1. Pferd und Esel.

[31] Aus Belgien.


Als Maria und Josef sich entschlossen hatten, mit dem Jesuskind nach Ägypten zu fliehen, baten sie das Pferd, ihnen als Reittier zu dienen. Mit seiner Hilfe würden sie gar schnell dem Bereiche der schrecklichen Mörder entfliehen können, die ausgesandt waren, das Gotteskind zu töten.

Das Pferd, das gerade ruhig an einer Metze Hafer fraß, begnügte sich damit, kauend den Kopf umzuwenden, und dann fraß es gleich weiter, um nur ja keine Zeit zu verlieren.

Da ließ das Kind eine leise Klage ertönen, und alsbald wurde das Pferd von einem solchen Heißhunger erfaßt, daß es seitdem nicht mehr satt wird. Mit Heu und Hafer vollgestopft, sieht man es sich doch gierig auf Baumblätter stürzen und auf verkümmerte Gräser, die zwischen den Pflastersteinen wachsen.

Maria und Josef gingen darauf zum Esel, der sofort mit Freuden ihre Bitte erfüllte. Er ließ gleich seine schmale Kost im Stich, deren er doch sehr bedurfte.

Und der Esel ist fortan mäßig geblieben, eine Distel behagt ihm ebensosehr wie reiner Hafer, die verachteten Gräser haben großen Wohlgeschmack für ihn.

Weil aber dies bescheidene Tier das Christuskind getragen hat, trägt es allen sichtbar zur Erinnerung das Kreuzeszeichen auf dem Rücken.[31]

Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Naturgeschichtliche Märchen. 7. Aufl. Leipzig/Berlin: 1925, S. 31-32.
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