Tiergeographie

Erläuterungen zur Karte ›Tiergeographische Regionen‹.

Die geographische Verbreitung der Tiere auf der Erde ist das Ergebnis einer Reihe verschiedenartiger Faktoren, die in der Vorzeit tätig waren und bis heute fortwirken; sie verursachen eine noch unter unsern Augen sich vollziehende, langsame, aber stetige Änderung der Zusammensetzung der Tierwelt eines bestimmten Landes. Die Wissenschaft von der Verbreitung der Tierwelt, die Zoogeographie, darf sich daher nicht darauf beschränken, einfach die Zusammensetzung der Tierwelt in den einzelnen Teilen der Erde zu konstatieren, sondern sie muß die Gründe für die heutige Verbreitung der Tiere zu finden suchen. Wesentlich verschieden sind die Faktoren, welche die Verbreitung der Land- und Süßwasserbewohner einerseits und der Meeresbewohner anderseits bedingen.

Wir besprechen zuerst die Verbreitung der Landtiere. Wichtige Aufschlüsse geben hier der Zoogeographie die Paläontologie und die Geologie, und für letztere läßt umgekehrt die Zoogeographie bedeutungsvolle Rückschlüsse zu. Erstere lehrt, in welcher Reihenfolge die großen Gruppen des Tierreichs auf der Erde auftraten, und welche Verbreitung denselben in frühern Perioden der Erde zukam. So wissen wir z.B., daß die ältesten fossilen Säugetiere Beuteltiere, ja wir dürfen es sogar für wahrscheinlich halten, daß deren Vorfahren Kloakentiere waren und daß sie also den niedrigsten Ordnungen der Säugetiere angehörten; man kennt fossile Formen von ihnen aus allen Erdteilen; sie waren im mesozoischen Zeitalter kosmopolitisch verbreitet, lebten in Europa bis in den Anfang der Tertiärzeit und sind heute mit Ausnahme einer in Amerika heimischen Familie völlig auf das australische Gebiet beschränkt. Der Beginn der Tertiärzeit ist in der Alten und Neuen Welt gekennzeichnet durch eine sehr gesteigerte Entwickelung der Säugetiere; die Beuteltiere wurden im Kampf ums Dasein zurückgedrängt und verschwanden allmählich. Daß sie nur in Australien sich zu halten vermochten und hier die höhern Ordnungen der Säugetiere fehlen (mit Ausnahme der leicht verschleppbaren Mäuse und Fledermäuse), findet seine Erklärung darin, daß Australien vor Beginn der Tertiärzeit sich von den übrigen Ländermassen der Erde trennte und seitdem isoliert blieb, dadurch also den später entstandenen Säugetieren der Weg nach Australien abgeschnitten war. Dies Beispiel zeigt, wie die Geologie für die Beurteilung der Tierverbreitung von Wichtigkeit ist. Sie erklärt die Ähnlichkeit der Fauna in Ländern, die heute durch Meeresarme getrennt sind, indem sie nachweist, daß in frühern Perioden eine Verbindung der heute getrennten Ländermassen bestand, wie es z.B. für die das Mittelmeer an der Nord- und Südküste begrenzenden Länder, bezw. die drei südeuropäischen Halbinseln gilt. So würde auch eine geringe Hebung des Meeresbodens genügen, um Großbritannien wieder mit dem Festland zu vereinigen, wie dies früher der Fall war. Besonders für das Studium der Inselfauna erweist sich die geologische Geschichte des Landes von besonderer Wichtigkeit; die Einwanderung der Fauna ist zumeist erfolgt, solange die Insel noch nicht vom Festlande getrennt war, und zwar gilt dies besonders für die den Grundstock der Fauna bildenden Tiere, denen es wie Säugern, Reptilien u.a. später nicht mehr möglich war, die Insel zu erreichen (s. Inselfauna). Je später die Trennung zweier Länder voneinander erfolgt ist, um so mehr gemeinsame Züge weist deren Fauna auf; nach der Trennung entwickelt sich jede Fauna je nach den vorhandenen Existenzbedingungen in verschiedener Art weiter, so daß bei aller Gleichheit in den Grundzügen infolge der geologischen Veränderungen im Laufe der Zeit verschiedenartige Faunen entstehen.

Ist die Verteilung von Land und Meer in der Vor- und Jetztzeit von wesentlichem Einfluß auf die Verbreitung der Land- und Süßwassertiere, so nicht minder die Bodengestaltung des Landes. Breite Flüsse bilden für viele Tiere eine Barriere in ihrer Verbreitung, ebenso hohe Gebirgszüge; umgekehrt können große Ebenen für Bewohner der Gebirge und des Hügellandes ein Verbreitungshindernis werden, wie dies z.B. das flache Tal des Ganges für die Bewohner des Himalaja und seiner Vorberge ist. Flußtäler bilden häufig auch die Wanderstraßen, längs denen die Tiere sich verbreiten. Im westlichen Europa z.B. sind manche Tiere, dem Laufe des Rheins und seinen Nebenflüssen folgend, nach Süddeutschland gelangt. Selbst das Gestein kann von Einfluß auf die Verbreitung der Tiere sein, so auf die der Mollusken, besonders der Schnecken, von denen die sogen. kalksteten Arten in ihrem Vorkommen auf Kalkgebirge beschränkt sind. Von ganz besonders wichtiger Bedeutung aber ist für die Verbreitung der Tiere die Vegetation, und sie steht in enger Wechselbeziehung mit ihr, da sie den Tieren Schutz und Nahrung bietet. Viele Tiere sind so eng an einen bestimmten Charakter der Vegetation gebunden, daß ihre Existenz völlig davon abhängig ist; in diesem Sinne spricht man von einer Waldfauna, Steppenfauna u. dgl. So wissen wir, daß nach der Eiszeit Norddeutschland ein Steppengebiet war, und daß damals eine charakteristische Steppenfauna (Springmaus, Saigaantilope, Wildpferd) Deutschland bevölkerte, die mit dem Auftreten und Dichterwerden des Waldes zurückgedrängt wurde. Nicht minder bedeutungsvoll ist für die Verbreitung der Tiere die Temperatur; ihre Änderung bringt auch alsbald eine solche der Fauna mit sich, wie dies die Tierwelt der Eiszeit in Deutschland zeigt; nach deren Beendigung zogen sich die Tiere (Renntier, Schneehase etc.) nach Norden oder auf die Gipfel hoher Berge zurück, wo sie die gleichen klimatischen Existenzbedingungen fanden (s. Alpen, S. 367). Im allgemeinen nimmt nach Norden zu der Reichtum der Fauna ab, und die Zirkumpolarregion beherbergt nur eine geringe Zahl von Arten, die sich aber durch große Individuenzahl auszeichnen. Die Gleichförmigkeit der physikalischen Verhältnisse, wie sie an den Polen herrscht, ist einer mannigfaltigen Entwickelung tierischen Lebens wenig günstig; diese erreicht ihren Höhepunkt in den Tropen. Die Wechselbeziehungen der Tiere unter sich spielen bei der Verteilung der Tiere auf der Erde eine besondere Rolle bei den Raubtieren und bei den Parasiten. So folgt z.B. in der arktischen Zirkumpolarregion der Vielfraß in seiner Verbreitung den Lemmingen, von denen er sich nährt, und der breite Bandwurm ist in seinem Vorkommen an die Meeresküste und die Nähe größerer Seen gebunden, da seine Finne in Fischen als Zwischenform lebt. Sehr bedeutend greift in die Verbreitung der heutigen Tierwelt der Mensch direkt und indirekt ein; direkt tut er dies durch Verfolgung der Raubtiere oder der ihm Nutzen bringenden wild lebenden Tiere, indirekt durch seine Kulturtätigkeit; so wird durch Verwandlung von Wald in Ackerland die Waldfauna zurückgedrängt, und eine Reihe von Tieren wird ohne direkte Verfolgung vermindert, da ihnen durch die menschliche Kultur die Existenzbedingungen genommen werden (»Kulturflüchter«, z.B. Biber, von den Vögeln die Höhlenbrüter und Heckennister). In fremden Ländern wird durch Einführung europäischer Haustiere häufig die einheimische Fauna zurückgedrängt und allmählich ausgerottet, z.B. in Australien die Känguruhs durch die Schafzucht.

Von großer Bedeutung für die Verbreitung der Tiere sind ihre Bewegungsorgane. Mit Flugorganen ausgestattete Tiere, Vögel, Fledermäuse, Insekten, ebenso schwimmende Tiere zeigen, durchweg eine weitere Verbreitung als kriechende oder laufende Formen; letztere sind daher für die Fauna eines Landes charakteristischer, da ihnen die Wanderung besonders über das Wasser hinüber erschwert ist; vielfach aber werden die Tiere verschleppt; es gilt dies für Ratten und Mäuse, die mit den Schiffen über die ganze Erde verbreitet wurden, und ähnlich auch für manche Reptilien, besonders Geckos, und Insekten. Von kleinern Tieren, hauptsächlich Süßwasserbewohnern, werden durch Vögel und andre größere Tiere sehr häufig die Eier oder eingekapselte Dauerzustände der besonders Einzelligen verschleppt. Endlich sind bei der Verbreitung der Tiere besonders zu berücksichtigen die Wanderungen, die von vielen Tieren entweder als Ausnahme oder ganz regelmäßig angestellt werden; zu den erstern Fällen sind zu zählen die Wanderungen der Lemminge, des Steppenhuhns etc.; regelmäßige Wanderungen stellen besonders die Vögel an, wobei dann beim Studium der Verbreitung zu unterscheiden ist, ob die betreffenden Arten als Stand- (Brut-) Vögel oder als Zugvögel im Gebiet sich finden.

Bei der Darstellung der geographischen Verbreitung sind die vorstehend charakterisierten Faktoren möglichst zu berücksichtigen; aber da die Lebensbedingungen der Tiere sehr verschieden sind, so wird eine Darstellung tierischer Verbreitungsbezirke recht verschieden ausfallen, je nachdem die Verbreitung der einen oder andern größern Gruppe zugrunde gelegt wird. Sclater und Wallace schlugen vor, die Landfauna der Erde in große Regionen einzuteilen; hierbei wurde die Verteilung der Säugetiere und Vögel zugrunde gelegt, die zu annähernd gleichen Ergebnissen führt; dagegen würde die Verteilung der Reptilien, der Amphibien und der Süßwasserfische ein andres Resultat ergeben. Ebenfalls verschieden würde die Einteilung der Erde in große zoogeographische Regionen bei Zugrundelegung der wirbellosen Tiere, z.B. der Insekten, ausfallen. Man hat hiervon Abstand genommen sowohl aus dem rein praktischen Grund, weil die Verbreitung der wirbellosen Tiere weniger vollkommen bekannt ist als die Verbreitung der Wirbeltiere, als auch, weil die Wirbeltiere als die geologisch jüngern Tiere eine schärfer umgrenzte Verbreitung haben als die geologisch sehr alten und daher bis zu einem gewissen Grade kosmopolitischen wirbellosen Tiere.

Die von Sclater und Wallace angenommenen sechs großen kontinentalen Regionen sind folgende: paläarktische Region, äthiopische Region, orientalische Region, australische Region, neotropische Region und nearktische Region. Sie sind mit einigen Modifikationen auch heute noch fast allgemein anerkannt; doch müssen hauptsächlich infolge der durch die verschiedenen Nord- und Südpolexpeditionen gewonnenen Forschungsergebnisse noch die arktische Zirkumpolarregion und die antarktische Zirkumpolarregion hinzugefügt werden. Jede Region zerfällt in mehrere Subregionen (s. die Karte; das Nähere siehe bei den einzelnen Regionen). Reichenow kommt bei dem ausschließlichen Studium der Vögel zu einem etwas andern Resultat. Auch er erkennt die arktische, antarktische und australische (südliche) Region an; die nearktische und neotropische Region jedoch werden von ihm zu einem großen Komplex, der westlichen Region, vereinigt, deren Unterabteilungen sie bilden, und in gleicher Weise sind das paläarktische, orientalische und äthiopische Faunengebiet (letzteres mit Ausschluß Madagaskars) nur Unterabteilungen einer großen faunistischen Region, die Reichenow als östliche bezeichnet. Madagaskar mit den benachbarten Inseln bildet eine eigne, den übrigen großen Komplexen gleichwertige tiergeographische Region.

Ebenfalls auf Grund der ganz besonders genau durchgeführten ornithologischen Studien kommt Sclater zu der Einteilung der Erde in eine Palaeogaea (Altwelt) und eine Neogaea (Neuwelt). Erstere umfaßt die ganze Alte Welt einschließlich Australien, den Papua-Archipel, Neuseeland und die ozeanischen Inseln; die letztere Amerika mit den benachbarten Inseln.

Während alle diese Einteilungen auf der Verbreitung der Tiere in der Gegenwart fußen, hat Huxley auf Grund der Verteilung der Tiere in der mesozoischen Erdperiode vorgeschlagen, die Erde zoogeographisch einzuteilen in eine Arctogaea und eine Notogaea, d.h. eine nördliche und eine südliche Landmasse. Es ist sehr wahrscheinlich, daß während der mesozoischen Epoche zwei große zirkumpolare Kontinente vorhanden waren, ein arktischer und ein antarktischer, die nacheinander zum Schauplatz der Entwickelung der Landtiere gedient haben, und deren Bedeutung für die Verteilung der Tierwelt auch heute noch zu erkennen ist. Die Arctogaea Huxleys umfaßt die paläarktische, nearktische, äthiopische und indische Region, die Notogaea wird von der neotropischen und australischen Region gebildet, die mehr Beziehungen zueinander als zu den vier übrigen Regionen zeigen. Bei allen diesen und speziell bei den altern Systemen ist ein gewisses Schematisieren hinsichtlich der Abgrenzung der Verbreitungsgebiete nicht zu verkennen und war dieses auch wohl anfänglich kaum zu vermeiden. Mit der fortschreitenden Kenntnis von der geographischen Verbreitung der Tiere macht sich immer mehr die Erkenntnis geltend, daß zunächst die einzelnen Tierklassen für sich auf ihre Verbreitung zu untersuchen, und daß dabei auch die geologischen Verhältnisse zu berücksichtigen sind. Erst nach Kenntnis der jetzigen und frühern Verbreitung der einzelnen Tierklassen wird sich eine allgemein gültige Darstellung der geographischen Verbreitung der Tiere geben lassen._– Nach der Verbreitung der Säugetiere und Vögel, die ja zurzeit vor allen Dingen in Betracht kommen, faßt man jetzt die einzelnen Gebiete zu folgenden drei größern Reichen zusammen:


I. Arktogaea:

1) Holarktisches, 2) Äthiopisches, 3) Madagassisches, 4) Indisches Gebiet;


II. Notogaea:

5) Papuanisches, 6) Australisches, 7) Neuseeländisches, 8) Polynesisches, 9) Hawaiisches Gebiet:


III. Neogaea:

10) Neoboreales, 11) Neotropisches Gebiet.


Für die Verbreitung der Tierwelt des Meeres sind wesentlich andre Faktoren gültig als für die Landfauna. Als Verbreitungsgrenzen spielen hier hauptsächlich Ländermassen, ferner die Temperatur des Wassers eine Rolle. Einen besonders starken Unterschied macht es, ob die Tiere an der Oberfläche oder in der Tiefe des Meeres leben. Eine große Bedeutung für die Verbreitung fällt den Strömungen zu. Über die Provinzen, die man in der Verbreitung der Meeresfauna unterscheidet, s. Meeresfauna.

Zum vergleichenden Studium der geographischen Verbreitung der einzelnen Tiergruppen ist die graphische Darstellung unvermeidlich, da sie sofort eine Übersicht über das Wohngebiet der einzelnen Formen gestattet. Man bedient sich hierbei verschiedener Methoden; am zweckmäßigsten ist die Eintragung von Verbreitungsgrenzen in Karten von Mercators Projektion, indem mit Linien von verschiedener Farbe der Umfang der Wohngebiete der einzelnen größern oder kleinern Gruppen (Arten, Gattungen, Familien) umzogen wird, deren Verbreitung zur Darstellung kommen soll, wobei zur größern Übersichtlichkeit möglichst wenig Gruppen auf einer Karte zu behandeln sind. Zum Teil ist zum graphischen Ausdruck der geographischen Verbreitung der Tiere auch Vollkolorit zur Anwendung gelangt, indem durch die Stärke des Tones zugleich das Verbreitungszentrum der Gruppe und ihr allmähliches Abnehmen nach den Grenzen hin markiert wird. Wo Karten aus äußern Gründen nicht zur Anwendung kommen können, benutzt man nach Wallaces Vorgang die Tabellenform, indem man an das Kopfende von parallelen Kolumnen die Namen der Regionen und Subregionen schreibt und links die Namen der Arten, Gattungen etc. stellt. Durch Eintragung eines Zeichens (Ziffer, Strich) in die betreffende Kolumne wird hervorgehoben, daß die Art sich in der betreffenden Subregion der betreffenden Region findet. Von Allers wurden zur Veranschaulichung der Verbreitung der Säugetiere schematische Diagramme benutzt, wobei zugleich durch Stellung, Lage, Form und Ausdehnung die gegenseitigen Beziehungen und Größenverhältnisse der Regionen und Subregionen einen freilich nur sehr relativen Ausdruck finden.


Die faunistischen Charaktere der einzelnen Zonen der Erde.

Unterscheidet man beim Studium der Verbreitung der Tiere auf der Erde bestimmte zoogeographische Regionen, so gründet sich dies darauf, daß gewisse Familien, Gattungen oder Arten über ein gewisses Gebiet hin verbreitet sind, in andern Teilen der Erde aber die Fauna eine andre ist. Hierbei spielt vielfach die physikalische Geographie der Region nicht die erste Rolle, sondern die mit geologischen Veränderungen zusammenhängenden ehemaligen Wanderungen der Tiere. Nach ihren biologischen Eigentümlichkeiten betrachtet, zeigt die Tierwelt der verschiedenen Länder, entsprechend den geophysikalischen Eigenschaften dieser Länder, ganz bestimmte Merkmale. So sind Klettertiere für waldbedeckte Ländereien charakteristisch, während in offenen Flächen Lauf- und Grabtiere überwiegen. Die erste Anregung zu diesem Gedanken gab Pucheron, der das Gesamtbild, das die Tierwelt eines Landes ihrem Erscheinen und Wesen nach bietet, als den faunistischen Charakter bezeichnet hat. Wenn man diesen faunistischen Charakter bei einem Überblick über die Verteilung der Tiere berücksichtigt, so erhält man ebenfalls zoologische Provinzen, die allerdings nicht mit den Regionen von Wallace übereinstimmen, sondern sich mehr dessen Subregionen nähern. Es wurde versucht, im Anschluß an Trouessart die verschiedenen Zonen der Erde mit ihren faunistischen Charakteren in großen Zügen auf einer Karte (Verbreitung der Säugetiere I, erstes Kärtchen, Bd. 17 bei S. 636) zur Darstellung zu bringen. Bei einer Wanderung von Pol zu Pol zeigt sich, daß die kontinentalen Massen der Erde nach klimatischen und Vegetationsverhältnissen in sieben große Zonen zerlegt werden können. Den unwirtlichen Gebieten der arktischen Zone schließt sich in der Alten wie der Neuen Welt ein breiter Gürtel gebirgigen und waldigen Territoriums an; durch Nordamerika vom Stillen bis zum Atlantischen Ozean und durch Europa bis Asien, vom Atlantischen bis wiederum zum Stillen Ozean hin zieht sich diese Zone, die wenigstens früher ein reiches Waldland war, wenn sie auch heute ihren ursprünglichen Charakter nur noch zum Teil bewahrt hat, zum Teil aber in Kulturland verwandelt worden ist. Auf der östlichen und westlichen Halbkugel schließt sich an diese Waldzone ein breiter Wüstengürtel, aus unfruchtbaren Wüsteneien oder wenigstens aus Gras- und Buschsteppen bestehend; in Amerika sind dies die großen Strecken zwischen dem Felsengebirge und Missouri bis zum Mississippi, hauptsächlich Arizona, New Mexico, Kansas, Texas, Nordmexiko; in der Alten Welt beginnt dieser Wüstengürtel mit der Wüste Sahara, setzt sich fort in der nordarabischen Wüste, schließt Persien in sich, südlich sich bis zur indischen Wüste ausdehnend, umgreift das Kaspische Tiefland und die Kirgisensteppe und geht in der Wüste Gobi und der Mongolei fast bis an den Stillen Ozean. Diese Wüstenzone liegt also größtenteils etwas nördlich vom Wendekreis des Krebses, der noch in sie hineinfällt. Ihr folgt wiederum eine Waldzone, die unter dem Äquator liegt und durch tropische Üppigkeit und Fülle ausgezeichnet ist. Dieser Waldgürtel beginnt auf der westlichen Halbkugel mit Zentral- und dem nördlichen Teil von Südamerika, dem gewaltigen Flußgebiet des Amazonas, umfaßt auf der östlichen Halbkugel Zentralafrika und Madagaskar und setzt sich durch Vorder- und Hinterindien über den Malaiischen Archipel bis Neuguinea fort, auch noch den nördlichsten Teil Australiens einschließend; er ist auf unsrer Karte mit Dunkelblau markiert; überall fällt der Äquator in Urwaldregion, südlich davon haben wir besonders in Afrika statt des dichten Urwaldes vielfach Buschregion, doch konnte in der Farbenzeichnung hier kein Unterschied gemacht werden. Weiter nach Süden gehend, trifft man im Wendekreis des Steinbocks wieder auf Wüsten; freilich ist dieser Gürtel bedeutend kleiner als auf der nördlichen Halbkugel, da die südliche überhaupt weit weniger Ländermassen enthält, er findet sich in Amerika in den Pampas Argentiniens, in Afrika in der Kalahariwüste und den Öden Südwestafrikas, in Australien in den zentralen Wüsteneien. Einigermaßen entsprechend dem nördlichen Waldgürtel sind wenigstens Andeutungen eines südlichen in den Wäldern von Feuerland, Kaffraria, Tasmania und Neuseeland vorhanden. Der arktischen Region entspricht dann südlich die noch unwirtlichere antarktische.

Die Betrachtung vom zoologischen Standpunkt ergibt in entsprechenden Zonen eine auffallende Ähnlichkeit der faunistischen Charaktere auf der westlichen wie östlichen, nördlichen wie südlichen Halbkugel, und das dürfte auch für die beiden Polarzonen gelten, obwohl man hier hauptsächlich auf Seesäugetiere, Robbenarten und auf Vögel, die zum Brutgeschäft Inseln aufsuchen, angewiesen ist. Anders ist es mit den Waldzonen; in allen drei Waldgürteln sehen wir in hervorragender Weise Klettertiere vertreten. Die Affen finden in der mittlern Waldzone beider Erdhälften ihre Heimat, die Halbaffen in der der Alten Welt; der nördlichen und der mittlern Waldzone kommen in großer Anzahl Eichhörnchen und kleine baumbewohnende Raubtiere, Marder etc., zu; der faunistische Charakter dieser Waldzone zeigt sich aber auch darin ausgeprägt, daß hier Arten als Baumtiere leben, deren Familien nach der Mehrzahl der Arten als Bodentiere zu betrachten sind. So finden wir von den Bären in der Alten Welt den Bärenmarder (Arctitis) und den Katzenbär (Ailurus), in der Neuen den Wickelbär (Cercoleptes) als Baumtiere. Auf Madagaskar ist als baumbewohnende Katze das Katzenfrett (Cryptoprocta) zu nennen, und in Europa denken wir an Wildkatze und Luchs. Von den Nagern sind außer den Eichhörnchen, die auch in beiden Erdhälften vielfach als Flughörnchen vertreten sind, zu nennen das Borstenstachelschwein (Erethizon) und der Greifstachler (Cercolabes), deren nächste Verwandte Erdtiere sind, und selbst von den Edentaten sind nicht nur die Faultiere, sondern sogar ein Ameisenfresser (Cycloduras) zum Baumtier geworden. Die Waldzone Neuguineas beherbergt nur Beutler, aber auch von diesen zeigt sich eine ganze Reihe Arten, die Kusu (Phalangista), die Beutelflatterer (Belideus), die Baumkänguruhs (Dendrolagus), als Baumtiere. Die südliche Waldzone ist arm an Säugetieren, aber auch hier finden sie Anpassung an das Baumleben; die Wälder Tasmanias beherbergen Baumbeutler, und selbst die merkwürdige Fledermaus Neuseelands (Mystacina) müssen wir als ein Baumtier betrachten. Außer bei den Säugetieren zeigt sich der faunistische Charakter der Waldzonen auch bei andern Klassen ausgeprägt; von Vögeln finden sich in den Waldzonen ganz besonders Hacker, Spechte, Papageien, Nashornvögel; die Reptilien, die wir ganz besonders als Bodenformen zu betrachten gewohnt sind, sind in der Neuen Welt mit Iguanen, in der Alten mit Baumagamen, Flatterechsen, in beiden Erdhälften mit Baumschlangen vertreten. Sogar die Amphibien passen sich in dieser Zone den Verhältnissen an; überall finden wir in der Baumzone Laubfrösche, in Amerika sogar solche, die hier ihre Metamorphose durchmachen, und in Malayasien und Madagaskar Arten, die in der Entwickelung einer zwischen den Zehen befindlichen Haut eine Art Fallschirm, ähnlich wie bei den Flughörnchen, besitzen.

Entsprechend den Waldzonen zeigen die Wüstenzonen einen ausgesprochen faunistischen Charakter; sind bei den Waldregionen die Klettertiere das Charakteristische, so sind die Wüstenzonen gekennzeichnet durch laufende, springende und grabende Formen. In den nördlichen Steppen der Alten Welt haben Kamel, Halbesel, Wild- und Steppenesel und die Zebras ihre Heimat; letztere treten auch in den südlichen Steppen auf. Typische Wüsten- und Steppenformen sind die zum weitaus größten Teil altweltlichen Antilopen. In beiden Erdhälften sind sehr verbreitete Wüstentiere springende und grabende Nager. Von Nordamerika kennen wir die Gattungen amerikanische Springmaus (Dipodomys), Hüpfmaus (Jaculus) und Präriehund (Cynomys), von der nördlichen Wüstenzone der Alten Welt die ägyptische Wüstenspringmaus (Dipus), die Rennmaus (Meriones), den Alaktaga (Alactaga), von den südafrikanischen Steppen den Springhasen (Pedetes), von Südamerika die eigentümlich modifizierten Gattungen Mara (Dolichotis), Paka (Coelogenys) und Aguti (Dasyprocta). Von den Insektivoren sind die Rohrrüßler (Macroscelides) und Rüsselhündchen (Rhynchocyon) typische Wüstenbewohner. In den australischen Steppen entsprechen die dort heimischen Beutler in Form und Lebensweise den Wüstenbewohnern der andern Kontinente; die verschiedenen Känguruhs erinnern an die Alaktagas, Springhasen und Springmäuse und die Perameles-Arten an die Rohrrüßler. Einen Beweis dafür, wie der faunistische Charakter einer Zone sich in den verschiedenartigsten Klassen ausprägen kann, und gleichzeitig ein ausgezeichnetes Beispiel für die Anpassungsfähigkeit liefern drei ganz verschiedenartigen Klassen zugehörige Arten. Die zu den Edentaten gehörige Gürtelmaus (Chlamydophorus truncatus Harl.), die sich in den Wüstendistrikten Argentiniens und von Mendoza findet, die Insektivorengattung Goldmull (Chrysochloris) der südafrikanischen Wüsten und der erst seit kurzem bekannt gewordene, sehr seltene Bentelmull (Notoryctes typhlops) der zentralaustralischen Wüsten ähneln einander nicht nur völlig in ihrem maulwurfsartigen Leben, sondern haben als Wüstengrabtiere auch ähnliche morphologische Charaktere erworben, wie Reduktion der Sehorgane und Umwandlung der Extremitäten zu Grabschaufeln. Auch die Vögel stellen ihre Vertreter zu den faunistischen Charaktergestalten der Wüstenzonen; vor allen sind hier die straußenartigen Vögel, die Strauße der Alten Welt, die Nandus Südamerikas und die Kasuare Australiens zu nennen; ebenso verdienen die Flughühner Afrikas, die Steppenhühner Asiens und die Präriehühner Amerikas Erwähnung. Unter den Reptilien sind typische Wüstenbewohner die Erdagamen, die mancherlei gleichartige biologische Eigentümlichkeiten zeigen und unter andern vertreten sind in Ägypten und Nordafrika durch die Dorneidechse und den Dornschwanz (Stellio und Uromastix), in Asien durch die Krötenköpfe (Phrynocephalus), in Australien durch den Moloch (Moloch).

Die faunistischen Charaktere der einzelnen Zonen ließen sich in gleicher Weise auch bei den Insekten und Mollusken nachweisen.


Tiergeograph. Regionen nach Wallace.
Tiergeograph. Regionen nach Wallace.
Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909.
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