654. Die Kunde von der Ewigkeit wird nicht verraten.

[118] Im Gut Leggistein bei dem Dorf Wassen lebten einst zwei fromme Geschwister beisammen, ein Bruder und eine Schwester. In ihren alten Tagen verabredeten sie sich und versprachen sich gegenseitig, dass jenes, welches zuerst vom Tode abgeholt werde, dem andern erscheinen und ihm berichten solle, wie es in der Ewigkeit aussieht. Zuerst musste die Schwester dem unerbittlichen Sensenmann folgen. Bald nachher erschien sie dem Bruder, und eine volle, glockenganze Stunde redete sie mit ihm von der unergründlichen Ewigkeit. Der Bruder sass dabei am einen, die Schwester am andern Tischeck. Zuletzt fügte sie ihren Worten noch hinzu: »Was miër da g'red't hennt, müess wider under d'Ärdä.« Seitdem mochte sich der Bruder nie mehr erlachen. Wohl erzählte er, dass ihm seine Schwester selig erschienen sei, aber nie wollte er den Inhalt ihrer Rede mitteilen. »Das trägä-n-ich under d'Ärdä, was sy miër da g'offäbaret het.«


Franziska Kruog, 70 J. alt.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 118.
Lizenz:
Kategorien: