971. Der Spuk im Herrenzwy.

[325] Herrenzwy (Heeräzwy), in alten Urkunden »Heroltzwisen«, »Höretzwyß«, »Heriswis« und »Herrizberg« genannt, eine ungemein lieblich gelegene, ganz von Wald umsäumte Bergwiese in der Gemeinde Attinghausen, diente in frühern Zeiten wie das Eggäbergli ob Bürglen als Wacht- und Signalposten zu Kriegszeiten, nach der Erinnerung des 82jährigen Pächters, Karl Zgraggen, zum letzten Mal noch im Sonderbundskrieg. Genau bezeichnet war es das Hausgaden-Egg. Seit mehr als 100 Jahren ist es Eigentum des Frauenklosters in Seedorf und wird von diesem in Pacht gegeben. Ob es ganz zufällig ist, dass es droben jeweilen, wenn die Pachtzeit ihrem Ende entgegenging, ganz besonders unghyrig wurde?

Also im Herrenzwy, da spukte es ganz bedenklich. Im Stalle fand man häufig zwei Kühe in eine und dieselbe Kette zusammengebunden und nur durch Zaubersprüche, gesegnete Haselzwicke oder mit dem »Kreuzstreich« konnte der Bann gelöst werden.[325]

Eines Morgens wollte der alte Pächter das Vieh loslassen, um es zur Tränke zu führen. Kaum hatte er die erste Kuh, den Fleck, abgebunden, so schlüpften auf einmal alle übrigen miteinander zugleich aus der Kette und stürzten brüllend dem Ausgange zu. Auch fand man beinahe immer, wenn man in den Gaden ging, dass irgend eine der Kühe nicht angebunden war. »Iberhäupt a dä Chettänä het's immer eppis z'schaffä g'ha.«

Leute, die im Hause schliefen, sahen um Mitternacht eine merkwürdig gekleidete, verschleierte Gestalt herbeikommen, die sich, ihr Haupt auf den Bettrand stützend, neben dem Bett oder zu Füssen desselben niederkniete.

Einmal betrat eine unsichtbare Person nachts das Berghaus, kam an die Stüblitüre, klopfte an, trat ein, schlüpfte unter das Bett und hob dasselbe mitsamt dem darin schlafenden Pächter in die Höhe bis dicht unter die Oberdiele. Ein anderes Mal wurde derselbe Pächter, als er im Obergaden beschäftigt war, von einem Geiste dreimal mit seinem Namen »Kari« angerufen.

Warum es da so furchtbar geisterte? Jedenfalls haben vor Zeiten ungetreue Knechte arg gehaust und ihren Dienstherrn, das arme Klösterlein, geschädigt. Man will z.B. wissen, dass sie einst beim Ausmännen von Dünger einen schönen Stier entrinnen und in sträflicher Nachlässigkeit haben zugrunde gehen lassen.

Seit vielleicht einem Jahrzehnt oder mehr hat es aber gebessert.


Frz. und K. Zgraggen; David Imhof; Joder Bissig.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 325-326.
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