1522. Die Spinnerin am Rynächt.

[296] »Unsere Grossmutter, eine Erstfelderin«, so erzählt mir ein altes Meitli von Wassen, »marschierte eines Tages mit zwei Töchtern, von denen die ältere meine Mutter wurde, der Rynächtfluh entlang gegen Altdorf. (Die alte Strasse lief näher der Fluh als die heutige.) Ganz plötzlich sah die Grossmutter wie durch einen kurzen Gang in ein Gewölbe im Felsen hinein, und drinnen sass ein Weibervolk, in eine Kapuzinerkutte gekleidet, und spann mit allem Eifer. Mit dem Kopf, auf dem es nach alter Mode »Hauben und Käppli« trug, nickte es beständig. Die Mutter machte die Töchter aufmerksam, und diese sahen nunmehr die wunderliche Spinnerin auch und lachten überlaut. Aber jetzt kam sie! Alle drei rissen aus und sprangen, soviel sie nur mochten.«


Franziska Kruog.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 296.
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