XV.

Aufführung des ›Rienzi‹ und des ›fliegenden Holländers‹.

[455] Aufführung des ›Rienzi‹. – Widerstand der Sänger gegen beabsichtigte Kürzungen. – Rastrellis Tod, Wagner soll an seine Stelle treten; Bedenken dagegen. – Rienzi-Bruchstücke im Leipziger Gewandhaus. – Umzug in die Marienstraße. – Beziehungen zur Schröder-Devrient. – Aufführung des ›fliegenden Holländers‹. – Probevorstellung der ›Euryanthe‹ und Annahme der Kapellmeisterstellung.


Ich ganz Einsamer, Verlassener, Heimatloser fand mich plötzlich geliebt, bewundert, ja von vielen mit Erstaunen betrachtet; und, dem Begriffe unserer Verhältnisse gemäß, sollte dieser Erfolg für meine ganze Lebensexistenz eine gründlich dauernde Basis gewinnen durch meine, Alles überraschende Ernennung zum Kapellmeister der k. sächsischen Hofkapelle.

Richard Wagner.


Der Tag der ersten Aufführung, Donnerstag, der 20. Oktober 1842, rückte heran. Obgleich die Generalprobe am Tage zuvor sechs Stunden und darüber gedauert hatte, war im Personal keine Unlust, kein Überdruß zu bemerken; im Gegenteil, die Begeisterung für das Werk steigerte sich immer mehr und mehr; die Choristen – so berichtet F. Heine darüber im gemütlichsten Tone – ›schrieen sich vor Lust und Wonne die halben Lungen weg; die Sänger und Kammermusici stießen allerorten, wohin sie kamen, so unbändig in die Lobesposaune, daß einem angst und bange wurde, die hochgespannte Erwartung könnte dem Erfolg eher nachteilig sein‹.1 Noch am Vormittag des Aufführungstages war Wagner im Theater beschäftigt. Um 12 Uhr kam er mit Ferd. Heine aus dem Hause, da er jemand auf den Theaterplatz bestellt hatte: es war Kietz' Bruder, der junge Bildhauer Gustav Kietz, dem er ein Galeriebillet zu dem heutigen Abende zugedacht. Mitten in aller Sorge und Abspannung habe sich seine naive Freude an dem Zudrang der Menschen zur Theaterkasse geäußert. Er sei öfter stehen geblieben, [456] um Leute zu beobachten, die nach dem Theater gingen: ›Warte!‹ habe er zu Heine gesagt, ›wir wollen einmal sehen, ob die auch nach der Kasse gehen? – Dort kommen noch vier, – ob die auch hingehen? – Wahrhaftig, da kommen noch einige, die gehen wirklich auch nach der Kasse! ‹ – In bester Stimmung gab er Kietz statt eines Billets deren zwei, und Heine rief dem doppelt Beschenkten noch lachend nach: er sollte nur einen mitnehmen mit recht großen Händen!2 Es war wirklich die höchste Zeit nach den erschöpfenden Vorarbeiten, daß die Aufführung vonstatten ging; der junge Schöpfer des Werkes selbst hatte – unter den geschilderten ungünstigen Verhältnissen seiner Existenz – seine äußersten physischen Kräfte darangesetzt. Er habe, so versichert Heine, wie ein Schatten ausgesehen. ›Sein armes Frauchen,‹ erzählt er weiter, ›wollte erst diesen Abend gar nicht ins Theater, die Meine hat sie unter ihre großen Fittige genommen und sich in ihre Loge gesetzt. Die treue Seele hat sich in Kompagnie mit ihrem Richard so abgeängstigt, daß sie ganz grün und jämmerlich aussieht.‹

Die fünfte Nachmittagsstunde war überschritten, die Menge drängte sich in Erwartung von etwas Unerhörtem in bunten Scharen dem Theater zu; der prachtvolle Raum war lange vor dem Beginne trotz der erhöhten Preise zum Erdrücken gefüllt. Es ist keine bloße Phrase in Heines brieflichem Bericht, wenn er davon spricht, die Erwartungen des Publikums seien in einem Grade gesteigert gewesen, der für den Erfolg fast gefährlich schien. Wagner selbst hatte die gleiche Empfindung. Dennoch bewies die Aufnahme, daß der junge Tonsetzer selbst die kühnsten Voraussetzungen übertroffen hatte. Die Vorstellung begann um 6 Uhr unter Reißigers Leitung; der Autor wohnte ihr mit seiner Frau im dunkelsten Winkel des Zuschauerraumes bei. Vom ersten langgehaltenen Trompetenton der Ouvertüre an herrschte in allen Räumen des dichtbesetzten Hauses tiefstes Schweigen, die gespannteste Aufmerksamkeit, und hielt bis zum Ende an: ›der donnernde Applaus am Schlusse,‹ sagt Heine, ›wälzte Wagner und mir und allen seinen Freunden eine Zentnerlast vom Herzen, so gewiß ich auch des Gelingens im voraus war.‹ Vor allen löste Tichatschek seine Aufgabe mit Geist und Kraft, unverwüstlich in der Stimme, hinreißend in der Darstellung, in der Mimik trefflich unterstützt durch seine feurigen, großen Augen, bis zur letzten Note aushaltend, obwohl die Partie des Tribunen damals erheblich stärker instrumentiert war, als jetzt, nachdem der Komponist manche Lichtungen in der Partitur vorgenommen Voll unwiderstehlich packender Begeisterung war das Spiel der Schröder-Devrient, so besonders auch in dem Monologe des dritten und im großen Duett des fünften Aktes. Dem. Wüst stand ihr mindestens an rein musikalischem Ausdruck nicht nach; sicher, klar und gesangsfertig [457] stand sie mit ihrem reinen Sopran zwischen Tichatschek und der Schröder; ja es gab Stimmen, welche die letztere als die vollendetere Darstellerin, Henriette Wüst aber als die größere Sängerin bezeichneten. Die Bemühungen Meister Fischers waren von dem glänzendsten Erfolge gekrönt. Der junge Autor wurde nach dem ersten, zweiten und dritten Akte stürmisch gerufen (›herausgebrüllt‹ heißt es in dem Heineschen Bericht an Kietz); die Hauptdarsteller mit Beifall und Bravos überschüttet. Als der dritte Akt mit seinen Schlachthymnen und seinem Siegesjubel, dem Verrat und der völligen Besiegung der Nobili ausgespielt hatte, war es nicht mehr weit von 10 Uhr abends, und Wagner berichtete später einmal von seiner Furcht, die ihn vom dritten Akt an habe glauben lassen, er würde ›den Skandal erleben‹ schließlich die Oper nicht ausspielen lassen zu können, weil sie zu lang war. Nach zehn Uhr ging erst der vierte Akt an, dem noch ein ebenso starker fünfter folgen sollte, während doch um diese Zeit laut Theaterzettel schon das Ende der Vorstellung festgesetzt war. Der erschütternde Schluß dieses Aufzuges, zu welchem statt des erwarteten Tedeum das unheimliche: vae vae tibi maledicto! aus dem Lateran hervorklingt, und nach Verkündigung des kirchlichen Bannfluches durch den Legaten der eben noch vom Volke umdrängte Tribun sich auf dem nun schnell entleerten Platze allein sieht, aus seiner Betäubung erst durch die sanfte Umschlingung der einzig getreuen Schwester erwachend, während die Klänge des Fluches in dumpfem pianissimo in der Kirche verhallen, – hinterließ auch im Publikum eine tiefe Stille; Alles war von der Tragödie überwältigt.3 Nach halb elf Uhr begann der fünfte Akt: Tichatschek, frisch und begeistert, wie zu Beginn des Abends, die Szene zwischen Adriano und Irene von dämonisch hinreißender Gewalt, die Situation unaufhaltsam der letzten Katastrophe zudrängend, – um 1/412 Uhr senkt sich die Gardine zum letzten Male. So lange hat noch kein Bühnenwerk gespielt! Nun läßt sich die Menge nicht mehr halten; die atemlose Spannung aller löst sich in einen tumultuarischen Hervorruf des Autors und sämtlicher Darsteller; der tobende Applaus hält mit einer wahren Wut der Begeisterung ununterbrochen eine volle Viertelstunde lang an. In dieser stürmischen Nacht erhob das Dresdener Publikum, bis dahin selten in der Lage, einer neuen Kunsterscheinung gegenüber den Ausschlag zu geben, Richard Wagner zu seinem kühn adoptierten Liebling. Ein solcher Vorgang [458] lag außer dem Bereich des bisher Erlebten, – die erste Aufführung des Rienzi war ein vollkommener Sieg. Da war denn auch Fischer, der bis zuletzt mit eifrig betätigter Sorge über dem Gelingen gewacht, immer ruhiger geworden, und wie im zartfühlenden Wissen, daß er der Erste gewesen, der Wagners Bedeutung erkannt und den Anstoß zur Annahme der Oper gegeben, heftete er nun, wo alles den jungen Meister umjubelte und beglückwünschte, nur still verklärt das helle, freundliche Auge auf ihn, als wollte er sagen: ›Ja, das wußte ich, daß es so kommen würde!‹

Und hier ist es endlich an der Zeit, dem guten F. Heine einmal im Zusammenhang das Wort zu erteilen, damit er seine – nicht bloß an Kietz, sondern, wie er ausdrücklich angibt, auch an Anders, Lehrs und Avenarius adressierten – lebensfrischen, von echtem Humor gefärbten Wahrnehmungen und Beobachtungen einmal direkt an den Leser richten könne. ›Ich wich,‹ so erzählt er, ›den ganzen Abend, so weit es meine Geschäfte erlaubten, nicht von Wagners Seite und wußte nicht, woran ich mich mehr erlaben sollte: an des Publikums Jubel und Entzücken oder an Wagners eigenem Staunen über diese unübertreffliche Aufführung. Ich war der alte überall und Nirgend, im Foyer, Büfett, Logen, Parkett, um nur die verschiedenen Meinungen zu verspüren, und wußte nicht mehr, ob ich meinen Ohren trauen sollte. Da steckten alte Notenfresser und Kontrapunkthähne die Köpfe zusammen und erklärten unverhohlen, daß Wagner sich mit dieser Oper sofort mit den gediegensten Meistern aller Zeiten in gleiche Linie gestellt habe; dort wieder solche etliche Italienernarren, wie dieser dicke Graf Solms und Konsorten, die auf Beethoven, Marschner u. dgl. schimpfen wie die Spatzen und meinten dennoch: das ginge doch noch über den himmlischen Donizetti usw.‹ Ich hätte vor Freude närrisch werden können. Aber auch welche Aufführung! Keck kann man behaupten, daß in diesem Augenblick keine Bühne der Welt ein solches Ensemble produzieren kann. Tichatschek war ein neuer Mensch, ein Heros; trotz seines Raoul, Adolar und aller anderen Glanzpartieen hätte ich ihm nie einen solchen Aufschwung zugetraut. Man konnte ihn in Wahrheit inspiriert nennen! Und dazu die Schröder-Devrient, die Wüst und Wächter, Dettmer und alle, alle! Besonders auch die Chöre! Nein, – Fischer ist und bleibt ein Chordirektor par excellence; Du kannst Dir keinen Begriff von dieser Präzision und Nüancierung machen, trotz der gewaltigen Massen und Schwierigkeiten! Auch Dein ›Heinemännel‹ hat sich nicht lumpen lassen, und darf sich rühmen, den Dresdenern Kostüme hingestellt zu haben, wie sie ihnen noch nicht vor den Schnabel gekommen. Aber, du lieber Gott, wie gering und erbärmlich kommt man sich neben dem Komponisten vor! Wenn mir Jemand Komplimente über meine Kostüme machte, tat es mir immer leid, keinen Hundeschwanz zu haben, um ihn gebührend einziehen zu können. Wagner selbst erklärte: wenn er die Oper durch irgendein Zaubermittel mit [459] allem, was darum und daran hing, nach Paris hexen könnte, wäre er zeitlebens ein geborgener Mann.

Auch der Eindruck, den die Aufnahme seines Werkes auf dessen Schöpfer machte, die große Ergriffenheit, die sich seiner bemächtigen mußte, tritt uns aus der ungezwungenen humoristischen Mitteilung dieses Briefes recht lebhaft entgegen. ›Wagner hättest Du und die Pariser Freunde an jenem Abend sehen sollen. Er war ein Schatten, weinte und lachte aus einem Sack, umarmte Alles, was ihm vor die Stange kam, und dabei lief ihm immer der kalte Schweiß von der Stirn Beim ersten Hervorruf wollte er durchaus nicht hinaus; ich mußte ihm einen ungeheuren Schub geben, daß er aus der Kulisse flog, aber auch nicht einen Zoll weiter, als die Kraft des Stoßes reichte; dann prallte er ordentlich wieder vor dem Gebrüll des Publikums zurück. Zum Glück hat er eine so famose Nase, wie Dir hinlänglich bekannt ist, und die linke Hälfte der Zuschauer konnte sich wenigstens an dem Anblick von deren Spitze erlaben. Macht er das nächste Mal wieder solche Sperenzien, so halte ich Deine Charge4 bereit und stecke sie zum Souffleurkasten heraus.‹ Auch berichtet er, daß sich Wagner unter dem Eindruck der großen Zeitdauer der Vorstellung dahin geäußert habe, die Oper bestimmt so zu kürzen, daß sie nur noch bis 1/4, nach 10 Uhr spiele. ›Noch einen Spaß muß ich Dir sagen: damit er die nächste Nacht in Wahrheit auf Lorbeeren ruhen möchte, hatte ihm seine Frau einige Lorbeerblätter ins Bett gelegt und zwar direkt...! Er hat prächtig geschlafen und die profanierte Ruhmestrophäe erst den andern Morgen gespürt‹.

An diesem Morgen früh acht Uhr hatte er keine dringendere Sorge, als auf die Expedition in der Sporergasse zu eilen und – zu streichen und wieder zu streichen. ›Ich glaubte nicht, daß die Intendanz das Stück sonst wieder geben werde,‹ so erzählt er selbst, Nach zwei Uhr kam ich wieder hin, um zu sehen, ob nach meinen Anordnungen gestrichen worden sei; ich glaubte nicht eher wieder einem Sänger oder Musiker unter die Augen treten zu können. Da sagten sie mir: ›Herr Wagner, wir sollen Das nicht streichen [460] und auch Das nicht.‹ Da fragte ich: ›warum denn?‹ – ›Ja, Herr Tichatschek ist dagewesen, der sagte, wir sollen es nicht streichen.‹ Ich lachte. ›Ist Tichatschek unter deine Feinde gegangen?‹. Am Abend fragte ich ihn darum. Da traten ihm die Tränen in die Augen und er sagte: ›Ich lasse mir nichts streichen, es war himmlisch!‹5 Von demselben Tage datiert ist eine kurze briefliche Nachricht an seine Lieben in Paris, den ›heiligen Rat der Fünfe‹ (S. 429). Daß er in allem Drange dazu die freie Viertelstunde fand, bekundet den schönen Zug seines Herzens, der inmitten aller furchtbaren Ermüdung auf der einen, berauschenden Erregtheit auf der anderen Seite seine Gedanken unwillkürlich der zurückgelassenen kleinen Gemeinde sich zuwenden läßt, die ihm in der Fremde den Glauben an seinen Genius bewiesen. ›Na, liebste Kinder!‹ so lautet dieser Zuruf, ›in aller Eile und Abspannung muß ich heute doch wenigstens mit einer Zeile melden, was gestern vorgefallen ist. ‹ Er berichtet kurz von der enthusiastischen Aufnahme seines Werkes: es sei eine Aufregung, eine Revolution durch die ganze Stadt gewesen. ›Übermorgen ist die zweite Vorstellung, schon auf die dritte sind alle Plätze genommen. Die Aufführung war hinreißend schön – Tichatschek, die Devrient – Alles – Alles in einer Vollendung, wie man es hier noch nicht erlebt. Triumph! Triumph! Ihr guten, treuen, lieben Seelen! Der Tag ist angebrochen! Er soll auf euch Alle leuchten!

Über den Eindruck, den das Werk auf die königliche Familie gemacht, erfahren wir ebenfalls durch die Mitteilungen F. Heines. Er konstatiert zunächst, daß der König an der ersten Aufführung nicht teilnehmen konnte: er war am Morgen des Aufführungstages mit dem Pferde gestürzt und hatte sich etwas am Knie verletzt. Die Prinzessinnen Amalie und Augusta hingegen waren vom ersten bis zum letzten Ton in ihrer Loge anwesend. ›Die Prinzeß Amalie, die »Dichterin«, hat wiederholt geäußert: »solch einen Eindruck habe noch keine Komposition auf sie gemacht; es sei ihr immer gewesen, als würde ein kostbarer Seidenstoff, mit Gold und Perlen durchwebt, vor ihr ausgebreitet«. Wir erfuhren es anderen Tags durch die Hofdame Friderici. Der König hat erklärt, daß er der nächsten Vorstellung (die leider durch das [461] Angegriffensein Tichatscheks um einige Tage hinausgerückt ist, eine natürliche Folge der anstrengenden acht Proben und der Aufregung bei der ersten Vorstellung) ebenfalls bis zum Schluß beiwohnen wollte. Als Lüttichau ihm bemerklich machte, daß die Oper allerdings sehr lang sei, hat der König geantwortet: »Tut nichts, so ein Werk muß man ordentlich hören; ich werde in der Stadt schlafen.« (Er wohnt nämlich immer noch auf dem Weinberg).‹ Übrigens hatte Wagner gegen alle Proteste seiner Sänger doch so viele Streichungen durchgesetzt, daß die Aufführungszeit um drei Vierstelstunden weniger, nämlich von 6 bis 1/211 Uhr dauerte.

Die ersten drei Wiederholungen fanden innerhalb der nächsten vierzehn Tage bis zum 4. November statt, immer bei erhöhten Preisen und vor ganz vollem Hause; die Dampfwagen zwischen Leipzig und Dresden waren voll Wallfahrer danach. Mit jeder folgenden Vorstellung steigerte sich der Beifall und mit den mitwirkenden Künstlern ward jedesmal auch der Autor wiederholt hervorgerufen. Zur zweiten Vorstellung hatte sich zu seiner Freude die nun 64 jährige alte Mutter von dorther eigens eingefunden, nachdem die Schwestern Brockhaus, Luise und Ottilie, letztere mit ihrem Gatten, bereits der ersten beigewohnt; der Schwager Fritz glänzte durch Abwesenheit, die Redaktionsgeschäfte seiner Leipziger Zeitung nahmen ihn gar zu sehr in Anspruch. ›Am meisten Freude‹, schreibt Wagner bald darauf,6 ›hat mir und Minna das gute Klärchen gemacht: sie war zwölf Tage bei uns, fühlte sich und machte uns sehr glücklich: das ist ein liebes, vortreffliches Geschöpf, gefühlvoll und ohne einen Funken Affektation.‹ Was ihm hinsichtlich des Publikums immer noch als das Merkwürdigste erschien, war dessen unverbrüchliche Ausdauer. Trotz aller Kürzungen währte die Oper, wie gesagt, immer noch bis 1/211 Uhr: ›und noch bei keiner Vorstellung haben wir gesehen, daß ein Platz leer geworden wäre; mit der äußersten Spannung hält Alles bis zum letzten Sinken des Vorhanges aus. Und das will für Dresden etwas heißen‹.7 Als er von der dritten Aufführung ab dem anhaltenden stürmischen Ruf seines Namens nach dem zweiten, dritten Akt und am Schlusse laut Übereinkunft mit dem Regisseur für seine Person nicht mehr Folge leistete, um seinen Sängern allein die Ehre des Beifalls zu lassen, verbreitete sich wie ein Lauffeuer das Gerücht, er sei bereits wieder nach Paris zurückgekehrt. Waren doch bei der völligen Unbekanntheit seiner Person überhaupt die seltsamsten Gerüchte über den so schnell berühmt Gewordenen unter den guten Dresdenern zu Tage getreten! Man hatte sich mit Verwunderung nach dem bisher gänzlich unbekannten Autor eines Werkes gefragt, das doch unmöglich von einem Anfänger herrühren konnte. Unter welchem Namen mochte er wohl schon große Opern komponiert und aufgeführt [462] haben? Daß er sich als ein ziemlich junger Mensch auswies, machte die Verwirrung nur noch größer. Endlich glaubte man der Sache auf den Grund gekommen zu sein: er sei ein Leipziger und zuletzt in Paris gewesen: richtig – er ist ein Schüler Meyerbeers!! Sein reicher Schwager Brockhaus habe ihn auf drei Jahre nach Paris geschickt, um dort zu ›studieren‹ und den ›Rienzi‹ zu schreiben; jeden Monat habe er von Brockhaus bare 100 Taler Subvention bezogen und nun habe dieser es auch durchgesetzt, daß die Oper hier in Dresden zur Aufführung gelangt feil. So war alles erklärt und schön ins Gleis gebracht, zum größten Verdruß des Nächstbeteiligten. ›Kinder, dieses Gerede bringt mich ins Grab vor Ärger,‹ schreibt er darüber an Cäcilie und Avenarius. ›Es ist wirklich niederträchtig, daß die dumme Welt gewöhnlich noch solchen Leuten Triumphe zuschreibt, die...!!‹

Über sein Honorar für die neue Oper fabelte man das Unerhörteste zusammen: bald sollten ihm die drei ersten Einnahmen gehören, bald sollte er zweitausend Taler bekommen haben. In Wahrheit war dies ein Punkt, der ihm nichts weniger als gleichgültig sein konnte! Was er bisher von der Aufführung seines Werkes genossen, war nur erst der Ruhm und die Ehre gewesen. Von den 30000 Francs, welche Halévy soeben in Paris für seine ›Königin von Cypern‹ erhalten, hatte ›Rienzi‹ ihm bis jetzt auch nicht den zehnten oder hundertsten Teil eingebracht, und er blieb mitten in allem Glanz seiner Triumphe noch auf ein gleich bitteres Darben angewiesen, wie zuvor. Nach der dritten Aufführung endlich kam ihm ein Schreiben der Generaldirektion zu, worin diese ihm in den schmeichelhaftesten Ausdrücken eröffnete: ›obgleich das gewöhnliche Honorar für eine Oper nur in 20 Louisd'or bestünde, habe sie sich nicht enthalten können, gegen ihn eine Ausnahme zu machen und ihm für sein so vortreffliches und schönes Werk ein Honorar von dreihundert Talern(!!) auszusetzen‹. ›Ihr seht also,‹ teilt er sich darüber an die Pariser Geschwister mit, ›wie man hier daran ist, so lange man dergleichen Dinge der Großmut eines Intendanten überlassen muß; mein einziger Trost ist, daß ich weiß, das Blatt werde sich nun bei mir wenden, und ich werde bei ähnlichen Gelegenheiten ein andermal fordern können. Mit dieser ersten Einnahme, liebe Kinder, kann ich noch niemand viel helfen: denn erstlich habe ich davon sogleich Schulden bei Brockhausens zu zahlen‹ (man erinnere sich an die vorgestreckten zweihundert Taler, mit denen er sich mühsam diese Monate hindurchgeholfen!), ›zweitens drohen mir meine alten Magdeburger Schuldner mit Verklagung – und ich werde sie so gut wie möglich beschwichtigen müssen.‹ Endlich muß es uns am ergreifendsten berühren, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie der Schöpfer des so enthusiastisch aufgenommenen, glanzvollen Werkes sich nach allem, in den letzten Jahren von ihm überstandenen über den Zustand seiner körperlichen Ausstattung an Hemden, Wäsche usw. beklagen muß. Diese sei jetzt in einem ›unbeschreiblichen‹ [463] Zustande und auf das dringendste einer Restauration bedürftig! ›Aber,‹ fährt er fort ›nach einem so fabelhaften Erfolge ist es ja wohl undenkbar, daß es bei dieser Einnahme lange stehen bleiben sollte: hoffentlich werde ich bald wenigstens an einige andere Orte die Partitur verkaufen, und auch ein guter Verleger, der mich ordentlich bezahlt, kann nicht lange ausbleiben.‹ Wir werden im Verlauf der Dinge wahrnehmen, wie sich diese so natürlichen Hoffnungen verwirklichten!

Zunächst trat das Unerwartete ein, daß die Dresdener Intendanz, alsbald nach dem glänzenden Erfolge des ›Rienzi‹, den Beschluß faßte nun auch den ›fliegenden Holländer‹ unverzüglich zur Aufführung zu bringen Bereitwillig ergriff der junge Meister das Anerbieten und trat sogleich mit der Berliner Direktion über die Rücksendung der dort seit einem vollen Jahr müßig liegenden Holländer-Partitur in Unterhandlung. Da Küstner durchaus erst die Lachnersche ›Catarina Cornaro‹ zuvor herausbringen wollte8 und daher für den ›Holländer‹ vor dem nächsten Februar keine Zeit hatte, war es natürlich, daß Wagner die sofortige Rücklieferung der Partitur reklamierte, die er ihm dann gegen Ende des Jahres, nach geschehener Kopierung derselben für Dresden, wieder zuschicken werde. Darauf antwortete ihm der Berliner Intendant mit allerlei Rückhalten, die für den Autor nur schmeichelhaft sein konnten: er getraue sich nicht, die Partitur eines mit solchem Ruhme gekrönten dramatischen Komponisten (so wenig eilig er es bisher mit der Aufführung gehabt) gerade jetzt aus den Händen zu geben. Natürlich konnte ihm Wagner nur die Alternative stellen: entweder den ›Holländer‹ in Berlin gleich zu geben oder ihm die Partitur zurückzuschicken; sonst müsse er ihn für allen Schaden verantwortlich machen, der ihm aus der Verzögerung entstehen könnte. Daraufhin erschien denn nun baldigst die Partitur. Inzwischen war der Andrang des Publikums zum ›Rienzi‹ ein so gleichmäßiger geblieben, daß die Oper am Sonntag, den 20 November zum sechsten Mal bei erhöhten Preisen und vor stets überfülltem Hause gegeben wurde. Lüttichau beschloß deshalb, die Aufführungen bis Neujahr zu unterbrechen, um sie dann wieder mit erhöhten Preisen zu geben, statt dessen aber, womöglich noch vor Weihnachten, den ›fliegenden Holländer‹ in Szene zu setzen. Wie sehr dieses Zusammentreffen die ganze geistige Tätigkeit Wagners in Anspruch nahm, braucht nicht erst näher ausgeführt zu werden. Dabei hatte er das Kopieren der Partitur, Änderungen, Kürzungen, Einrichtungen zu überwachen usw. ›Was aber das Betäubendste ist,‹ klagt er in einem Briefe an den Bruder Albert (vom 3. Dezember), ›das sind die Einladungen. Vorher krähte kein Hahn nach mir, und nun kann ich mich nicht retten, besonders da meine Freunde behaupten, ich müsse überall hingehen.‹ Wie schonungslos [464] diese Ansprüche sich für ihn gestalteten, geht daraus hervor, daß selbst Minna in einem Briefchen an Cäcilie (5. Januar 1843) über diese ›immerwährenden Einladungen‹ jammert: ›wir essen in mancher Woche kaum zweimal zu Hause‹. Und wehe ihm, wenn er sie ausgeschlagen und sich dadurch von Hause aus mit der Dresdener Gesellschaft verfeindet hätte!

Zweimal hatte er, im Verlauf des November, in Geschäften nach Leipzig zu reisen. Am 26. galt es einer deklamatorischen Abendunterhaltung, welche die geniale Sophie Schröder, die greise Mutter der großen Dresdener Künstlerin, im Gewandhause veranstaltete, und in welcher das Leipziger Publikum unter anderem auch Stücke aus ›Rienzi‹ zu hören bekommen sollte. Die einst gefeierte Tragödin entzückte trotz ihres hohen Alters durch den Vortrag von Klopstocks ›Frühlingsfeier‹, Bürgers ›Lenore‹ und der Schillerschen ›Glocke‹; ihre Tochter sang die Arie des Adriano, Tichatschek das Gebet Rienzis aus dem fünften Akt. War es nun eine hierbei zum erstenmal zutage tretende Bescheidenheit der Stadt Leipzig, welcher eine allzu lebhafte Anerkennung ihres soeben berühmt gewordenen Sohnes als eine Art Selbstlob vorkommen durfte; oder vermeinte das Gewandhaus-Publikum aus Gründen eines durch Mendelssohn veredelten Musikgeschmackes Fragmente aus einem Werke, das soeben in der Nachbarstadt Glück gemacht, mit vornehmer Kühle entgegennehmen zu müssen: genug, der Eindruck der Bruchstücke war gering und namentlich das öffentliche Urteil darüber sehr zurückhaltend. Die ›Neue Zeitschrift für Musik‹ konstatierte das Faktum ›keiner besonderen Wirkung‹ und schob die Schuld verständigerweise auf die Unkenntnis des Zusammenhanges; der Referent der ›eleganten Welt‹ erkannte ein ›edles Streben nach heroischem Ernst‹ an, fand aber gleichwohl die drei Stücke (auf drei dadurch vermehrt, daß der kritische Eifer das den ersten Teil des Konzertes beschließende Duett aus ›Templer und Jüdin‹ ebenfalls für ein Rienzi-Bruchstück hielt) ›etwas trocken und gedankenkarg‹. Eine Erinnerung an diese Leipziger Tage findet sich in einem Brief Mendelssohns vom 28. November, worin er über das stattgehabte, von ihm mit seiner ›Ruy Blas‹-Ouvertüre eingeleitete Konzert und insbesondere die Schröder-Devrient berichtet, sie sei ›wilder und toller als je‹. ›Acht Tage, welche die in einer Stadt zubringt, sind auch nicht die ruhigsten für ihre Bekannten; dazu Tichatschek, Wagner, Döhler, Mühlenfels, – das war die vergangene Woche hindurch ein fortwährendes Leben und Treiben!‹

Während desselben kurzen Leipziger Aufenthaltes trat Wagner, außer mit Mendelssohn und Schumann, auch mit Laube wieder in persönliche Berührung, der soeben im Begriffe stand, aus Gustav Kühnes Händen (S. 249) die Redaktion der bereits früher von ihm herausgegebenen ›Zeitung für die elegante Welt‹ aufs neue zu übernehmen. Sein Interesse für Wagner war vorläufig noch das gleiche geblieben; so mancher zwischen ihm und dem [465] Freunde bestehende grundsätzliche Gegensatz war um diese Zeit, da er Wagner nur erst als Komponisten des ›Rienzi‹ kannte, seinem Bewußtsein noch verhüllt. In einem Briefe vom 11. November, an den Regisseur Moritz in Stuttgart, hatte er aus freien Stücken die Frage eingeschaltet: ›Wäre nicht Wagners Rienzi etwas für Sie?‹9 Für den neuen Jahrgang seiner Zeitschrift suchte er sich (außer Heines ihm dafür von Paris aus zugesandten ›Atta Troll‹) interessante Beiträge zu verschaffen und forderte Wagner auf, ihm für die Eröffnung der neuen Ära des Blattes und im Interesse seines eigenen jungen Ruhmes das Material zu einer ausführlichen Erzählung seines bisherigen Lebens- und Entwickelungsganges zur Verarbeitung zukommen zu lassen Nach Dresden zurückgekehrt (29. November), begann daher Wagner die Proben zum fliegenden Holländer, da dieser, wie gesagt, noch vor Weihnachten in Szene gehen sollte; zugleich aber verfaßte er den bekannten autobiographischen Bericht, dessen leitender Faden sich auch durch unsere vorliegende Darstellung zieht, obgleich ursprünglich bloß als vertrauliche Aufzeichnung gedacht, welche laut Übereinkunft durch Laubes Feder ihre eigentliche Redaktion erhalten sollte. Allein dieser entschloß sich nicht dazu, an die in ihrer einfachen Natürlichkeit mustergültige Erzählung seinerseits unbefugt Hand anzulegen. Er durfte sich in den einleitenden Worten rühmen, den jungen Künstler, auf den seit zwei Monaten aller Augen gerichtet waren, bereits seit zehn Jahren zu kennen. Um sein Antlitz und seine Lebensschicksale dem großen Publikum zu zeigen, habe er ihn um einen Abriß seiner Lebensgeschichte gebeten: ›aber der Pariser Drang hat den Musiker in aller Eile auch zum Schriftsteller gemacht: ich würde die Lebensskizze nur verderben, wenn ich daran ändern wollte‹. So erschien sie wörtlich nach Richard Wagners eigener Abfassung in den Nummern 5 und 6 der Laubeschen Zeitschrift vom 1 und 8. Februar 1843, begleitet von seinem ausdrucksvollen Porträt nach der Zeichnung des treuen Kietz, welches fast zehn Jahre hindurch das einzige Abbild seiner Züge geblieben ist.

Auch ein erneuter Wohnungswechsel fällt noch in denselben Monat November. Aus mehr als einem Grunde sah er sich veranlaßt, sein bisheriges allzu dürftiges Unterkommen in der Waisenhausstraße mit einem etwas günstigeren in der Marienstraße Nr. 9 zu vertauschen. Was ihn aber die nächste Zeit über besonders aufregend in Anspruch nahm, war ein ganz besonderer, unerwarteter Umstand. Das soeben seinem Abschluß sich nähernde Rienzi-Jahr 1842 hatte kurz nacheinander zwei Dirigenten des Hoftheaterorchesters dahinscheiden sehen: zuerst war Webers einstiger Rival, der Kapellmeister Francesco Morlachi10 während einer Erholungsreise in seine italienische [466] Heimat in Innsbruck dem Tode erlegen (28. Oktober); und der Musikdirektor Joseph Rastrelli, der eine Zeit lang seine Stelle vertreten, wenige Wochen darauf (14. November) ihm nachgefolgt. Als daher von der sechsten Aufführung (20. November) ab Richard Wagner selbst mit Zustimmung Reißigers und der Generaldirektion die Leitung seines Werkes übernahm, und Orchester wie Bühnenpersonal nun erst mit doppelter Begeisterung ihrer Aufgabe sich widmeten, gab das Erscheinen des jungen Meisters am Dirigentenpulte alsbald Veranlassung zu hoffnungsvollen Kombinationen des ungewohnten Anblickes mit dem erledigten Posten ›Sogleich blickten aller Augen auf mich als Nachfolger im Amte,‹ so berichtet Wagner selbst bereits unterm 3. Dezember.11 ›Am Hofe sprach man davon und Lüttichau ließ mich ausforschen. Ich liege noch in einem schweren Kampfe: gern bliebe ich natürlich für die nächsten Jahre noch frei. Ich bin jetzt in meinem besten Alter, wo die produktiven Kräfte am frischesten gespannt sind: zwei Sujets zu neuen Opern12 habe ich bereits entworfen; im Laufe von zwei Jahren könnte ich sie komponiert haben, wenn ich frei bliebe. Ich gestehe, daß ich diese Freiheit gern mit dem Opfer einiger Sorgen in pekuniärer Hinsicht erkaufte, und am Ende muß ich jetzt doch darauf rechnen, von meinen beiden fertigen Opern noch manche hübsche Einnahme zu machen. Indeß, wenn ich auch schon jetzt hier und da etwas erschappe, so liegen mir doch auch meine alten Schulden, zumal die Magdeburger, schwer auf dem Halse, und ich sehe noch lange nicht den Zeitpunkt ab, wo ich ohne Geldsorgen sein würde. Ich habe deshalb, und besonders da man mir Vorwürfe machte nicht mit der Sprache herauszurücken, vor einigen Tagen mich frei gegen Lüttichau ausgesprochen und ihm erklärt, daß, trotzdem ich eigentlich gewünscht hätte, noch frei zu bleiben, die Aussicht, ein so außerordentliches Ensemble, wie die Dresdener Oper mir es jetzt bietet, zu meiner Disposition zu erhalten, um mit ihm die höchsten Kunstleistungen zu bereiten, für mich etwas so Verführerisches sei, daß ich leicht meinem früheren Vorsatze entsagen könne: da eine untergeordnete Stellung, wie sie Rastrelli inne hatte, mir diese Aussicht aber nicht biete, so könne ich auch auf den erledigten Platz nicht reflektieren. Hierauf hat mir nun Lüttichau erklärt, daß es sein Wille nicht sei, die Stelle so wieder zu besetzen, wie sie Rastrelli inne hatte; da er in Reißiger, dessen zu großer Schlaffheit und Unbeholfenheit wegen, durchaus nicht mehr das Vertrauen setzen könne, welches nötig sei,13 so beabsichtige er, einen anderen Kapellmeister ihm an die Seite zu setzen, der mit ihm zum mindesten [467] vollkommen gleiche Rechte teile. – Nun stehe ich denn wie Herkules am Scheidewege. Jeder, der bloß mein materielles Wohl im Auge hat, wird mir natürlich zurufen: »Greif zu!« Ist damit aber auch alles abgetan? – –‹

So standen die Dinge um den 3. Dezember herum, – knapp sechs Wochen nach der ersten Aufführung des ›Rienzi‹. Wie sehr hatten sich in dieser kurzen Zeit seine äußeren Verhältnisse geändert! Die ›Holländer‹-Proben nahmen inzwischen ihren Fortgang. Es scheint, daß erst jetzt, unter dem unmittelbaren Eindruck der Inszenierung, kurz vor dem Hervortritt des Werkes an die Öffentlichkeit, die wiederholt von uns erörterte Verlegung der Handlung an die norwegische Küste, statt an die schottische, und die damit verbundene Umbenennung der handelnden Personen sich vollzogen habe, nachdem sie im Geiste des Künstlers wohl schon längst entschieden war.14 Er verschwieg sich nicht, daß die ›Neuheit des Genres‹ seiner Aufnahme Schwierigkeiten bereiten könne. ›Ich gestehe, daß ich mit großer Angst daran ging,‹ schreibt er bald darauf, ›weil diese Oper zu verstehen viel Phantasie nötig und wenig darin für glänzende Effekte getan ist.‹15 Weniger Sorge machte er sich um die Mittel der Aufführung: das Werk erschien ihm unendlich einfacher für die Darstellung, die Anordnung der Szenerie leichter und verständlicher als im Rienzi. Die männliche Hauptpartie hatte er nach seinen eigenen Worten einem Sänger (Michael Wächter) ›fast aufgezwungen‹, der genug Erfahrung und Selbsterkenntnis besaß, um sich der Aufgabe nicht gewachsen zu fühlen, wenngleich er sich soeben noch als Darsteller des Orsini bewährt hatte und bald darauf – gerade in der Partie des Holländers! – durch seine schönen Stimmmittel die besondere Bewunderung des eben anwesenden Berlioz erregte. Die Rolle des Daland war dem Darsteller des Cecco im ›Rienzi‹, Karl Risse, Erik dem frühverstorbenen Reinhold (Baroncelli) übergeben, die kleine Partie der Mary von der Gattin des Holländer-Darstellers, Frau Wächter, übernommen. Vorzüglich baute er auf die Darstellerin der Senta: durfte er doch ihre Rolle der Schröder-Devrient anvertrauen! Ihre eindringliche Gestaltungskraft, ihre genial poetische Auffassung ergriff die ihr gebotene Aufgabe mit so schöpferischer Vollendung, daß ihre Leistung allein die in der Hauptsache mißglückte Vorstellung vor völligem Unverständnis seitens des Publikums rettete, und selbst zur lebhaftesten Begeisterung hinriß.

Die nähere Schilderung seiner persönlichen Beziehungen zu der außerordentlichen Frau, die sich während dieser gemeinsamen Studien von selber ergaben, müssen wir uns für eine andere Gelegenheit versparen.16 Hier sei [468] nur auf den bekannten Ausspruch des Meisters hingewiesen, wonach ihn die entfernteste Berührung mit ihr ›elektrisch getroffen‹, und noch lange Zeit über diesen Verkehr hinaus er ›sie gesehen, gehört und gefühlt habe, wenn ihn der Drang zu künstlerischem Gestalten beseelte.‹ Doch mögen wir dafür jener Schilderung, nach einer besonderen, dort nicht berührten Richtung hin, durch die Anführung eines Zuges vorausgreifen, der in den gegenwärtigen Zusammenhang gehört. Die Verhältnisse des jungen Künstlers, seine sorgen- und entbehrungsreiche Vergangenheit, die mancherlei auf ihm lastenden Verpflichtungen, waren von ihm niemand eigentlich verschwiegen worden: nichtsdestoweniger fand sich unter allen unzähligen Verehrern und Bewunderern seines Genius auch nicht einer, der darauf verfallen wäre, ihm von sich aus eine Erleichterung seiner schwierigen Lage anzutragen. Die Intendanz hatte ihn mit jenen, schon im voraus zum größten Teil verlebten, 300 Talern abgefunden und suchte dafür nicht allein aus seinen Opern, sondern auch aus seiner persönlichen Arbeitskraft in weitestgehender Weise Nutzen zu ziehen; die Dresdener Gesellschaft lud ihn zu sich ins Haus, um mit seiner Anwesenheit bei ihren Diners und Gastereien zu prunken; niemand aber geriet auf das Nächstliegende, Einfachste: ihm auch nur tausend Taler bares Geld auf sein ehrliches Gesicht hin anzubieten, und auf das Versprechen hin, sobald er einmal in guten Umständen sein werde, die Schuld wiederzuzahlen. Und in der Tat, seine Verpflichtungen waren drückend genug und zwar in dem Maße mehr, als jetzt sein Name mit einem Schlage weithin genannt war. Kaum, daß sein Rienzi wie eine geharnischte Minerva plötzlich unter die freudig überraschte und bewundernde Menge getreten war, so rührten sich, weit außer den Grenzen der sächsischen Residenz, in Magdeburg, Königsberg und Riga die unbefriedigt zurückgelassenen Kreditoren, um sich, in mancherlei Tonarten ihrer Forderungen, gleichzeitig einmütig auf ihn zu stürzen, als wäre er durch seinen ersten errungenen Erfolg sogleich in den Besitz aller Schätze Golkondas gelangt. Das war für den armen jungen Meister in der Tat eine verhängnisvolle Zugabe seiner plötzlichen ›Berühmtheit‹! Besonders plagten ihn seine alten Magdeburger Gläubiger: ›sie quälen mich bis aufs Blut und drohen alle Augenblicke, mich in meiner jetzigen ehrenvollen Stellung zu kompromittieren. Wollte ich ihnen alles bezahlen, was sie verlangen, mit Kosten und Zinsen, so hätten sie 657 Taler zu fordern.‹17 Wirklich hat sich späterhin unter manchen anderen, einer sensationslüsternen Öffentlichkeit vorgelegten ›Autographen‹ aus dieser Periode auch der vollständige Entwurf eines Briefes aufgefunden, die sukzessive Rückzahlung eines Kapitals von 600 Talern nebst inzwischen aufgelaufenen Zinsen betreffend!18 Was niemand ihm antrug, [469] das tat aber die Devrient, und nicht ergreifender kann darüber berichtet werden, als es Wagner selbst in dem ebenerwähnten vertraulichen Briefe tut. ›Sie lernte,‹ so sagt er, ›meine Verhältnisse, meine Verpflichtungen, meine Schulden kennen und bot mir ganz von selbst zu wiederholten Malen 1000 Taler an, bis ich endlich sie annahm. Es ist außerordentlich, – und ich gestehe, selbst wenn dies nicht so wäre, so achte und verehre ich sie grenzenlos; sie ist eine wahrhaft edle, hochherzige Frau. Auch Minna hat sie sehr in ihr Herz geschlossen: zu Weihnachten bescherte sie uns: Minna ist wirklich luxuriös von ihr beschenkt worden: alles, was sie sich nur wünschen konnte, erhielt sie.‹19

Die erste Aufführung des ›fliegenden Holländers‹ fand, nach vierwöchentlicher Vorbereitung, in den ersten Tagen des neuen Jahres, am Montag, den 2. Januar 1843 statt. Daß sie, bis auf die einzige Leistung der Schröder, künstlerisch verfehlt war,20 daß sie das Publikum in Wahrheit enttäuschte und unbefriedigt ließ, war allerdings aus der Art ihrer Aufnahme durchaus nicht zu entnehmen. Diese war vielmehr dem äußeren Anschein nach nur ein neuer Triumph, und es konnte dem Schöpfer des Werkes daraus nicht zum Bewußtsein gelangen, ob letzteres, etwa infolge der unvermeidlichen Mängel seiner Wiedergabe, bei den Hörern unverstanden geblieben war oder – über all diese Mängel hinweg – (war doch auch die Vorführung des ›Rienzi‹ im strengeren Sinne von absoluter Vollkommenheit weit entfernt gewesen!) ihr Innerstes getroffen hatte. Schon die Ouvertüre ward mit Beifall aufgenommen, der erste Akt erregte die rechte Spannung auf das Folgende. Der zweite Aufzug, der Hauptakt der Schröder-Devrient, war zumal durch ihr tief ergreifendes Spiel von unbeschreiblichem Eindruck: ›die Devrient leistete in dieser Partie vielleicht das Originellste, was sie je produziert; die Wirkung war außerordentlich; die Leute wurden bald warm, bald kalt vor Schauern der Ergriffenheit.‹21 Am Schlusse des Aktes erhob sich im ganzen Hause ein Sturm sondergleichen Komponist und Sänger mußten dem Rufe des Publikums Folge leisten und auf der Bühne erscheinen. Zu glücklicher Steigerung war dann der dritte Akt mit dem tollen Spuk des Geisterschiffes und der darauf folgenden reißend schnellen Entwickelung der Katastrophe der dramatisch lebendigste und erweckte nach dem Fallen des [470] Vorhanges einen nicht minder stürmischen Jubel und Hervorruf Aller. Schnell aufeinander folgten die nächsten beiden Wiederholungen im Laufe derselben Woche (die dritte Aufführung fiel auf Sonntag, den 9. Januar) und noch sicherer und tiefer begründet schien der Erfolg, der sich in ebenso lebhaftem Beifall äußerte, da das Publikum nun mit manchem, beim ersten Totaleindruck übersehenen Einzelnen noch vertrauter geworden sein mußte.

Am Tage nach der dritten Aufführung hatte Wagner Gelegenheit, sich gegen einen Berliner Kunstfreund, den Hofrat Joh. Ph. S. Schmidt, der ihn sich durch Übersendung einer wohlwollenden Notiz in der Spenerschen Zeitung verpflichtet und den Wunsch ausgesprochen hatte, durch ihn selbst Bericht über den Erfolg des ›fliegenden Holländers‹ zu erhalten, brieflich über diesen Gegenstand auszulassen. Hier stimmt sein eigenes Urteil über die Aufnahme und den Wert dieser Aufnahme noch ganz mit den gleichzeitigen öffentlichen Nachrichten überein. ›Ich machte mich darauf gefaßt,‹ heißt es in diesem Briefe, ›daß das Publikum sich erst nach mehreren Vorstellungen mit dem, was ich biete, würde befreunden können. Desto freudiger wurde ich überrascht, als ich durch den glänzenden Erfolg schon der ersten Aufführung versichert wurde, es sei mir gelungen, das Publikum sogleich für mich zu gewinnen.‹ ›Ich gestehe,‹ fügt er hinzu, ›daß ich auf diesen Erfolg stolzer bin, als auf den des Rienzi, da ich in dieser letzteren Oper bei weitem mehr äußere Mittel zu Hülfe gerufen habe, das Ganze auch mehr unseren heutigen Begriffen von einer großen Oper angepaßt ist‹. Zur rechten Würdigung des scheinbar günstigen Tatbestandes bedurfte es erst der Perspektive weiterer künstlerischer Erfahrungen. Daß ein Werk, welches durchaus Beifall gefunden, ohne irgend einen ersichtlichen, und sogar ohne irgend einen vorgeschobenen Grund, so bald nach den ersten Vorstellungen vom Repertoire einer Bühne, deren Kapellmeister er selbst in eben diesen Tagen wurde, verschwinden könnte, daß die nach kurzer Unterbrechung erfolgende vierte Dresdener Aufführung zugleich auf lange Zeit hinaus die letzte sein, die fünfte aber in der Tat erst nach zweiundzwanzigjähriger Pause (i. J. 1865) stattfinden sollte,22 – das konnte er freilich bei der Abgabe seines obigen Urteiles nicht ahnen! ›Daß es mir,‹ schreibt er brieflich zehn Jahre später ›bei meiner sechsjährigen königlichen Kapellmeisterschaft nicht gelingen wollte, diese Oper (mit Mitterwurzer etc.) wieder heraus und zu Ehren zu bringen, wird auch nur Der begreifen, der sich überhaupt von einem Dresdener Hoftheater einen Begriff machen kann.‹

[471] Mögen wir immerhin, was die Haltung des Publikums gegenüber dem neuen Werke anbetrifft, uns noch so sehr von der Annahme leiten lassen, an der so ungemein beifälligen Begrüßung desselben habe die durchschlagende Wirkung des ›Rienzi‹ und die in ihr begründete entschiedene Sympathie für den Autor einen wesentlichen Anteil gehabt, so können wir es uns doch andererseits unmöglich verhehlen, daß eben diese Wirkung der vorausgegangenen glänzenderen Erscheinung dem düster bleichen Nachfolger des römischen Volkstribunen am meisten im Wege stand. Zu gewaltig war der Abstand beider Werke voneinander; zu sehr waren die Erwartungen des Publikums auf etwas dem Rienzi Ähnliches gerichtet gewesen und fanden nun etwas ihm geradezu Entgegengesetztes. In besonders lebhafter Weise trat dieses Gefühl der Enttäuschung dem jungen Meister in rein persönlichen Erfahrungen und Kundgebungen entgegen. Wie gerade sein Holländer ihm in der Folge die nachhaltigste tiefe Ergebenheit solcher Personen zuführte, die, durch das Erlebnis seiner szenischen Erscheinung im Innersten ergriffen, ein für allemal für seinen Schöpfer gewonnen waren, so verlor er dafür bei manchen bisherigen Freunden ganz ersichtlich an bereits besessenem Terrain. Am auffälligsten ward ihm dies an der Haltung seines alten Freundes Heinrich Laube, dessen einseitige Vorliebe für den Rienzi ihn, bei allem sonst bewahrten allgemeinen Wohlwollen, vom Erscheinen des fliegenden Holländers ab in eine wachsende Entfremdung gegen dessen Urheber geraten ließ. Wagner hatte ihn eingeladen, einer der ersten Vorstellungen beizuwohnen. ›Ich kam, sah und hörte,‹ erzählt später Laube selbst, ›und konnte mich nicht dem Enthusiastenkreise anschließen, welcher sich zu bilden begann; ich fand alles in der Oper gespenstisch bleich. Das bedeutete nicht viel, ich bin ja kein Musiker; aber Wagner ging ein auf meine Opposition seines Systems, welches er nachdrücklich aufstellte und welches mir nicht einleuchtete. Unser Streit bewegte sich nicht um musikalische Fragen, sondern um allgemeine ästhetische Punkte, vermittelst deren ich sein Grundprinzip angriff: ich behauptete hartnäckig, er wolle nur das, was er selbst könne, zum allgemeinen Gesetze erheben. Bis spät in die Nacht sind wir damals auf der Zwingerstraße auf und nieder geschritten und haben disputiert, – er war ein sehr gewandter, ausgiebiger Streiter.‹ Bekanntlich ist der eben hervorgehobene Satz die sich gleichbleibende, sehr wohl in der Umkehrung auf Laube selbst und sein einseitig enges Bestreben anwendbare, dürftige Formel, mit welcher sich der Bewunderer des ›Liebesverbotes‹ und des ›Rienzi‹ bis in die späteste Zeit hinein gegen das neue große Kunstideal aufzulehnen vermaß! – Insbesondere scheint dann allerdings auch der Widerstand der Dresdener Lokalkritik, und ihr Einfluß zunächst auf die dadurch eingeschüchterte Intendanz, sodann aber auch auf das so leicht zu bestimmende Urteil der Öffentlichkeit für das Schicksal des fliegenden Holländers ausschlaggebend gewesen zu sein. [472] Man klagte über Kargheit an behaltbaren und befriedigenden Melodieen, sowie über die zu starke Instrumentierung, welche man nachträglich auch dem Rienzi zum Vorwurf zu machen begann. Zwar den aufmerksamen Hörer fesselnd und zu wiederholtem Genusse einladend, sei die Musik doch zu anhaltend düster, mehr gelehrt als ansprechend, und was dergleichen Ausstellungen mehr waren. Der Künstler selbst war verstimmt genug, um zu schweigen und sein mißverstandenes Werk unverteidigt zu lassen. Seine Freunde waren über den Mißerfolg betreten und es lag ihnen fast daran, den Eindruck des Holländers sich selbst und dem Publikum durch eine desto feurigere Wiederaufnahme des ›Rienzi‹ zu verwischen. Dieser wurde im Jahre 1843, um ohne Kürzungen in Szene gehen zu können, mehrmals an zwei aufeinanderfolgenden Abenden aufgeführt: am ersten Abend gab man die beiden ersten Aufzüge unter dem Titel: ›Rienzis Größe‹, am zweiten die drei folgenden Akte unter dem Titel: ›Rienzis Fall‹.23 Schon am 5. Januar macht Wagner darüber in einem Brief an Cäcilie die erste vorläufige Mitteilung: ›Rienzi soll nun, in zwei Hälften geteilt, an zwei Abenden gegeben werden, weil der Länge wegen zu viel hat wegbleiben müssen, was nun alles wiederhergestellt werden soll, um dem Publikum nichts zu entziehen. Schließt daraus, ob die Oper gefällt!‹ An den Autor trat somit die Forderung heran, alle von ihm selbst angebrachten Striche und Kürzungen mit ebensoviel Mühe wieder, ›aufzumachen‹, somit eine zwiefache Partitur seines Werkes für vollständige und verkürzte Aufführungen, nebst dazu gehörigem Stimmenmaterial für Sänger, Chor und Orchester, unter seinen Augen herstellen zu lassen. Auf diese Art wurde die Oper nun wieder ohne Streichungen gegeben: Sänger und Hörer blieben von Anfang bis Ende frisch, und das an sich gewagte Unternehmen, einem Publikum das an zwei Abenden zu bieten, was es sonst an einem Abend genoß, reüssierte vollkommen. An beiden Abenden war das Haus gedrängt voll. Man begreift die aus solchen Erfahrungen hervorgehende Stimmung, in welcher er unbedenklich das zunächst Erfolgreiche vorziehen und sich mit den Hoffnungen schmeicheln mußte, die sich ihm so unerwartet darboten. ›Nach langem Ringen in den kleinlichsten Verhältnissen, nach härtestem Kämpfen, Leiden und Entsagen unter dem lieblosen Pariser Kunst- und Lebensgetriebe, befand ich mich schnell in einer anerkennenden, fördernden, oft liebevoll entgegenkommenden Umgebung. Wie verzeihlich, wenn ich begann, mich Täuschungen zu überlassen, aus denen ich doch mit schmerzlicher Empfindung wieder erwachen mußte!‹

In dieselben ersten Tage des Januars 1843, welche die ersten drei Aufführungen [473] des ›fliegenden Holländers‹ zutage gefördert hatten, fallen die immer drängender an ihn herantretenden Unterhandlungen wegen seiner bevorstehenden Ernennung zum kgl. sächsischen Kapellmeister. Der Erledigung zweier Dirigentenposten am Hoftheater durch zwei kurz nacheinander erfolgte Todesfälle (Morlachi und Rastrelli) ward bereits gedacht, nicht minder der im Publikum, wie bei der Intendanz sofort auftauchenden Kombination, ihn für eine der freigewordenen Stellungen zu gewinnen und damit dem Dresdener Theater eine künstlerische Kraft von ungewöhnlicher Bedeutung zuzuführen. Wir haben aber auch gesehen, wie sich der junge Meister dazu stellte. In den sechs Wochen seit dem Tode Rastrellis war die Angelegenheit von beiden Seiten her nach allen Richtungen wohl erwogen Zwar war von außen her eine ganze Hochflut von Bewerbungen im Büreau des Intendanten eingelaufen24; doch war dem Scharfblick des Herrn von Lüttichau der Vorzug einer Gewinnung Wagners für das Interesse des seiner Leitung anvertrauten Institutes nicht entgangen. Er hielt von Hause aus sein Augenmerk fest auf ihn gerichtet; nur hätte er es gern gesehen, wenn es ihm geglückt wäre, den jüngeren Musiker an Rastrellis Statt in die untergeordnete Musikdirektorstellung hineinzudrängen. Neben Wagner soll er hauptsächlich nur noch Gläser in Betracht gezogen haben.25 So vortrefflich dies alles geplant war, so geschäftsmäßig klug sich dabei die Intendanz darauf bedacht zeigte, den größtmöglichen Gewinn mit dem geringsten Einsatz zu erzielen: so begegnete doch der Wunsch einer dauernden Fesselung des jungen Meisters an eine Dresdener Funktion in diesem selbst einer nicht leicht zu unterdrückenden inneren Abneigung. Sein unaustilgbarer Unabhängigkeitstrieb fand, selbst unter dem Einfluß der zuletzt gewonnenen erhebenden Eindrücke, an manchen dabei gemachten Beobachtungen eine nur zu wirksame Nahrung, und seine bereits gefestigten Einsichten in das Wesen modern theatralischer Kunstübung eine neue Bestätigung. ›Meine frühesten, dann meine Pariser, und endlich selbst meine bereits in Dresden gemachten Erfahrungen, hatten mich nicht mehr im Unklaren über den wirklichen Charakter unserer ganzen öffentlichen Kunstzustände, namentlich auch, soweit sie von unseren Kunstinstituten selbst ausgehen, [474] gelassen; mein Widerwille, mit ihnen mich anders einzulassen, als höchstens die mir nötige Aufführung meiner Opern es erforderte, war schon zu großer Stärke in mir gediehen.‹ Sich von neuem an den Dienst dieses Kunstlebens binden, – hieß das nicht, seine edle Freiheit verlieren, sie gegen einen augenblicklichen Vorteil verkaufen? Unverhohlen äußerte er diese Bedenken gegen seine näheren Freunde. Wie natürlich, daß sie ihn darin nicht zu begreifen vermochten! Er konnte ihnen selbst nur diese innere Abneigung, nicht aber vom Gesichtspunkte des praktischen Verstandes begreifliche Gründe derselben ausdrücken. Einzig die Laubesche Zeitung sprach bei dieser Gelegenheit die eigene Empfindung des jungen Künstlers als öffentliche Ansicht aus: ›es dürfte wohl nicht wünschenswert sein, eine solche produktive Fähigkeit in die zeitraubende Aufgabe des Einstudierens und Einprobierens verwickelt zu sehen‹.26 Der Rückblick auf seine bisherigen zerrütteten, kummervollen äußeren Verhältnisse, die von nun an sicher geordnet werden sollten, und die Annahme, bei der gewonnenen, ihm so günstigen Stimmung der Umgebung und namentlich des bestechend schönen Bestandes der vorhandenen Mittel jedenfalls viel Gutes für die Kunst zutage fördern zu können, bekämpften siegreich die abmahnende Stimme in seinem Innern.

Dies waren die beiderseitigen Voraussetzungen für die in den ersten Tagen des neuen Jahres 1843 gepflogenen mündlichen und schriftlichen Verhandlungen. Am 5. Januar Vormittags, nach der tags zuvor stattgehabten, äußerlich so erfolgreichen zweiten ›Holländer‹-Aufführung, hatte er die erste eingehende Besprechung mit Lüttichau, deren Verlauf ihn unwillkürlich dazu drängte, den ihm gemachten Vorschlägen kein weiteres Hindernis entgegenzusetzen, selbst nicht den seltsamen Modalitäten einer althergebrachten Dresdener Tradition, welcher selbst Weber sich, noch hatte fügen müssen, wonach der endgültigen Anstellung noch ein einjähriges Provisorium, als Probejahr vorausgehen sollte Bereits von demselben Tage datiert ist aber ein ausführliches Schreiben Wagners an Lüttichau, worin er die Gründe auseinandersetzt, welche ihn dazu bestimmen, die ihm angetragene provisorische Anstellung auf Probe unter keiner Bedingung annehmen zu können, sollte er sich damit auch ›sehr möglicher Weise die Aussicht auf eines der ehrenvollsten Ämter für jetzt verschließen‹. ›Erlauben mir Ew. Exz.,‹ so heißt es in dieser Zuschrift, ›ganz offenherzig meine wahre Meinung auszusprechen, so erachte ich es für Schuldigkeit, hier zu erklären, daß ich die künstlerische Disziplin der kgl. Kapelle zu dieser Zeit in einem durchaus nicht befriedigenden Zustande gefunden habe, daß ich zumal in den letzten Jahren durch näheres Bekanntwerden mit den Leistungen der bedeutenderen Pariser Orchester einen [475] so großen Begriff von dem erhalten habe, was so ausgezeichnete Kräfte, wie sie die kgl. Kapelle in sich schließt, zu produzieren imstande sind, daß es mir meiner ganzen Natur nach unmöglich sein würde, mit dem Antritt meiner Funktionen, möge mir ein Titel beigelegt werden, wie er wolle, meine gewonnenen Ansichten und Erfahrungen nicht zur Tat zu machen. Das würde ich aber bei dem jetzigen Zustande der kgl. Kapelle nicht bloß durch Mitteilung meiner Ansichten, sondern namentlich durch tief in die Organisation derselben eingreifende Maßregeln, auf deren Festhalten ich bestehen müßte, zu bewirken imstande sein. Um in diesem letzteren, höchst wichtigen Punkte mit Erfolg auftreten zu können, bedarf ich durchaus der Autorität im vollen Sinne des Wortes, ich bedarf des unbedingt ausgesprochenen Vertrauens, das man höhererseits in mich setzt. Sollte ich nun aber zunächst der kgl Kapelle in einer Stellung entgegentreten, die ihr selbst mehr oder weniger die Freiheit und das Recht zugestände, ihre mehr oder weniger parteiliche oder unparteiliche Stimme über mich abzugeben, so würde ich von vornherein nur gelähmt und befangen auftreten können; in diesem einen Jahre aber, in welchem ich den Grund zu meinen späteren Leistungen zu legen hätte, würde ich ein für allemal die richtige Stellung verlieren, ohne die unter den jetzigen Umständen Niemand dem Ew. Exz. untergebenen Institute von gründlichem Nutzen sein könnte.‹

In welchem Maße er bei Abgabe dieses seines Ultimatums wiederum einzig von den ihn beseelenden künstlerischen Grundsätzen sich leiten ließ, wie sehr ihm auch hier jede Rücksicht auf sein persönliches bürgerliches Wohlergehen hinter die Überzeugung zurücktrat, – das kann uns nur dann vollkommen deutlich werden, wenn wir uns auf Grund gleichzeitiger Dokumente die großen Schwierigkeiten lebhaft vergegenwärtigen, mit denen er – nach hartem Ringen endlich des ersten Sonnenstrahls einer ermutigenden öffentlichen Anerkennung teilhaft geworden – hinsichtlich der materiellen Grundlage seiner Existenz sich immer noch durch die empfindlichsten Unzulänglichkeiten hindurchzuschlagen hatte. Selbst die tausend Taler der Schröder-Devrient sicherten ihm doch noch in keiner Weise die Existenz; sie gingen nach Berichtigung der Magdeburger und Pariser Schuldforderungen vollständig auf, und es blieb nichts davon für ihn übrig. Ganz besonders ergreifend wirkt auf uns unter diesen Umständen ein noch am Tage der zweiten Aufführung des ›fliegenden Holländers‹ (also gerade am Vorabend des obigen, durch persönliche Rücksichten so ganz unbestochenen Bescheides an Lüttichau) geschriebener Begleitbrief an einen dieser Magdeburger Gläubiger, dem er auf dessen an ihn ergangene Bitte den Betrag einer alten Forderung für geleistete Kopiaturen beifügt,27 – unwillkürlich kommen Einem dabei die in Eile ausgeschriebenen [476] Stimmen des ›Liebesverbotes‹ (S. 250) und die verunglückte Benefizvorstellung in den Sinn, welche deren Bezahlung unmöglich machte! Mögen diese Anführungen zur Kennzeichnung der äußeren Situation genügen, aus welcher, fast an dem gleichen Tage, die beiden einander ergänzenden Schriftstücke an Lüttichau und an den biederen Magdeburger Notenabschreiber und Kontrabassisten hervorgingen, die uns so recht das lebendige Bild des Meisters mit dem in allen Lebenslagen sich gleichbleibenden ›Indelebile des Charakters‹ vergegenwärtigen! Nach unten hin leutselig, teilnehmend, dankbar, nach oben hin unbeugsam in seinen Überzeugungen, und zu deren Bekräftigung – selbst in ungeschützter Stellung – in eigener opferwilliger Entsagung stets das Beispiel gebend!

Wurde ihm nun in der Tat auf seine bestimmte Erklärung hin – zum ersten Male in den Annalen des königl. Hoftheaters zu Dresden! – das althergebrachte Probejahr erlassen, so hatte er andererseits gegen die nach der gleichen hergebrachten Tradition ihm zugemutete äußerliche Formalität einer von ihm abzulegenden offiziellen Probevorstellung nichts Ernstliches weiter einzuwenden. Er hatte sich für diesen Zweck die Vorführung von Webers ›Euryanthe‹ ausersehen Gleich bezeichnend für seine Wahl war es, daß es eine Oper Webers und daß es gerade dieses Werk war, an welche sein eigenes Schaffen in so mancher Hinsicht anknüpft. Wo Weber geendigt, wollte er in jeder Beziehung den Anfang machen; stand er nun doch eben im Begriffe, sich dauernd an den Platz des schwärmerisch geliebten Vorbildes seiner Jugend zu stellen! Die Vorstellung fand am Dienstag, den 10. Jan., zwei Tage nach der dritten Aufführung des ›fliegenden Holländers‹ statt. Eine definitive Anstellung war damit noch nicht erfolgt; seine bisherigen Verhandlungen mit Lüttichau hatten noch keine bindende Kraft. Die letzte Entscheidung stand, auf den Vortrag seines Intendanten, dem Könige zu, [477] und wegen des mit der Kapellmeisterfunktion verbundenen Kirchendienstes hatte selbst der Bischof noch ein Wort mitzureden. Das einzige Mittel zur Versöhnung dieses letzteren, mit seinen Ansprüchen nicht zu übergehenden, geistlichen Würdenträgers mit Wagners Anstellung war die ihm eröffnete bestimmte Aussicht, neben den beiden Protestanten (Reißiger und Wagner) wenigstens einen katholischen Musikdirektor zu wählen. Auch war noch ein Mitbewerber um die Kapellmeisterfunktion persönlich in Dresden eingetroffen und hatte, neben dem jungen Meister, das Vorrecht bewilligt erhalten, ebenfalls eine Probevorstellung zu dirigieren: ob es dazu kam, ist uns nicht bekannt geworden. Dies war Louis Schindelmeißer, den er vor Jahren in Leipzig im Hause seines Stiefbruders Dorn zuerst kennen gelernt Ihrem freundschaftlichen Verhältnis tat die gegenwärtige Konkurrenz28 für die Folgezeit keinen Abbruch; doch scheint sie zunächst immerhin eine gewisse Entfremdung zwischen beiden bewirkt zu haben, und an dieser Verstimmung die Doppelzüngigkeit – Reißigers nicht ganz ohne Schuld gewesen zu sein!29

Unmittelbar nach abgelegter Probeleistung begab er sich, den letzten Gebrauch von seiner Freiheit machend, noch einmal auf wenige Tage nach Berlin, wohin er sein Eintreffen bereits in einem Briefe vom 9. Januar signalisiert hatte. Es galt hier in persönlicher Rücksprache mit dem neuen Intendanten Herrn von Küstner das Mögliche für eine beschleunigte Aufführung des ›fliegenden Holländers‹ zu erwirken Obgleich die Oper hier schon seit länger als einem Jahre zur Aufführung angenommen war, sollte indes noch geraume Zeit vergehen, bis ihre dortige Darstellung wirklich zustande kam. Vorläufig erhielt er eine Zusage für Ende März des laufenden Jahres. Sein für diesmal nur ganz kurzer Aufenthalt in der preußischen Residenz war somit ohne eigentlichen Gewinn, wenn nicht den einer verstärkten Einsicht in die hoffnungslose Zerfahrenheit der dortigen Verhältnisse. ›Dort liegt Alles sehr im Argen,‹ schreibt er bald darauf in einem Briefe an R. Schumann, ›und ich habe die Überzeugung gewonnen, daß dort nie etwas Erhebliches für die Kunst erblühen wird. Die Demoralisation kommt von oben; Alles ist halb, halb! Mich hats angeekelt.‹ Gegen Ende Januar war seine Wahl entschieden. Lüttichau hatte ihn, in Berücksichtigung seiner bereits mehrfach geleisteten Dienste, für einen sofortigen Eintritt in die neue Stellung (vom 1. Februar ab gerechnet) empfohlen, obwohl das Gnadengehalt der Witwe des bisherigen Funktionärs noch bis zum Mai ausgezahlt werden mußte. ›So sehr ich mich,‹ heißt es in dem eben angeführten Briefe an[478] Schumann (vom 27. Januar), mit welchem er diesem die Partitur des Holländers auf einige Tage zur Durchsicht übersendet, ›so sehr ich mich anfänglich von aller Bewerbung um die durch Rastrellis Tod leer gewordene Musikdirektorstelle fern hielt, so wenig konnte ich endlich den mir gemachten außerordentlichen Anerbietungen widerstreben: ich werde Kapellmeister mit vollem Gehalt, wie es Morlachi war, und genieße außerdem die Vergünstigung, sogleich als wirklicher Kapellmeister einzutreten, während zuvor jeder Kapellmeister, Weber selbst, anfänglich ein Jahr als Musikdirektor mit geringerem Gehalt dienen mußte‹.

Eine durch die Umstände ihm aufgenötigte, nicht ganz unbewußte Selbsttäuschung wurde mit dieser Entscheidung der Anlaß zu einer neuen leidenvollen Entwickelung seines menschlich-künstlerischen Wesens. ›Daß nicht der Kunst, wie ich sie erkennen gelernt hatte, sondern einem durchaus anderen, nur mit dem künstlerischen Anschein sich schmückenden Interesse in den Erscheinungen unseres öffentlichen Kunstlebens gedient wird, war gerade mir zur bestimmtesten Einsicht gekommen. Das Innewerden der hohen Meinung, die man gewohnter Weise von einer solchen Stellung hegt; der Glanz, in dem meine Beförderung zu ihr Andern erschien, blendeten auch mich endlich, einen außerordentlichen Glücksfall in dem zu ersehen, was sehr bald die Quelle eines zehrenden Leidens für mich werden sollte. Ich ward – froh und freudig! – Königlicher Kapellmeister.‹

Fußnoten

1 Ferd. Heine an E. Kietz, 24. November 1842.


2 Briefliche Mitteilung von Gustav Kietz an den Verfasser.


3 ›Der einfach ergreifende Schluß des 4. Aktes,‹ schreibt Heine, ›hinterließ eine förmliche Stille, vor der ich ordentlich erschrak; im 5. wieder neuer Lärm und endlich ein Strampeln, Klatschen, Hervorrufen Wagners, wie es mir in Wahrheit noch nicht vorgekommen ist. Und denke Dir, die Oper wurde erst 1/4 auf 12 Uhr aus! Und nirgends hörte ich Klagen über Langeweile, und Niemand verließ seinen Platz vor Ende der Oper, – kurz: die Dresdener waren nicht mehr Dresdener‹ (brieflich an E. Kietz, 24. Oktober 1842).


4 Es ist damit eine sein ausgeführte geniale Charge von Kietz in Groß-Folio gemeint, die sich von jener ersten Pariser Leidenszeit im Besitz des Meisters erhalten hat und noch heute in Wahnfried aufbewahrt wird: sie stellt – in Vorausnahme seiner zukünftigen Triumphe – den jungen Meister an der Spitze eines Orchesters in einem üppigen Opernhause (etwa gar dem Pariser) dar; die deutlich durchgeführten Gestalten der Logeninhaber zeigen in köstlichem Humor in Physiognomie und Geberde den Ausdruck der Erregung lebhaftester Beifallskundgebungen. So bewahrt sie für ferne Zeiten die Erinnerung an jene humorvollen Abende in Wagners Wohnung in der Pariser Periode der höchsten Not.A1 Als Wagner sie bei seiner ersten Ankunft in Dresden Heine gezeigt hatte, begrüßte sie dieser ›mit einem wahren Halloh‹ (an Avenarius, 3. Mai 1842).


5 Die wörtliche Festhaltung dieses allernatürlichsten und ungezwungensten Beriemes, den Wagner dreißig Jahre später, gelegentlich eines am 15. Jan. 1873 in Dresden auf dem Belvedere ihm gegebenen Banketts, bei dem auch Tichatschek anwesend war, in einer Tischrede mündlich gab, verdanken wir dem früheren kgl. Stenographen Dr. Bierey. Übereinstimmend damit schrieb der Berichterstatter für Schumanns ›Neue Zeitschrift für Musik‹: ›Ich sage es aus inniger Überzeugung: Schade um jeden Takt, der herausgenommen werden muß. Zu meiner und vieler Musikfreunde Beruhigung im Interesse des jungen Komponisten höre ich eben, daß derselbe für die nächste Vorstellung viele Abkürzungen vorgenommen hat; eigentümlich und zugleich schmeichelhaft für Wagner ist es aber, daß diese Kürzung bei den Sängern selbst Widerstand finden soll‹. (N. Z. f. M. 1842, II Nr. 36).


6 Brief an Eduard und Cäcilie Avenarius vom 6. Nov. 1842.


7 Ebendaselbst.


8 Tatsächlich ging diese aber erst am 15. Oktober 1845 über die Berliner Bühne!


9 W. Tappert, ›Richard Wagner. Sein Leben und seine Werke‹, 1883, S. 21.


10 Vgl. S. 67/69 des vorliegenden Bandes.


11 Brieflich an Albert Wagner.


12 ›Die Sarazenin‹ (S. 430) und ›Tannhäuser‹ (S. 431).


13 ›Reißiger ist so sehr zur Null herabgesunken, daß seine Wirksamkeit für gar nichts mehr erachtet werden kann‹, heißt es in demselben Zusammenhang auch in einem Brief an Cäcilie vom 5. Januar 1843.


14 Daß er noch in seinem, von uns erwähnten Teplitzer Brief an Küstner vom 14. Juni gelegentlich der Berliner Rollenbesetzung an den früheren Bezeichnungen festhielt, kann nicht dagegen angeführt werden; natürlich konnte er bei dieser Gelegenheit, ohne ein Mißverständnis zu veranlassen, die Personen seines Stückes nicht anders benennen, als dies in der Partitur geschehen war.


15 An Cäcilie, 5. Januar 1843.


16 Band II des vorliegenden Werkes S. 13/16.


17 Brieflich an die Schwester Cäcilie, 5. Januar 1843.


18 Autographenkatalog von Leo Liepmannssohn, März 1891.


19 Brieflich an Cäcilie, 5. Januar 1843.


20 Über die szenische Beschaffenheit dieser Aufführung äußert sich Wagner zehn Jahre später in einer vertraulichen Mitteilung an den alten Freund Fischer. ›Wenn ich daran denke, was der phantasievolle Dresdener Maschinist Hänel auf seiner herrlichen Bühne für eine grenzenlos unbeholfene und lederne Vorstellung vom fliegenden Holländer damals zutage förderte, so faßt mich jetzt nachträglich noch Ingrimm. Herrn Wächters und Risses geniale Leistungen sind mir auch noch in getreuem Gedächtnisse!‹ (Briefe an Uhlig, Fischer, Heine, S. 297.)


21 ›Neue Zeitschrift für Musik‹, Dresdener Korrespondenz vom 3. Januar 1843.


22 Von da ab hat sich der ›fliegende Holländer‹ auf der Dresdener Bühne, in gleicher Weise wie auf den übrigen deutschen Theatern, ohne weitere Unterbrechung dauernd behauptet. Seine wahrhafte künstlerische Verklärung erhielt er aber erst durch die einzig dastehende, vorbildliche Inszenierung, die ihm in den Jahren 1901 und 1902 auf der Bayreuther Bühne durch Siegfried Wagner zuteil geworden ist!


23 Die Theaterzettel von zwei dieser geteilten Aufführungen des ›Rienzi‹ vom 28. und 29. März 1843 finden sich in verkleinerter Reproduktion in W. Kienzls illustriertem Wagner-Buch (1904) nach den Originalien aus dem ›musikhistorischen Museum‹ des Herrn F. Nikolas Manskopff in Frankfurt a. M.


24 Zu diesen Bewerbungen gehörten u. A. die von Wagners Jugendfreund Louis Schindelmeißer, dem Stiefbruder H. Dorns; des Kapellmeisters Gläser, des Komponisten der bekannten Oper: ›Adlers Horst‹, Wagner von seinem Berliner Aufenthalt 1836 wohlbekannt (S. 265 ff.), damals in Kopenhagen; des Musikdirektors Louis Schuberth, Wagners Königsberger Kollegen wenig erfreulichen Angedenkens (S. 269, 274), damals in HamburgA2; ferner des Kapellmeisters Reuling in Wien, der Gebrüder Ricci in Venedig, der Musikdirektoren Skraup in Prag, Stein in Freiberg, August Röckel und Eberwein, beide in Weimar, u. a. m.


25 R. Prölß, Geschichte des Hoftheaters zu Dresden, S. 536.


26 ›Zeitung für die elegante Welt‹ 1843, Nr. 1 (4. Januar).


27 Dieser Brief, gerichtet an den Kontrabassisten der Magdeburger Theaterkapelle, Morath, ist mehrfach in Zeitungen und Zeitschriften zum unberufenen Abdruck gelangt, wobei er durch den völligen Mangel an Zusammenhang leider unverständlich bleiben mußte. Möge er an dieser Stelle, mit seiner dankbaren Herzlichkeit, ein besseres Verständnis finden. Er lautet: ›Dresden, 4. Januar 1843. Mein bester Herr Morath, ich habe Sie lange warten lassen, und ich muß gestehen, daß es mir stets im innersten Herzen wehe getan, so oft ich Ihrer gedachte, und mich immer doch in der entschiedenen Unmöglichkeit sah, Sie bezahlen zu können. Meine jetzigen besseren Aussichten habe ich mir nur mit den größten Opfern von der Welt erringen können; ich habe Not und Entsagungen aller Art ertragen müssen, um nicht gänzlich zu unterliegen. Selbst jetzt bin ich, was meine äußeren Verhältnisse betrifft, noch keineswegs am Ziele; meine Einnahmen sind noch so gering, daß sie kaum in Betracht zu stellen sind. Indes, Gott wird weiter helfen, und mit Ihnen will ich den Anfang machen, da Sie mich redlich bedient und stets mit möglichster Schonung behandelt haben. Zudem ist von allen meinen Gläubigern gewiß keiner des Geldes bedürftiger als Sie. Empfangen Sie somit die von Ihnen in Ihrem letzten Briefe geforderten 35 Taler. Wenn ich Ihnen einmal dienen kann, soll dies mit dem besten Willen geschehen. Meinen herzlichsten Dank für Ihre Nachsicht und die Versicherung meiner größten Hochachtung. Ihr ergebenster Richard Wagner.‹


28 Insofern es überhaupt eine solche war; denn Schindelmeißer scheint in der Tat weniger auf die Kapellmeisterstellung, als auf den, nachmals durch August Röckel besetzten, Musikdirektorposten reflektiert zu haben, was aus den gleichzeitigen Nachrichten nicht ganz klar zutage tritt.


29 ›Schindelmeißer, der einst durch R(eißiger) mir Verhetzte‹ heißt es späterhin in den Briefen an Uhlig, S. 244.


A1 So auch eine Folge ebenfalls erhaltener Karikaturen, welche die verschiedenen Abenteuer des Pariser ›Dreiblattes‹ (S. 347) zum Gegenstande haben und somit eine Art illustrierte Chronik jener Leidenszeit darstellen.


A2 Er kam von hier aus, wenn auch nicht nach Dresden, so doch – als Dorns Nachfolger – wieder nach Riga zurück; vgl. Wagner an Löbmann vom 9. Dezember 1843; ›Jetzt ist also L. S. Musidirektor am Theater geworden? nun, der wird mir nicht sehr hold gesinnt sein.‹

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 1, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 455-480.
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