53. Der Fuchs und die Schnecke.

[112] Meister Fuchs hatte einmal an einem warmen Sommertag in der Schwägalp gelagert; da erblickte er neben sich eine Schnecke. Der trug er flugs eine Wette an: wer von ihnen beiden schneller nach St. Gallen laufen könne. Topp, sagte die Schnecke und machte sich ohne Verzug auf den Weg – zwar ein wenig langsam, denn das Haus auf dem Rücken nahm sie gewohnheitshalber auch mit. Der Fuchs hingegen lagerte sich allfort gemächlich, um erst am kühlen Abend abzuziehn, und so schlummerte er ein. Diesen Anlaß benützte die Schnecke und verkroch sich heimlich in seinen dicken Zottelschwanz. Gegen Abend begab sich nun der Fuchs auf den Weg und war verwundert, daß er der Schnecke nirgends begegnete. Er vermutete, sie werde einen kürzern Weg eingeschlagen haben. Als er aber vor dem Tore von St. Gallen noch immer nichts von ihr sah, da wandte er sich stolz um und rief höhnisch: »Schneck, kommst bald?«

»Ich bin schon da!« antwortete[113] die Schnecke; denn sie hatte sich unvermerkt aus seinem Schwanz losgemacht und schlich gerade unterm Tor durch. Da mußte der hochmütige Fuchs die Wette verloren geben.[114]

Quelle:
Sutermeister, Otto: Kinder- und Hausmärchen aus der Schweiz, Aarau: H.R. Sauerländer, 1869, S. 112-115.
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