1586. Das tanzende Weibervolk.

[327] Ein etwa 50jähriger Mann (1914 †) erzählt: In der Nähe von Meitschligen, wo ich als Schulknabe bei meinen Verwandten verkostgeltet war, sprang ein »verstörtes Meitli« in die Reuss. Ich war damals etwa zwölfjährig. Einige Tage nachher ging ich zum Brunnen, um Wasser zu holen, und da erblickte ich auf einem kleinen Bödemli an der Reuss in der Nähe der Brücke eine grosse Anzahl Männer, die in einem doppelten Kreis (d.h. in zwei konzentrische Kreise geordnet) dasassen. Innerhalb des Kreises auf jeder Seite gegen den Rand (d.h. also an beiden Enden des Durchmessers des innern Kreises) brannte je ein Feuer und zwischen denselben tanzte, grau gekleidet, das verunglückte Mädchen. Ich sagte es den Meisterleuten, aber die wollten nichts davon hören.

Ich bin ein Fronfastenkind und sehe deshalb mehr als andere Leute.


Nikolaus Exer, von Seedorf.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 327.
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