499. Der weissgefleckte Hund.

[39] Wir gwundrige Gofen von Wattingen haben einmal so einen alten Hilpi gefragt, warum er hinke. »Das will ich euch schon sagen,« meinte er; »in meinen jungen Jahren habe ich den Fourgon über den St. Gotthard geführt. Eines Abends nun begegnete mir auf der Wattingerbrugg ein weisstschäggeter Hund, von dem schon viel gesprochen worden, und von dem es hiess, er gehe immer auf der rechten Seite der ihm begegnenden Menschen vorüber. Ich dachte bei mir: Da wit etz doch lüegä-n- und probiërä, ob das wahr syg, und[39] leitete die Rosse gegen die Mauer und ging selber auch dicht an ihr her. Aber da, ich kann nicht sagen, wie es gekommen, schlüpfte er auch schon zwischen der Mauer und meinem rechten Bein hindurch, das er dabei streifte. Davon bin ich lahm geworden.«

»Ja, das war doch sicher der Glasscheibenhund,« bemerke ich meiner Erzählerin. »Nein,« erklärt sie, »der war es nicht. Aber in einer Alp oben hat er gehaust und ist jeden Abend in die Hütte gekommen, hat sich vor dem Gliger der Alpler niedergekauert und ihnen mit seinen zwei feurigen Augen unverwandt gezündet bis zum Morgenbetenläuten.«


Katharina Gamma, 50 J. alt, Wassen.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 39-40.
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