1584. Die Frau im rauschenden Kleide.

[326] a) In den engen Gässchen im Vogelgsang in Altdorf wandelte öfters eine Frau in seidenem Gewande, die, mit dem Kleide rauschend, späte Wanderer eine Strecke weit begleitete.


(Aus Gisler S. 82, No. 3.)


b) Ein älterer Mann erzählt: »Den Stelzenmann habe ich nie gesehen und nie gefürchtet. Aber eines Abends ging ich an Dr. Jauchen Haus im Vogelgsang vorbei. Beim Tore zu meiner Rechten stand eine grosse, schwarze Frau. Kopf habe ich keinen an ihr gesehen. Sie huschte hinter meinem Rücken durch, gesellte sich zu mir, ging an meiner linken Seite dicht hinter mir einher und begleitete mich bis auf das Schybäplätzli, wo ich damals zu Hause war. Ihr seidenes Kleid rauschte am Boden wie ein Sack voll dürres Laub, den man auf dem Boden einherschleppt. Meine Kopfhaare bewegte es nach hinten, wie wenn ein Wind ginge.« Ein anderer sagt,[326] es sei eine weissliche Dame gewesen mit einem langen, bis auf den Boden wallenden Schleier. Es rauschte und knisterte wie Seide. Einer, der sich spottend über sie äusserte und mit seiner Furchtlosigkeit prahlte, musste es erfahren; mit einem Kopf, der angeschwollen war wie ein Bienenkorb, kam er eines Abends heim und musste mehrere Tage das Bett hüten.


Joh. Aschwanden.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 326-327.
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