463. Die feurige Kugel im Engen Gässli.

[21] Auch im Engen Gässli in Altdorf war es ehemals gar nicht geheuer.

Da kam einmal ein älterer Seedorfer mit seiner Tochter vom Markte her durch das Gässli herunter. Mitten im Hohlweg rollt ihnen etwas entgegen (»isch z'trolädä chu«), das aussieht wie eine grosse feurige Kugel und die ganze Breite der eingemauerten Gasse einnimmt. Die Tochter stösst in ihrem Schrecken einen lauten Schrei aus und will zurücklaufen. Der Vater aber, unerschrocken, schreitet vorwärts dem Ungetüm entgegen, und das Mädchen klammert sich furchtsam an des schützenden Begleiters kräftige Schultern. Vereint dringen sie durch die Feuerkugel hindurch, ohne Schaden zu nehmen. Aber daheim mussten doch beide mehr als eine Woche krank im Bett liegen.


David Imhof, Seedorf.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 21.
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