Geister als Lichter, Feuer.

445. Strafe für Gespötte.

[13] Mein Grossvater und ein Nachbar wollten von der Lugschwand (in Schattdorf) in das Eggeli hinunter zu einer Nusstitscheten. Dort angekommen, schauten sie zuerst durch's Fenster in die Stube hinein. Es waren aber keine Leute da und Nüsse zum »Titschä« auch keine zu sehen. Deshalb beschlossen sie, in des Ölers hinunter zu gehen, um bei den dortigen Maitlenen einen lustigen Abend zu haben. In der Langgasse sahen sie ein Licht, das ihnen entgegenkam. Sie stellten sich zu beiden Seiten der schmalen Gasse auf, die zu den Acherlenen hinunterführt, um den vermeintlichen Besitzer der Laterne zu beobachten. Das Licht kam, aber es war niemand, der es trug; es schwebte in der Luft einher. Der eine langte darnach, und jetzt fiel es zu Boden und erlosch. In des Ölers, wo man kaiserte, waren die zwei Burschen ganz tüss, d.h. niedergeschlagen, und erzählten endlich, von allen Seiten aufgefordert, ihr Erlebnis. Aber sie wurden nur ausgelacht, und zwei Burschen ab den Schattdorferbergen spotteten über das Licht. Grad diese zwei begleiteten meinen Grossvater auf dem Heimwege bis zum Teiftal hinauf; dort stiegen sie links hinan, gegen Haldi, während unser Grossvater rechts gegen die Lugschwand abschwenkte; am Trennungspunkte steht die Muttergottestanne. Die Burschen, die gegen Haldi hinanstiegen, wurden bald von einem gottsjämmerlichen, grausigen Geschrei verfolgt, das ihnen wie aus allernächster Nähe in die Ohren gellte. Der Bursche, der im Wychli daheim war, schlug die Haus- und Stubentüre mit den Pechschuhen ein und legte sich in der Eile, von Furcht und Angst getrieben, mit samt dieser groben, schmutzigen Fussbekleidung zu seinem Bruder ins Bett; auch sein Gespane schlug daheim, im Hirzenboden, die Türe ein, so pressierte er. Noch eine gute Weile klang ihnen das Geschrei in den Ohren, und am folgenden Morgen hatten sie geschwollene Köpfe, so gross wie Bienenkörbe, und waren so elend, dass sie mussten verwahrt werden. Das war, weil sie gespottet hatten. Meinem Grossvater aber und seinem Kameraden war nichts begegnet, nur etwas geschwollene Köpfe hatten auch sie.


Anna Scheiber, 28 J. alt.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 13-14.
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