1174. Das Fräulein mit dem Schlüsselbund.

[90] Wenn allemal in Landammann V. Müllers Haus zu Altdorf die Mägde abends ihre Schlafkammer aufsuchten, ging jeweilen, und zwar immer eine Stiege höher als sie, ein Fräulein in einem geblümten, langen Kleide vor ihnen her. Es trug keine Kopfbedeckung und war um die Mitte furchtbar dünn, man hätte es da mit beiden Händen leicht umspannen können.[90] An seiner rechten Seite an einem Gürtel hing ein mächtiger Bund Schlüssel. Waren die Mägde oben angekommen, dann verschwand auch das Fräulein. Sein Gesicht haben sie nie gesehen. Das haben die Mägde oft erzählt. – Jäh, das syg halt vor Zyttä-n-äs gräflichs Hüs gsy.


Frau Gisler-Huber, 72 Jahre alt, Wäscherin und Leichenbekleiderin.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 90-91.
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