588. Der Alpschimmel in Gornern.

[83] Vor Zeiten hatten auch die Pferde das Recht in Gornern. Aber die »Chiëhpürä« sahen sie nicht gern und fingen einen Rechtshandel an mit den Besitzern derselben und erreichten damit wenigstens soviel, dass künftig auch die Pferde mit den Kühen »z'Plangg«, das heisst in die steilen Halden hätten fahren sollen. Aber solches konnten die Rosse nicht leisten, und sie blieben nach und nach der Alp ferne, und zuletzt war nur noch ein einziges erschienen, »ä wyssä Schimel«, aber auch das war den Älplern nicht lieb. Eines Abends änderte der Senn seinen gewohnten Betruf und rief:

»B'hiët uns Gottes alles vor allem Beesä, was hië ummä-n- und anä-n-ist, ohne der weisse Schimmel nicht!«

Und wirklich! am nächsten Morgen fand man das arme Tier tot vor dem Alptürli zwischen zwei Steinen wunderbar eingeklemmt. (Oder: an den Ästen einer hohen Tanne aufgehängt.)

Aber seit jenem Abend hatte man in der Alphütte keine rechte Ruhe mehr. Von Zeit zu Zeit hörte man nachts wie mit beschlagenen Rossen vorbeireiten, besonders wenn schlechtes Wetter im Anzug war. Der Haltä-Jochäli von Gurtnellen hat's noch gehört, aber mein Haupterzähler, ein 80-jähriger Greis, der ihm 50 Jahre hindurch im Sennenamt nachfolgte, hat's nicht mehr selber erfahren.


Jos. Baumann, 80 J. alt, im Miseli, Gurtnellen, u.a.


a) Bis Alinea: »Aber seit« ähnlich in der Alp Heitmenegg, Schächental.

b) Auch in des Isenmanns Alp in Ursern. Sie brauchten den Schimmel zum Abtransport der Käse.


Vinzenz Simmen.


c) Ebenso in Urwängi ob Bauen. Auch diesen brauchten sie, die Käse gegen Engelberg zu säumen. »B'hüet Gott, der St. Antoni, der St. Wändel alles uff der Alp, ohni der weisse Schimmel nicht.« Am folgenden Morgen fand man ihn tot, den Kopf unten, vor der Hüttentüre hangend.


Ant. Wirsch, Sisikon.


d) Zu Seenalp, Gemeinde Bürglen, hörten sie allemal, bevor schlechtes Wetter einfiel, ein Ross an der Alphütte vorbeitraben.


Johann Gisler, 65 J. alt.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 83-84.
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