, und ohne Kreuzer bekommst du kein weißes Brot und roten Branntwein.« – »Ich gehe. Wo ich mit dem Fuße schlage, bekomme ich ein und zwei Kreuzer.« Und sie ging weiter und begegnete einem zwei Wochen alten Ferkel. »Wohin gehst du, du Katze?« – »Ich gehe zum weißen Brot und zum roten Branntwein.« – »Komm, du Katze, mit mir, wir gehen zu meiner Mutter, sie gibt uns süße Milch, die ist besser, sie gibt sie uns umsonst, um das weiße Brot und den roten Branntwein mußt du Kreuzer zahlen.« – »Ich schlage nur mit dem Fuß und habe gleich drei und vier Kreuzer, oh, ich gehe.« Und sie ging, bis sie in ein Wirtshaus kam. Als sie in das Wirtshaus kam, verlangte sie um vier Kreuzer weißes Brot und um vier Kreuzer roten Branntwein. Der Wirt gab es ihr und wünschte, sie sollte ihn auch einmal grüßen (d.h. er[458] wollte mit ihr trinken). Sie sagte, »warum nicht«, der Branntwein sei ja von ihm, trank und gab dann ihm das Glas. Während er trank, sahen alle, auch die Wirtin, wie er die Farbe wechselte, Haare bekam und eine Katze wurde. Er ging mit der Katze in den Wald.

Sie gingen und gingen, bis sie an eine Hütte kamen, in die traten sie ein, und als sie eingetreten waren, da wurden beide Katzen Menschen. Der Wirt mit der Kappe, die Katze als Frau mit dem Tuch auf dem Kopf. Dann verliebten sie sich ineinander und lebten zusammen in der Hütte, bis ihn die Sehnsucht nach seinen Kindern befiel, und er sagte zur Katze: »Du, komm, laß uns noch einmal in das Wirtshaus gehen, daß ich seh', was noch meine Frau macht und die Kinder, aber von dir lass' ich nicht.« Sie getraute sich nicht zu widersprechen und ging mit, und sie gingen, bis sie dort anlangten. Die Wirtin kannte ihren Mann nicht mehr, aber die Kinder liefen immer um ihren Väter herum. Er nahm sie in die Arme und küßte sie und sagte: »Ihr Kinder, kennt ihr euren Vater noch?« Da rief der älteste seine Mutter und sagte ihr, der Vater sei gekommen. Als sie hereintrat, sah sie besser und erkannte ihn auch und küßte ihn, nur einmal wurde die Katzenfrau wieder eine Katze und floh aus Angst, sie würden sie doch umbringen, damit sie ihnen nicht im Wege stehe. Sie ging nicht mehr um weißes Brot und roten Branntwein.


(Stammt aus Mergeln) Mariuza Triff, Alzen

Quelle:
Schullerus, Pauline: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal. Bukarest: Kriterion 1977, S. 458-459.
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