201. Die Hexen auf der Vierschröt.

[141] a) Die Vierschröt, einen gewaltigen, fast vollkommen rechteckigen, schiefgelagerten Felsen, der den schmalen Eingang zu dem an Mythen und Legenden so reichen Riedertal bewacht, wollten einst zwei neidische Hexen aus dem Berg herausreissen und auf Bürglen herunterstürzen. Die Menschen wurden dieses Vorhabens rechtzeitig gewahr, und, während die beiden Unholden am Felsen zerrten und stiessen, fing in[141] der Loretokapelle bei Brügg das Glöcklein mit hellem Klang zu läuten an. »Gregeeri, stoss brav! ds Vreni schrytt,« rief die eine, aber es war zu spät, ihre Macht war gebrochen. »Wenn ds Sywli gysset, nitzt's nymeh z'stossä,« schnerzte noch die andere, und dann verschwanden beide. Ein schönes Stück hatten sie schon losgesprengt, man sieht das, wenn man von oben herabschaut, ganz deutlich.


Josefa Muoser.


b) Nach anderer Erzählart war es eine einzige Hexe; als das Glöcklein der Loretokapelle ertönte, gab sie ihr Vorhaben auf und sagte: »I b'bringi-si nitt virä, ds St. Peters-Sywli gysset.« – Das Glöcklein soll St. Peter heissen.

c) Auf der Vierschröt sei auch inmitten des Waldes ein kleiner »Hexenplatz«, auf dem keine Bäume und Kräuter wachsen. Auf einem Stein, der dort aus dem Erdboden herausragt, sehe man menschliche Fusspuren.

Eine schöne, weisse Frau soll einmal ein kleines, stummes Kind von Bürglen da hinauf gelockt und mehrere Tage bei sich behalten haben.


Jak. Hartmann, 80 J.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 141-142.
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