1.

[191] In Bēchar war ein Bauer. Als er einst in die nahe Stadt zu Markte ging, sah er auf dem Felde unter einem wilden Birnbaum ein Huhn; es war schwarz und ganz durchnäßt, zitterte vor Kälte und schrie, als ob es den Pips hätte. Der Bauer nahm's unter den Mantel, trug's nach Hause und setzte es hinter den Ofen, damit es trocken würde; dann ließ er es auf den Hof unter die übrigen Hühner.

Des Nachts als schon Alles schlief, hörte der Bauer in der Kammer ein Gepolter und gleich darauf eine durchdringende Stimme, halb wie eines Menschen, halb wie eines Huhnes Stimme: »Gevatter, ich hab' Euch Kartoffeln gebracht!« Der Bauer sprang aus dem Bette und lief ganz verwundert in die Kammer, um zu sehen, was das sei. Er öffnet die Thür und sieht ein feuriges Huhn, das auf einigen Kartoffelhaufen umherfliegt, von einem auf den andern. Ehe er jedoch von seinem Schrecken zu sich kam, war es verschwunden.

In der folgenden Nacht hörte er wieder ein Gepolter und den Ruf: »Gevatter, ich hab' Euch Weizen gebracht, Korn und Gerste!« Der Bauer stand nicht mehr auf, er fürchtete sich; aber bei Tage fand er wirklich in der Kammer drei Getreidehaufen, einen Haufen Weizen, einen Haufen Korn und einen Haufen Gerste. »Das könnt' ich brauchen – den Teufel im Haus! O daß ich die Bestie nicht dort gelassen!« sprach der Bauer bei sich. Er nahm Schaufel und Besen, und warf und kehrte all' das Getreide auf den Mist sammt den Kartoffeln. Er war ein ehrlicher Mann und achtete auf einen guten Leumund, und darum hatte er Angst, die Nachbarn könnten Etwas davon erfahren; doch wußte er sich keinen Rath.

[191] Allein die Nachbarn erfuhren es dennoch; sie bemerkten, wie des Nachts ein Feuerbüschel in des Bauers Haus flog, ohne es anzuzünden, und bei Tage sahen sie das schwarze Huhn unter den übrigen Hühnern auf dem Hofe umher laufen. Da ging gleich im ganzen Dorfe das Gerede, der Bauer halte es mit dem Teufel. Einigen schien das sonderbar, weil sie ihn von jeher als einen ehrlichen Mann kannten; sie beschlossen daher, ihn vor solchem Unglück zu warnen. Sie gingen zu ihm, und er entdeckte ihnen aufrichtig Alles, was und wie es geschehen war, und bat, sie möchten ihm rathen, auf welche Art er des Uebels los werden könnte. »Wie, rathen? Schlagt die Bestie todt!« sagte ein junger Bauer, und ergriff selbst ein Scheit Holz und schleuderte es nach dem Huhne. Aber in demselben Augenblicke sprang ihm das Huhn auf den Rücken, und puffte auf ihn los, wie mit einem Scheit Holz, daß ihm grün und gelb vor den Augen wurde, und bei jedem Schlage rief es: »Ich bin Rarasch – Rarasch – Rarasch!«

Hierauf riethen einige dem Bauer, er möchte sein Haus verkaufen und fortziehen, Rarasch werde dann zurückbleiben. Der Bauer griff das sogleich auf und suchte einen Käufer; allein Niemand wollte das Haus mit dem Rarasch kaufen. Der Bauer nahm sich vor, sich um jeden Preis von Rarasch zu befreien. Er verkaufte sein Getreide, sein Vieh und Alles, was er entbehren konnte, kaufte sich ein anderes Haus in einem anderen Dorfe und zog fort. Und als er schon zum letzten Mal mit seinem Wagen gekommen, um Bottiche, Mulden, Eggen und anderes derartiges Geräthe aufzuladen, ging er, und zündete selbst sein strohgedecktes Haus an zwei Enden an. Es stand für sich, und Niemand konnte Schaden leiden. »Verbrenn' dort, Teufel!« sprach der Bauer bei sich, und schnalzte mit der Peitsche; »für den Platz werd' ich wohl noch etwas erhalten.«

»He, he, he!« meldete sich was hinten im Wagen. Der Bauer schaut hin – auf der Sensenstange saß das schwarze Huhn, schlug mit Flügeln, und begann zu singen:


»Wir wandern fort, wir ziehen aus,

Wir ziehen in ein and'res Haus,

Wir ziehen aus, wir wandern fort,

Und stehlen an einem andern Ort.«


[192] Dem Bauer war, als ob ihn der Schlag getroffen; er wußte nicht, was anzufangen. Da fiel ihm bei, ob sich Rarasch nicht bewegen ließe, selbst fortzugehen, wenn er ihn füttern würde. Sogleich befahl er seinem Weibe, ihm täglich einen Teller guter Milch zu geben und drei Stück Kuchen dazu. Rarasch befand sich wohl; doch schien es nicht daß er Lust fühle, sich fortzupacken. Eines Abends kommt der Knecht vom Felde nach Hause, und sieht auf der Stiege die drei Stück Kuchen, welche die Bäuerin für Rarasch hingelegt. Er schleicht hinzu, nimmt eins nach dem andern und ißt sie auf. »Besser, ich esse sie, als die Bestie,« denkt er bei sich; »wer wird auch etwas davon erfahren!« Aber in dem Augenblicke saß ihm Rarasch schon auf dem Rücken und schrie: »Ein Stück, zwei Stück, drei Stück Kuchen hat der Knecht gegessen!« Und dabei versetzte er ihm jedesmal einen Puff, daß der Knecht später noch lange daran dachte.

Des nächsten Morgens, als der Bauer aufstand und den Knecht zur Arbeit wecken ging, fand er ihn ganz zerschlagen, daß er sich kaum rühren konnte. Und als er von ihm gehört, was geschehen, ging er zu Rarasch, und bat ihn, er möchte ihn verlassen, sonst würde kein Knecht bei ihm dienen wollen.

»He, he, he!« kicherte Rarasch und sprach: »Bringst Du mich wieder dorthin, wo Du mich genommen, komm' ich nicht mehr zu Dir.« Der Bauer nahm auf der Stelle seinen Mantel, und trug das Huhn wieder unter den Birnbaum, wo er's gefunden, und nachher hatte er vor Rarasch Ruhe bis an sein Ende.

Quelle:
Wenzig, Joseph: Westslawischer Märchenschatz. Leipzig: Lorck 1857, S. 191-193.
Lizenz:
Kategorien: