523. Katze und Hund.

[53] Rothhüsers einer zu Intschi macht sich bei Einbruch der Nacht auf den Weg nach Attinghausen. Alle warnten ihn vor der gespensterhaften Katze, die sich von Zeit zu Zeit am Spitzacher-Egg oder, wie andere sagen, am Lychkirmi-Egg blicken liess und die Leute mit Furcht und Schrecken erfüllte. »Dië soll nur chu,« prahlte er, »derä wil-i scho reikä, si gaht nu gärä-n-äwägg!« Wie er die berüchtigte Stelle erreicht, da kommt sie richtig, geht ihm voraus und ist ihm beständig in den Füssen. Das macht ihn denn doch wild, und er zündet ihr eins mit dem Stock. Sie verschwindet. Aber nach einigen Schritten kommt dem Wanderer ein schwarzes Hündchen entgegen; das wächst vor seinen Augen in wenigen Sekunden zu einem mächtigen Hunde an von der Grösse eines monatalten Kalbes, geht an Rothüsers linker Hand vorbei und folgt ihm dann auf dem Fusse nach über Amsteg, Silenen, Erstfeld, Schattdorf bis auf die gedeckte Reussbrücke bei Attinghausen, also volle drei Stunden weit. Grad so gleichgültig ist's dem Manne dabei nicht zumute. Auf der Brücke macht das Tier halt und bleibt zurück. Rothüser wendet sich am Ende der Brücke um, denn es nimmt ihn doch wunder, was sein Reisebegleiter beginnen will, erhält aber von diesem einen so starken Strahl Wasser ins Gesicht und mit solcher Kraft, dass es ihn zu Boden wirft. Nach dieser Krafttat jedoch verschwindet das Gespenst.[53]

Andere wollen am Spitzacher-Egg oder am Lychkirmi-Egg ein Weibsbild, die Pfaffenkellerin, gesehen haben. Auch der Zug der Intschihexe fuhr da vorbei.

Auch dem alten Franz Indergand von Amsteg begegnete eines Abends das Kätzchen am Spitzacher-Egg, und er schlug ahnunglos mit dem Stocke nach ihm. Da lag es, wie er meinte, tot am Boden. Er packte es und wollte es ins Tobel hinunterwerfen. Aber dassälb Chätzi! das häig scho äs Gschrei v'r-fiëhrt und häig gneischtet und gfyret, jä doch eppis ibernatyrlis. Wie es durch die Lüfte flog, verschwand es wie in einem Flammenmeer.


Tobias Lussmann, 25 J. alt, Silenen; Jos. Zgraggen, Rütlipächter.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 53-54.
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