Vom Zigeuner und dem Bären.

[360] Ein zigeuner, der sich auf Gottes lieber welt müssig herumtrieb, kam einmal zu einem Bojaren, und bat diesen er möchte ihn in dienst nehmen. der Bojare, der zu sehr überzeugt war von der arbeitsliebe der zigeuner, versagte es ihm. der landstreicher ließ aber von seinen bitten nicht früher ab, als bis es ihm der Bojare zugesagt. so wurde der zigeuner dem hausgesinde eingereiht, doch unter der bedingung, die erste nacht in dem hölzernen stalle in gesellschaft mit einem bären, den der Bojar hatte, zuzubringen, wofür er ihm den dienstlohn eines jahres zahlen werde. auf diese weise glaubte nämlich der herr, des lästigen patrons ledig werden zu können.

Da es noch nicht abend geworden war, ging der zigeuner in die stadt, kaufte welsche nüsse und brantwein und kam gegen abend an den bojarenhof. um die zeit des schlafengehens führte der Bojare selbst den zigeuner in den stall und schloß hinter ihm die thüre. der zigeuner trat in den einen winkel des stalles, und knackte ganz gemächlich seine nüsse. Der bär kam zum zigeuner und[360] bat ihn, daß er ihm mittheile von dem, so er esse. der zigeuner gab ihm einen nußkern, den sich der bär recht gut schmecken ließ. hierauf bat er den zigeuner, er möchte ihm eine nicht geknackte nuß geben. dieser gab ihm ein stück eisen. der bär biß hinein, daß die zähne krachten, konnte aber doch nicht zum kern kommen, den er kurz vorher so schmackhaft gefunden. er forderte daher wieder nüsse, aber ohne schale, was ihm der zigeuner nicht verwehrte. der vorrath ging aber bald zu ende, und der bär sagte: ›jetzt werde ich dich auffressen.‹ ›laß uns zuvor zusammen trinken,‹ antwortete der zigeuner, brachte seine wohlgefüllte branntweinflasche zum vorschein, trank selbst, und gab auch seinem gefährten, der einen langen, langen zug aus der flasche that. der zigeuner, der wohl wußte, daß es seine wirkung nicht verfehlen könne, fing jetzt an, auf seiner geige zu fideln. der bär sprang herum nach herzenslust, und als er das tanzen schon satt war, nahm er vom zigeuner die geige, und versuchte selbst einige striche mit dem fidelbogen. die ungeschicklichkeit aber, mit der er zu werke ging, fiel ihm selbst auf, er fragte daher den zigeuner, ob er wohl seine pratzen zum geigenspiel geschickt machen könne? ›ja‹ antwortete der zigeuner. ›siehst du den keil dort? bringe ihn her.‹ der bär that es mit freuden. nun trieben beide die balken der wand mittest des keiles auseinander, und der zigeuner hieß den bären seine tatze in die fuge hineinlegen. der bär hegte keinen verdacht und that, wie ihm gerathen wurde, der zigeuner zog aber jetzt den keil heraus, und die vorderbeine des musikfreundes befanden sich in der klemme. der bär hatte bald alle lust verloren, den fidelbogen zu führen, bat, flehte, drohte, aber es half nichts, der zigeuner war gar nicht aufgelegt, ihn von der marter zu befreien, um nach der hand sich auffressen zu lassen. ja er nahm noch seinen fechtstock und traktirte den bären mit einer portion schläge, daß ihm die sinne schwanden.

Der morgen graute schon, und bald kam der Bojar in den stall aus neugierde, was mit dem zigeuner geschehen. er staunte nicht wenig, als er ihn wohlbehalten und den[361] bären leblos fand. ›mit dem, dachte der Bojare, ist nichts zu beginnen‹; zahlte dem zigeuner die bestimmte summe gleich aus, und so erwarb sich der braune landstreicher in einer nacht eine summe, für die jeder aus dem hausgesinde des Bojaren ein ganzes jahr hindurch sich abmüden mußte.


Czarnowitz.

R.O. WALDBURG.

Quelle:
Waldburg, R. O.: Zwei Märchen aus der Bukowina. In: Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde 1 (1853) 358-362, Göttingen: Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, S. 360-362.
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