719. Das vermeintliche und das wirkliche Gespenst.

[156] Ein Bristner ging oft nach Frentschenberg hinüber z'Stubeten. Das wusste ein Frentschenberger und legte sich eines Nachts, als jener von seiner Stubeten heimkehrte, quer über den schmalen Weg. Das war nahe bei der Wehristutzbrücke.[156] Der Kiltgänger fühlte etwas im Wege liegen, bekam Angst, kehrte um und ging über Frentschenberg nach Amsteg hinunter und durch den »neuen Weg« nach Bristen, also auf mehr als stündigem Umweg nach Hause. Aber den Frentschenberger erreichte die Strafe. In einer dunkeln Nacht wollte er von Bristen heimkehren. An jener Stelle stiess er mit seinem Stocke an etwas weiches, lebendes, an eine unförmliche Masse. Zuerst tastete er daran herum, dann aber erfasste ihn der Schrecken; er lief zurück und kehrte über Bristen und Amsteg nach Frentschenberg zurück. Lange hatte er den Kopf geschwollen und mit Ausschlägen bedeckt. Der war mit einem wirklichen Gespenst zusammengetroffen.


Friedrich Epp, Portier im Maderanertal.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 156-157.
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