165. Wetterhexe hinter der Holzbeige.

[121] Beim Pfarrhof in Seedorf bauten sie vor etwa einem halben Jahrhundert oder etwas mehr ein Holz- und Waschhaus. Am Tage, da sie es deckten, kam nachmittags bei glanzheiterm Himmel ein altes Müetterli daher und sagte zu den Deckern, sie sollten nur ein bisschen flink machen; denn es werde bald regnen. Der Pfarrer, der auch in der Nähe stand, lachte und meinte, vom heitern Himmel werde es doch nicht regnen. Er dachte, das Müetterli möchte wohl ein Almosen, und reichte ihm einen Batzen. Aber es nahm ihn nicht an. Da händigte er das Geldstück dem Schreiner ein, und dieser bot es dem Müetterli an, das ihm sehr verdächtig schien, und aus seiner Hand nahm es ihn entgegen. Es marschierte nun die Strasse abwärts, und etwa eine Minute vom Pfarrhof entfernt, bei des Sigersten Haus, machte es sich hinter eine Holzbeige. Die Gassenbuben schauten ihm zu und sahen, dass es dort wie eine Hexe in einem Häfelein rührte. Aber keine fünf Minuten waren verflossen, so regnete es in Seedorf wie mit Zübern.


Karolina Tresch-Gisler, 80 J. alt.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 121.
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