5.

Ungleich günstiger noch war der Erfolg ihres Aufenthalts in England, wohin sie am 10. April 1764 abreisten, und wo sie bis in den Juli 1765 verweilten. Die Aufnahme bei Hofe, wo sie schon am 27. April sich hören ließen, übertraf alle Erwartungen. »Die uns von beiden hohen Personen bezeugte Gnade ist unbeschreiblich«, sagt L. Mozart »ihr freundschaftliches Wesen ließ uns gar nicht denken, daß es der König und die Königin von England wären. Man hat uns an allen Höfen noch außerordentlich höflich begegnet, allein was wir hier erfahren haben, übertrifft alles Andere. Acht Tage darauf gingen wir in St. James Park spazieren. Der König kam mit der Königin gefahren, und obwohl wir Alle andere Kleider anhatten, erkannten sie uns, grüßten uns nicht nur, sondern der König öffnete das Fenster, neigte das Haupt heraus und grüßte lächelnd mit Haupt und Händen, besonders unsern Master Wolfgang.« Georg III sowohl als die Königin Sophie Charlotte interessirten sich für Musik, die Königin sang und musicirte gern selbst1; beide hatten deutschen Sinn und daß die Künstler Deutsche waren, steigerte ihre Theilnahme, wie auch in späteren Jahren J. Haydn bei ihnen eine ehrenvolle und herzliche Aufnahme fand2. Während ihres Aufenthaltes in England mußten die Kinder wiederholt bei Hofe spielen, Wolfgang erregte durch sein Orgelspiel noch mehr Aufsehen als durch sein Klavierspiel, obgleich er die schwierigsten Sachen von Wagenseil, Bach, Händel, Abel, welche der König ihm vorlegte vom Blatt wegspielte. Bach3, [56] der Lehrer und Musikdirector der Königin, welcher große Freude an dem kleinen Musiker hatte, nahm ihn einmal auf den Schooß und spielte mit ihm eine Sonate so daß jeder abwechselnd einige Tacte spielte, mit einer Präcision, daß man glauben mußte, sie würde von Einem gespielt. Bedeutender als virtuosenhafte Spielereien der Art waren die Beweise welche er von seiner fortschreitenden geistigen Entwickelung gab, die den Vater selbst fortwährend überraschte. »Es übersteigt alle Einbildungskraft« schreibt er seinem Freunde. »Das was er gewußt hat, als wir Salzburg verließen, ist ein purer Schatten gegen das, was er jetzt weiß«; und bald darauf: »Genug ist es, daß mein Mädel eine der geschicktesten Spielerinnen in Europa ist, wenn sie gleich nur zwölf Jahre hat; und daß der großmächtige Wolfgang, kurz zu sagen, Alles in diesem seinem achtjährigen Alter weiß, was man von einem Manne von vierzig Jahren fordern kann«4.

[57] Wir können diese Aeußerungen nicht als Uebertreibungen einer leicht getäuschten väterlichen Verblendung ansehen, wenn wir hören, wie er sich nicht nur als einen fertigen Accompagnisten bewährte, vielstimmige Partituren vom Blatt correct, mit richtiger Auffassung und mit Geschmack spielte und sang, sondern auch eine lebhafte und geregelte Production offenbarte, indem er seiner Schwester Sonaten aus dem Stegreif auf einem zweiten Flügel begleitete, zu einer Händelschen Baßstimme die schönsten Melodien improvisirte und Aehnliches. Ein Engländer Barrington, der mit englischer Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit dies wunderartige Phänomen geprüft hat5, erzählt ein interessantes Beispiel einer solchen Improvisation. Er bat den Knaben, er möge ihm einen Liebesgesang improvisiren, wie ihn etwa Manzuoli in der Oper [58] singen möchte. Sogleich begann er einige Worte herzusagen, welche einem einleitenden Recitativ entsprachen, denen darauf ein Musikstück folgte auf das Wort affetto (Liebe) componirt, ungefähr von der Länge einer gewöhnlichen Arie, regelrecht in zwei Theilen. In derselben Weise ließ er dann einen Gesang des Zornes hören auf das Wort perfido (Treuloser) componirt, wobei er in eine solche Begeisterung gerieth, daß er wie ein Besessener auf das Klavier schlug und mehrmals von seinem Sessel in die Höhe fuhr. Barrington bemerkt, daß diese improvisirten Compositionen, wenn auch nicht staunenswerth, doch weit über das Gewöhnliche erhaben und Beweise einer bedeutenden Erfindungskraft gewesen seien. Man sieht also, daß nicht bloß die technische Ausbildung so merkwürdig vorgeschritten war, daß der Knabe die Regeln und die Formen der Composition mit einer gewissen Freiheit beherrschte, sondern daß auch die Begeisterung einer künstlerisch angeregten Phantasie ihn wirklich productiv machte. Interessant ist es hier schon die ersten Regungen des dramatischen Elements wahrzunehmen, welches steh später in Mozart als das wesentlich gestaltende entwickelt, und wie er dem Ausdruck einer bestimmt ausgesprochenen leidenschaftlichen Stimmung bereits die feste Form zu geben weiß. Gewiß wird beides knabenhaft gewesen sein, aber der Keim der künftigen Größe ist darin schon klar ausgesprochen.

Die italiänische Oper, welche er damals in London hörte, hatte darauf natürlich Einfluß geübt. Manzuoli6, ein vortrefflicher [59] Sänger, war im Jahr 1764 als Impresario der italiänischen Oper nach London gekommen, und hatte sich mit dem Wunderkind befreundet. In diesem Verkehr bildete er seinen Gesang aus; die Stimme war schwach und knabenmäßig, der Vortrag aber der eines gebildeten Sängers. So urtheilt nicht nur Barrington; als er im folgenden Jahr wieder nach Paris kam berichtete auch Grimm, er habe den Vortheil Manzuoli zu hören so wohl benutzt, daß er, wenn gleich mit sehr schwacher Stimme, doch mit ebenso viel Gefühl als Geschmack singe. So früh kam er in den Besitz der wesentlichen Voraussetzungen eines großen Componisten, daß ihm das wie zu einem natürlichen Instinct wurde, was gewöhnlich erst in reiferen Jahren die Frucht mühevoller Arbeit ist. Erspart ist freilich die Arbeit auch ihm nicht worden, wie keinem Sterblichen, denen, wie Hesiod sagt, die Gottheit den Schweiß vor die Tüchtigkeit gesetzt hat.

Daß Wolfgang mit unausgesetztem Eifer componirte, läßt sich voraussetzen. Sechs Sonaten für das Klavier mit Violine oder Flöte wurden gestochen und der Königin gewidmet7; auch hören wir von einem vierhändigen Stück und noch anderen Compositionen für das Klavier. Allein er wagte sich [60] auch schon an größere Arbeiten. Während einer gefährlichen Halsentzündung, von welcher der Vater im August 1764 [61] befallen wurde, durfte längere Zeit kein Instrument angerührt werden. Diese Zeit benutzte er um zuerst Symphonien fürs Orchester zu schreiben. Seine Schwester, neben ihm sitzend, mußte abschreiben; einmal sagte er während des Componirens zu ihr: »Erinnere mich, daß ich dem Waldhorn was Rechtes zu thun gebe.« Mit großem Eifer muß er dieses neue Feld bearbeitet haben, da sein Vater schreibt, daß alle Symphonien in ihren Concerten von seiner Composition waren.

[62] Wir sind sonst über den Aufenthalt in London nicht genauer unterrichtet. Wiederholt spielten sie bei Hofe und ohne Zweifel war davon die Folge, daß sie nach damaliger Sitte in den Gesellschaften der vornehmen Welt sich hören ließen, die, wenn die Kinder Mozart einmal in die Mode kamen, ohne ihre Theilnahme nicht fashionable waren. Dreimal gaben sie öffentliche Concerte mit glänzendem Erfolg, und doch deutet L. Mozart an daß, wenn er gewisse Anträge angenommen hätte, die er aus confessionellen Bedenken ablehnen zu müssen glaubte, ihre Einnahme sich viel günstiger gestaltet hätte.

Am 24. Juli 1765 verließen sie London8, blieben einen Tag in Canterbury und bis zu Ende des Monats auf dem Landgut eines Edelmanns. Auf die wiederholten eifrigen Bitten des holländischen Gesandten, welcher den dringenden Wunsch der Prinzessin Caroline von Rassau-Weilburg aussprach, die Kinder zu hören, entschloß sich L. Mozart nach dem Haag zu gehen, obgleich dies eigentlich nicht in seinem Plane lag9. Auf der Reise wurde Wolfgang in Lille von einer Krankheit befallen, welche sie zu einem vierwöchentlichen Aufenthalt nöthigte, und von der er in Gent noch nicht wieder völlig hergestellt war. Anfang September im Haag angelangt, fanden sie beim Prinzen von Oranien und seiner [63] Schwester der Prinzessin von Weilburg die gnädigste Aufnahme. Allein hier wurde im October die Tochter von einer heftigen Krankheit befallen, an der sie Wochenlang darnieder lag, sie phantasirte heftig und wurde aufgegeben, so daß man sie mit den Sterbesacramenten versah. Die Prinzessin von Weilburg sandte ihr ihren Arzt, Prof. Schwenckel, und diesem gelang es durch eine neue Behandlungsweise sie wieder herzustellen. Kaum war der Vater aus dieser Angst, die er mit christlicher Resignation ertragen hatte, befreit, als durch eine schwere Krankheit Wolfgangs seine Fassung auf eine noch härtere Probe gestellt wurde. Er hatte mit ihm eine Reise nach Amsterdam gemacht, wo er in zwei Concerten sich hören ließ, in denen nur Instrumentalmusik von seiner Composition gegeben wurde. Obgleich in den Fasten alle öffentlichen Vergnügungen streng verboten waren, erlaubte man doch diese Concerte, »weil die Verbreitung der Wundergabe dieser Kinder zu Gottes Preis diente« – eine Resolution, die dem strengen Katholiken, wiewohl sie von Reformirten erlassen war, fromm und besonnen erschien. Nach seiner Zurückkunft bekam nun der Knabe ebenfalls ein hitziges Fieber10, von dem er erst nach mehreren Wochen genas. So groß aber war die lebendige Regsamkeit seines Geistes, daß man ihm, da er noch das Bett hüten mußte, ein Brett über sein Lager legen mußte, auf welchem er schreiben konnte; und selbst als die kleinen Finger noch ihren Dienst versagten, ließ er sich nur mit Mühe vom Schreiben und Spielen abhalten. Er vollendete nach seiner Wiederherstellung – über der Krankheit der Kinder waren vier Monate verflossen – sechs Sonaten für Klavier [64] und Violine, welche gestochen und der Prinzessin von Weilburg zugeignet wurden.11 Auch mußte er für die Feierlichkeiten bei der Installation des Prinzen Wilhelm V von Oranien, welcher am 8. März 1766 majorenn geworden die Regierung als Erbstatthalter antrat, mehrere Musikstücke componiren, unter ihnen ein Quodlibet mit dem Titel Galimathias musicum für Orchester mit obligatem Klavier, in welchem alle Instrumente nach der Reihe ein Solo haben, den Schluß macht eine Fuge über das Volkslied »Prinz Wilhelm«12, ferner Variationen, Arien und andere Compositionen, die der Vater als Kleinigkeiten bezeichnet. Man sieht, der Knabe wurde schon vollgültig als Componist angesehen; ebenso bewährte er steh auf den großen und schönen Orgeln in Gent, Antwerpen, Harlem als Orgelspieler. Auch dem Vater widerfuhr eine schmeichelhafte Auszeichnung; man übersetzte seine Violinschule ins Holländische und widmete sie zur Installationsfeier dem Prinzen von Oranien.

Endlich reisten sie über Mecheln, wo sie ihren alten Bekannten den Erzbischof, Johann Heinrich Graf von Frankenberg, besuchten, nach Paris, und trafen dort Anfang Mai in einer von Freund Grimm besorgten Wohnung ein. Man fand dort sowohl die Tochter als ganz besonders den Sohn ungemein vorgeschritten; allein das Interesse des Publicums, welches mehr dem wunderbaren Phänomen so jugendlicher Virtuosität galt als der ungleich bedeutenderen Entwickelung eines außerordentlichen Genies, scheint nicht in gleichem [65] Maße rege gewesen zu sein wie bei ihrem ersten Aufenthalt. Indessen mußten sie wiederholt in Versailles bei Hofe spielen und die Prinzessin von Orleans, spätere Herzogin von Coudo, überreichte Wolfgang ein kleines Rondo für Klavier und Violine von ihrer Composition13. Der Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig, der Braunschweigische Achilles, wie ihn Winckelmann nennt14, den die Lorbeern des siebenjährigen Krieges berühmt gemacht hatten, ein Fürst von Einsicht und Geschmack15, suchte sie hier auf. »Er ist ein sehr angenehmer schöner freundlicher Herr« schreibt L. Mozart »und bei seinem Eintritt fragte er mich gleich, ob ich der Verfasser der Violinschule wäre.« Ueber Wolfgang sagte er, daß viele Kapellmeister stürben ohne das gelernt zu haben, was der Knabe jetzt schon könnte. In der That bestand er Wettkämpfe mit den ausgezeichnetsten Künstlern auf der Orgel, dem Klavier, im Improvisiren16, aus denen er als Sieger oder wenigstens in allen Ehren hervorging. Am 9. Juli verließen sie Paris, begaben sich zunächst auf die Aufforderung des Prinzen von Condé nach Dijon, wo die Stände von Burgund versammelt waren, dann nach Lyon, und hielten sich dort vier Wochen auf. In Genf, wo sie alles in Unruhe fanden, blieben sie nicht, in Lausanne mußten sie auf Bitten vornehmer Herrschaften, namentlich des Prinzen Ludwig von [66] Würtemberg (Bruders des Herzog Carl), der sie ungemein freundschaftlich behandelte, fünf Tage bleiben; von da ging es nach Bern, wo sie acht und nach Zürich, wo sie vierzehn Tage verweilten. Hier verlebten sie in der Geßnerschen Familie frohe Tage und schieden mit schwerem Herzen17. Ueber Winterthur und Schafhausen, wo sie vier Tage angenehm zubrachten, reisten sie nach Donaueschingen, wo der Fürst Joseph Wenzeslaus von Fürstenberg sie schon erwartete und durch seinen Musikdirector Martelli18 empfangen ließ. Während zwölf Tagen war neunmal Abends von 5–9 Uhr Musik, wo sie jederzeit etwas Besonderes aufführten; reich beschenkt entließ sie der Fürst, durch den Abschied bis zu Thränen gerührt. Dann gingen sie über Möskirch, Biberach, wo Wolfgang auf der Orgel einen Wettkampf mit Sixtus Bachmann19 ehrenvoll bestand, Ulm, Günzburg und Dillingen nach [67] München. Am 8ten Nov. angelangt stellten sie sich am folgenden Tage dem Churfürsten bei Tafel vor, der den Knaben gleich neben sich auf der Tafel ein Stück mit Bleistift componiren ließ, zu dem er ihm ein Thema von einigen Tacten vorsang, und welches dieser dann im Cabinet zu allgemeinem Erstaunen vorspielte. Ein Unwohlsein, von welchem Wolfgang hier befallen wurde, scheint eine Reise nach Regensburg, zu der sie aufgefordert wurden, verhindert zu haben: gegen Ende November 1766 traf die Familie Mozart wieder in Salzburg ein.

Fußnoten

1 Als Farinelli vor dem König und der Königin sang, begleitete ihn die Prinzessin am Flügel, Burney Reise I S. 161.


2 Griesinger, biogr. Notizen über Haydn S. 57ff.


3 Joh. Christ. Bach, der jüngste Sohn Joh. Sebastians aus zweiter Ehe, geb. 1735, genoß den Unterricht seines Bruders Philipp Emanuel in Berlin, und begab sich 1754 nach Mailand, wo er Organist am Dom wurde, aber besonders für die Oper thätig war. Im Jahr 1759 ging er nach London und starb dort 1782. Durch den Reichthum gefälliger und leicht ansprechender Melodien, welche ihm den Namen des galanten Bachs verschafften, waren sowohl seine Opern als namentlich auch seine zahlreichen Klaviercompositionen allgemein beliebt, besonders bei den Dilettanten. Er war ohne Zweifel von allen Bachs der populärste, aber der Geist seines Vaters ruhte nicht auf ihm.


4 Was man damals an einen Klavierspieler für Anforderungen stellte – Anforderungen die jetzt manchen Klaviervirtuosen aus der Fassung bringen würden – will ich mit Ph. Em. Bachs Worten angeben. »Man begnügt sich nicht« sagt er in der Vorrede zu seinem Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen »dasjenige von einem Clavierspieler zu erwarten, was man von jedem Instrumentisten mit Recht fordern kann, nemlich die Fertigkeit ein für sein Instrument gesetztes Stück den Regeln des guten Vortrags gemäß auszuführen. Man verlangt noch überdies daß ein Clavierspieler Fantasieen von allerlei Art machen soll; daß er einen aufgegebenen Satz nach den strengsten Regeln der Harmonie und Melodie aus dem Stegreif durcharbeiten, aus allen Tönen mit gleicher Leichtigkeit spielen, einen Ton in den andern im Augenblick ohne Fehler übersetzen, alles ohne Unterschied vom Blatte wegspielen soll, es mag für sein Instrument eigentlich gesetzt sein oder nicht; daß er die Wissenschaft des Generalbasses in seiner völligen Gewalt haben, selbigen mit Unterschied, oft mit Verläugnung, bald mit vielen, bald mit wenigen Stimmen, bald nach der Strenge der Harmonie, bald galant, bald nach einem zu wenig oder zu viel, bald gar nicht und bald sehr falsch bezifferten Basse spielen soll; daß er diesen Generalbaß manchmal aus Partituren von vielen Linien, bei unbezifferten, oft gar pausirenden Bässen, wenn nämlich eine von den anderen Stimmen zum Grunde der Harmonie dient, ziehen und dadurch die Zusammenziehung verstärken soll, und wer weiß alle Forderungen mehr?« Man kann daraus entnehmen, worauf die Uebungen Wolfgangs gerichtet waren, und was man ihm für Aufgaben stellte.


5 Er ließ einen ausführlichen Bericht in den philosophical transactions 1770. Vol. LX drucken, der in der Beilage III mitgetheilt ist. Vor allen Dingen bemühete er sich authentisch festzustellen daß Wolfgang Mozart wirklich nicht alter sei als angegeben sei und verschaffte sich einen Taufschein sowie andere zuverlässige Nachrichten über ihn, dann beobachtete er ihn selbst wiederholt.


6 Giovanni Manzuoli, geboren in Florenz um 1720, ein berühmter Sopranist und vortrefflicher Schauspieler. Er war schon 1745 in London und wurde 1753 von Farinelli nach Madrid berufen. Im Jahr 1760 war er in Wien wo zur Vermählung Kaiser Josephs II die Hassesche Oper Alcide al bivio gegeben wurde. Metastasio gab damals folgende Charakteristik von ihm (opp. post. II p. 272): Il nostro Manzoli è divenuto l'idolo del paese e per la voce e per l'azione e per il suo docile e savio costume, col qual distinguesi da' suoi pari, non meno che per l'eccellenza nell' arte. Im Jahr 1764 übernahm er, wie L. Mozart berichtet, als Impresario die italiänische Oper in London und es scheint deshalb zweifelhaft, ob er, wie Gerber berichtet, schon 1765 wieder in Wien war. Später zog er sich nach Florenz zurück, wo ihn Mozarts auf ihrer ersten italiänischen Reise im Jahr 1770 aufsuchten (Nissen S. 189) und im selben Jahr Burney (Reise I S. 183) mit Vergnügen hörte. Im Jahre darauf sang er in Mailand in der von Wolfgang componirten Serenata.


7 Sie erschienen unter dem Titel:


Six Sonates pour le Clavecin qui peuvent se jouer avec l'accompagnement de Violon ou Flûte traversière très humblement dédiées à Sa Majesté

Charlotte, Reine de la Grande-Brétagne.

Composées par J.G. Wolfgang Mozart, âgé de huit ans.

Oeuvre III. London.


Die Dedication lautet:


A la Reine.


Madame!


Plein d'orgueil et de joie d'oser Vous offrir un hommage, j'achevois ces Sonates pour les porter aux pieds de Votre Majesté; j'étois, je l'avoue, ivre de vanité et ravi de moi-même, lorsque j'aperçus le Génie de la musique à côté de moi.

»Tu es bien vain ›me dit il‹ de savoir écrire à un âge où les autres apprennent encore à épeler.«

»Moi, vain de ton Ouvrage?« lui répondis-je. »Non, j'ai d'autres motifs de vanité. Reconnois le favori de la Reine de ces Isles fortunées. Tu prétends, que née loin du rang suprême qui la distingue, ses talens l'auroient illustrée: eh bien! placée sur le trône, Elle les honore et les protège. Qu'Elle te permette de lui faire une offrande, tu es avide de gloire, tu feras si bien que toute la terre le saura; plus philosophe, je ne confie mon orgueil qu'à mon clavecin, qui en devient un peu plus éloquent.«

»Et cette éloquence produit des Sonates! .... Est-il bien sûr que j'aie jamais inspiré un faiseur des Sonates?«

Ce propos me piqua. »Fi, mon père«, lui dis-je, »tu parles ce matin comme un pédant ... Lorsque la Reine daigne m'écouter, je m'abandonne à toi et je deviens sublime; loin d'Elle le charme s'affoiblit, son auguste image m'inspire quelques idées, que l'art conduit ensuite et acheve ... Mais que je vive, et un jour je lui offrirai un don digne d'Elle et de toi: car avec ton sécours, j'égalerai la gloire de tous les grands hommes de ma patrie, je deviendrai immortel comme Haendel et Hasse, et mon nom sera aussi célèbre que celui de Bach.«

Un grand éclat de rire déconcerta ma noble confiance. Que Votre Majesté juge de la patience qu'il me faut pour vivre avec un Etre aussi fantasque! ... Ne vouloit-il pas aussi que j'osasse reprocher à Votre Majesté cet excès de bonté qui fait le sujet de mon orgueil et de ma gloire? Moi, Madame, Vous reprocher un défaut! Le beau défaut! Votre Majesté ne s'en corrigera de sa vie.

On dit qu'il faut tout passer aux Génies; je dois au mien le bonheur de Vous plaire et je lui pardonne ses caprices. Daignez, Madame, recevoir mes foibles dons. Vous fûtes de tout temps destinée à régner sur un peuple libre: les enfans du Génie ne le sont pas moins que le Peuple Britannique, libres surtout dans leurs hommages, ils se plaisent à entourer Votre trône. Vos vertus, Vos talens, Vos bienfaits seront à jamais présens à ma mémoire; partout où je vivrai, je me regarderai comme le sujet de Votre Majesté.

Je suis avec le plus profond respect


Madame

de Votre Majesté

le très humble et très obéissant

petit serviteur

J.G.W. Mozart


à Londres.

ce 18 Janvier 1764.


Ich habe auch diese mitgetheilt, weil sie charakteri stisch für die Zeit ist; für Mozart giebt sie Gottlob keinen Maßstab, der ebensowenig ein verbildeter, assisch gezierter Knabe war als Beethoven, dessen erste Dedication an den Churfürsten von Köln in demselben Stil ist. Dergleichen Geschmacklosigkeit von einem Litteraten, der für geistreich galt, schreiben zu lassen war damals unerläßlich. Die Sonaten finden sich in den Oeuvres cah. IX, 11; XI, 21; X, 14; IX, 11; XI, 22, VIII, 6.


8 Auf einen deshalb geäußerten Wunsch schenkte L. Mozart dem britischen Museum die gedruckten Compositionen und einige Original-Manuscripte Wolfgangs, unter welchen sich ein vierstimmiger Chor auf einen englischen Text befand, sowie das Portrait der Familie.


9 Holmes vermuthet nicht ohne Grund, daß L. Mozart dieses hervorbebe um sein langes Ausbleiben dadurch zu entschuldigen. Sein Urlaub war längst abgelaufen, man drang wiederholt in ihn seine Rückkehr zu beschleunigen, während er dagegen darauf bedacht war, die einmal gebotene Gelegenheit einer längeren Reise nach Kräften auszunutzen.


10 Niemtschek berichtet auf die Gewähr eines glaubwürdigen Zeugen es seien die Blattern gewesen; dies ist eine Verwechslung, da er diese erst im Jahr 1767 in Olmütz überstand.


11 Es ist mir trotz mancher Nachfrage nicht möglich die Dedication derselben mitzutheilen noch anzugeben, wo sie in der Sammlung der Oeuvres gedruckt sind. Angeführt sind sie in Hillers wöch. Nachr. II S. 229 unter dem Titel Six Sonates pour le Clavecin avec l'accompagnement d'un Violon par J.G. Mozart, âgé de neuf ans. Op. IV. Ueber dieses Galimathias musicum s. III S. 240f.


12 Nach der Angabe bei Nissen Anhang S. 3f.


13 Nissen hat dasselbe mitgetheilt S. 114ff.


14 Er kam im Herbst nach Rom, wo Winckelmann sein Führer war (Winckelmanns Briefe III S. 95. 98. 104.).


15 Bekannt ist sein Verhältniß zu Lessing, und wie ihn später Mirabeau und Göthe (Briefe an Frau v. Stein III S. 96f.) beurtheilt haben.


16 Unter diesen wird Raupach (Herm. Friedr.) genannt, der lange Zeit in Petersburg gewesen war, wo er 1760 eine Oper aufgeführt hatte. Man kann danach die Zeit seines Aufenthaltes in Paris etwas genauer bestimmen als Gerber und Fétis.


17 Unter anderen Büchern, welche man ihnen dort als Andenken verehrte, schenkte Salomon Geßner ihnen seine Werke mit folgender Zuschrift:

»Nehmen Sie, wertheste Freunde, dies Geschenk mit der Freundschaft, mit der ich es Ihnen gebe. Mochte es würdig sein mein Andenken beständig bei Ihnen zu unterhalten. Genießen Sie, verehrungswürdige Eltern, noch lange die besten Früchte der Erziehung in dem Glücke Ihrer Kinder; sie seyen so glücklich, als außerordentlich ihre Verdienste sind! In der zartesten Jugend sind sie die Ehre der Nation und die Bewunderung der Welt. Glückliche Eltern! Glückliche Kinder! Vergessen Sie alle nie den Freund, dessen Hochachtung und Liebe für Euch sein ganzes Leben durch so lebhaft seyn werden als heute.


Salomo Gesner.«


Zürich den 3. Weinmonat 1766.


18 Dies wird derselbe sein, welcher im Theaterkalender von 1777 als Musikdirector in Münster angeführt wird.


19 Er war im Jahr 1754 geboren, also nur zwei Jahre älter als Mozart, und erregte durch seine außerordentlichen Leistungen in so früher Jugend großes Aufsehen. Graf Fugger von Babenhausen, ein großer Freund der Musik, vor dem auch Mozart sich damals hören lassen mußte, zeichnete ihn durch seine Gunst aus, und veranstaltete diesen Wettstreit zwischen den Wunderknaben. So erzählt Christmann in der Speierischen musik. Correspondenz 1790 S. 164. Später lebte er als Pater im Kloster Marchthal.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 1, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
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