297. Venedig.

[205] Der Glaube an die Wunderstadt Venedig hat einst tief im Urnervolke gewurzelt. Vor wenigen Jahrzehnten sammelte ein etwas beschränkter Mann von Bauen, genannt der Isleter († 1913), alle möglichen Kristalle und kristallähnlichen Steine, bis er sein Zimmer fast gefüllt hatte und selber keinen Platz mehr darinnen fand. »Wen-ich diä Kristallstei z'Venedig innä hätt, wär ich rychä gnüeg,« glaubte er steif und fest und hatte auch tatsächlich die Absicht, mit ihnen nach Venedig zu reisen. Da kam einmal in seiner Abwesenheit der Waisenvogt und schüttete in einer bürokratischen Anwandlung den Nibelungenschatz in den tiefen See hinaus. Seit jener Zeit wollte der erboste Mann nicht mehr arbeiten und fiel der Armenpflege zur Last.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 205-206.
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