3.

Die Reisenden1 verließen Salzburg Anfangs December und machten zuerst in Inspruck Halt, wo sie in einem öffentlichen Concert den gewöhnlichen Beifall fanden2. Beim Grafen [183] Künigl spielte Wolfgang ein Concert das man ihm zur Prüfung vorlegte vom Blatt weg und erhielt es zum Geschenk.

Sobald sie Italien betreten hatten wurden die Ehrenbezeugungen, mit denen man den jungen Künstler empfing, lebhafter und enthusiastischer. In Roveredo veranstaltete wie gewöhnlich der Adel ein Concert; als Wolfgang Tags darauf in der Hauptkirche die Orgel spielen wollte, hatte sich das Gerücht davon in der Stadt verbreitet und die Kirche war so voll, daß zwei handfeste Männer vorausgehen mußten um ihm einen Weg auf das Chor zu bahnen, wo sie dann eine halbe Viertelstunde gebrauchten um an die Orgel zu kommen, so war sie von Zuschauern belagert.

Noch größer war der Enthusiasmus in Verona. Da jeden Abend Oper war3, konnte erst nach sieben Tagen ein Concert veranstaltet werden; allein während dieser Zeit drängte eine Einladung die andere. Vor einer Versammlung auserwählter Kenner ließ Wolfgang eine Symphonie von seiner Composition aufführen, spielte die schwierigsten Sachen welche man ihm vorlegte vom Blatte und componirte auf der Stelle eine Arie nach einem aufgegebenen Text, welche er selbst sang, und andere Stücke über ihm gegebene Themen. Als er in der Kirche S. Tommaso die Orgel spielen wollte, wiederholte sich die Scene von Roveredo; der Zudrang war so groß daß sie den Weg durchs Kloster nehmen mußten um [184] in die Kirche zu kommen, und auch so wären sie kaum auf die Orgel gelangt, wenn die Patres sie nicht in ihre Mitte genommen und ihnen so Platz gemacht hätten. Daß die Dichter die wunderbare Erscheinung um die Wette besangen verstand sich von selbst. Mehrere Liebhaber, an deren Spitze Lugiati4, der Generaleinnehmer von Venedig, stand, ließen ein lebensgroßes Bild Wolfgangs in Oel malen und stellten es in einem öffentlichen Locale aus5.

[185] Am 10ten Januar kamen sie in Mantua an, gesund und wohl, aber Wolfgangerl, wie der Vater schreibt, sah von der Luft und dem Kaminfeuer aus, als hätte er einen Feldzug gemacht, ein wenig rothbraun, namentlich um die Augen und [186] um den Mund, »so z.B. wie Se. Majestät der Kaiser aussehen.« Noch denselben Abend sahen sie die Oper Demetrio, welche Wolfgang wie die in Cremona seiner Schwester auf seine Weise charakterisirt (Beil. V, 2), und wurden von den vornehmen Dilettanten mit Zuvorkommenheit aufgenommen6 und mit Beifall überschüttet. Eine Signora Sartoretti lud sie zum Mittagsessen zu Gast und schickte am Tage darauf durch ihren Bedienten eine Schale mit einem schönen Blumenstrauß, an dem unten rothe Bänder und in der Mitte der Bänder eine Medaille von vier Ducaten eingeflochten war, darauf lag ein von der Signora verfaßtes Gedicht auf Wolfgang (Beil. II, 4). Am 16ten Januar war das Concert der philarmonischen Gesellschaft in ihrem teatrino – einem Saal der nach Art eines Theaters gebauet war, so daß das Orchester die Stelle der Bühne einnahm – in welchem Wolfgang die Hauptleistung übernahm. Das Programm dieses Concerts, welches bei Nissen S. 173 mitgetheilt ist, kann eine Vorstellung von dem Zuschnitt der Academien überhaupt geben, in welchen Wolfgang sich in Italien hören ließ, es mag deshalb hier Platz finden.


Serie delle composizioni musicali da eseguirsi nell' accademia pubblica filarmonica di Mantova la sera del dì 16 del corrente Gennajo 1770 in occasione della venuta del espertissimo giovanetto

Sign. Amadeo Mozart.


1. Sinfonia di composizione del Sign. Amadeo.

2. Concerto di Gravecembalo esibitogli e da lui eseguito all' improvviso.

3. Aria d'un Professore.

4. Sonata di Cembalo all' improvviso eseguita dal giovine [187] con variazioni analoghe d'invenzione sua e replicata poi in tuono diverso da quello in cui è scritta.

5. Concerto di Violino d'un Professore.

6. Aria composta e cantata nell' atto stesso dal Sign. Amadeo all' improvviso, co' debiti accompagnamenti eseguiti sul Cembalo, sopra parole fatte espressamente; ma da lui non vedute in prima.

7. Altra sonata di Cembalo, composta insieme ed eseguita dal medesimo sopra un motivo musicale propostogli improvvissamente dal primo Violino.

8. Aria d'un Professore.

9. Concerto d'Oboè d'un Professore.

10. Fuga musicale, composta ed eseguita dal. Sign. Amadeo sul Cembalo, e condotta a compiuto termine secondo le leggi del contrappunto, sopra un semplice tema per la medesima presentatogli all' improvviso.

11. Sinfonia dal medesimo, concertata con tutte le parte sul Cembalo sopra una sola parte di Violino postagli dinanzi improvvisamente.

12. Duetto di Professori.

13. Trio in cui il Sign. Amadeo ne sonerà col Violino una parte all' improvviso.

14. Sinfonia ultima di composizione del Suddetto.


Der Erfolg war glänzend, der Beifall unsäglich und in einem Zeitungsberichte hieß es, daß die Musiker in Mantua nach allen Proben die sie mit Wolfgang vorgenommen nicht fürchteten zu Viel zu sagen, wenn sie behaupteten, dieser Jüngling scheine geboren um die in der Kunst erfahrensten Meister zu beschämen, wie auch ein angesehener Gelehrter in Verona geschrieben habe, er sei »ein Wunderwerk der Natur, gleich wie Terraeinen die Mathematiker und Corillen die Dichter zu beschämen geboren worden seien«.

Man sieht daß es dabei hauptsächlich auf den Eindruck des Wunderbaren so frühreifer Leistungen abgesehen war. [188] Es war schon erstaunenswerth daß Wolfgang sich als Klavierspieler, Violinist und Sänger hören lassen konnte, und doch traten die Leistungen des Virtuosen entschieden vor denen des Componisten zurück. Auch hier ist der Hauptnachdruck auf das Improvisiren gelegt, die Fähigkeit die verschiedenartigsten Aufgaben augenblicklich den Bedingungen der Kunst gemäß zu lösen, was eine ebenso große Lebhaftigkeit der Phantasie als die tüchtigste Durchbildung und vollkommene Sicherheit in der Behandlung der Form voraussetzt. Man mag von dem Werth dieser Leistungen abziehen so viel man will durch die Erwägung, daß das Erstaunen darüber, daß ein Jüngling Aufgaben der Art überhaupt löste, eine strenge Kritik über die Art wie er sie löste, über das Maß von Erfindung und Formgewandtheit, welche er an den Tag legte, wohl nur selten zugelassen haben wird; daß das strengere Festhalten an der Regel, die größere Beschränkung in den Formen und Mitteln, welche damals in der Musik herrschten, Leistungen der Art erleichterten: immer bleiben sie im höchsten Grade staunenswerth. Was den letzteren Umstand insbesondere betrifft, so fällt es gewiß nicht minder schwer ins Gewicht, daß die Strenge der Form, wie sie damals verlangt wurde, einem talentvollen Jüngling, dem viel eher Melodien zu Gebote stehen als er sie künstlerisch zu verarbeiten im Stande ist, viel eher beschwerlich fallen mußte, und daß die Herrschaft über dieselbe im Verein mit einer stets bereiten Productionskraft eben das Bewundernswürdigste ist. Damit soll nicht geläugnet werden, daß man an einen bedeutenden Gehalt der musikalischen Compositionen damals überhaupt und besonders einem solchen Phänomen gegenüber geringere Ansprüche geltend gemacht habe. Für uns aber, die wir den ferneren Entwickelungsgang Mozarts verfolgen können, bleibt das Erstaunenswertheste, daß diese für so junge Jahre unerhörte [189] Productionskraft weder durch Ueberreizung noch Ueberbildung in dieser Weise gesteigert war, sondern daß wir diese Entwickelung für die dieser Natur normale erkennen müssen. Denn weit entfernt daß sie, wie eine durch Kunst rasch getriebene Pflanze üppig aufschießt und bald welkt, im Verlauf der Zeit matt und erschöpft worden wäre, sehen wir sie stetig erblühen und erstarken und im Mannesalter erst zu ihrer vollen Reise und Kraft gelangen; und während in der Jugend die formale Fertigkeit, welche auf Uebung beruht, überwiegt, gewinnt später die schöpferische Kraft mehr und mehr die Oberhand, der Gehalt der musikalischen Ideen, welchen nur ein reiches und eigenes inneres Leben gewähren kann, wird bedeutender und tiefer, die Handhabung des Technischen wird zu einem freien künstlerischen Spiel.

Fußnoten

1 Wir sind auch hier fast allein auf die von Nissen bekannt gemachten Briefe angewiesen. Von einigen habe ich die Originale in verschiedenen Sammlungen gefunden und mich überzeugt, daß Nissen sie weder vollständig noch im Einzelnen genau hat abdrucken lassen. Da Burney in demselben Jahr in Italien reiste, giebt sein Tagebuch uns über Manches willkommenen Aufschluß.


2 In der Insprucker Zeitung war folgender Artikel zu lesen (das Blatt war in Al. Fuchs Sammlung):


»Innsbruck den 18. Dec.«


»Freytags als den 14. dieses ist hier in dem Gasthaus beim weißen Kreuz angelangt Hr. Leopold Mozart Hochfürstl. Salzburgischer Cavellmeister mit seinem Sohne Herrn Wolfgang Mozart dermalen wirkl. Hochfürstl. Salzburgischer Concertmeister, welcher wegen seiner außerordentlichen musikalischen Wissenschaft sich schon seit seinem sechsten Jahre sowohl an dem Allerhöchsten kaiserl. Hofe, als in Engelland, Frankreich, Holland und durch das ganze römische Reich berühmt gemacht hat.«

»Gestern wurde derselbe zu einem Concerte, welches der hohe Adel veranstaltet hatte, eingeladen, in welchem er die schönsten Proben seiner ganz besonderen Geschicklichkeit ablegte. Dieser junge Tonkünstler, welcher dermalen 13 Jahr alt ist, hat also auch hier seinem Ruhm einen neuen Glanz beygeleget, und durch seine außerordentlichen Talente die Stimmen aller Musikverständigen zu seinem Lobe vereiniget. Morgen wird solcher seine Reise nach Italien fortsetzen.«


3 Es wurde Ruggiero von Guglielmi gegeben; Wolfgang kritisirt die Aufführung spaßhaft seiner Schwester (Beil. V, 1).


4 Dieser schrieb später (22. April 1770) an Wolfgangs Mutter (Nissen S. 197): Sino dai primi del presente ammiro questa nostra città nella pregiatissima persona di Sr. Amadeo Wolfgango Mozart, di Lei figlio, un portento, si può dire, di natura nella musica, giacchè l'arte ancora non potea esercitare il suo uffizio, se pure non avesse con questo prevenuto la tenera età sua. Tra gli ammiratori io lo fui al certo, mentre qualche diletto avendomi sempre recato la musica, e per quanto abbia ne miei viaggi di questa inteso, ne posso far quel giudizio che spero non sia fallace; ma di si raro e portentoso glovane è certamente giustissimo, tanta avendone concepita stima che lo feci al naturale ritrarre coll' iscrizione riccoppiata sulla fine della cantata, che Gli sarà gradevole di leggere. [Sie ist nicht mit abgedruckt.] La dolce sua effigie mi è di conforto, ed altrasi di eccitamento a riprendere qualche fiata la musica per quanto le publiche e private occupazioni me lo permettono. –Degni aggradire tai sentimenti, che nascono da buon animo, vera stima u.s.w. – Auch bei den späteren Reisen nach Italien fanden Mozarts bei Lugiati stets dieselbe freundschaftliche Aufnahme.


5 Ein Artikel eines Veroneser Blattes vom 9. Januar 1770 (bei Nissen S. 169f.) giebt darüber Auskunft.

»Questa città non può non annunziare il valor portentoso, che in età di non ancor 13 anni ha nella musica il giovanetto Tedesco Signor Amadeo Wolfgango Mozart, nativo di Salisburgo e figlio dell' attuale Maestro di cappella di Sua Altezza Rma. Monsig. Arcivescovo Principe di Salisburgo suddetto. Esso giovane nello scorso Venerdì S. dell' andante in una sala della Nobile Accademia Filarmonica, in faccia alla publica rappresentanza ed a copiosissimo concorso di Nobiltà dell' uno e l'altro sesso, ha dato tale prove di sua perizia nell' arte predetta, che ha fatto stordire. Egli fra una scelta adunanza di valenti Professori ha saputo prima d'ogn' altra cosa, esporre una bellissima sinfonia d'introduzione di composizione sua, che ha meritato tutto l'applau so. Indi a egregiamente sonato a prima vista un concerto di cembalo e successivamente altre sonate a lui novissime. Poi sopra quattro versi esibitigli ha composta sul fatto un' aria d'ottimo gusto nell' atto stesso di cantarla. Un soggetto ed un Finale progettatogli, egli mirabilmente concertò sulle migliori leggi dell' arte. Suonò al improvviso assai bene un Trio del Boccherini. Compose benissimo in partitura un Sentimento datogli sul violino da un Professore. In somma si in questa che in altre occasione esposto a' più ardui cimenti, gli ha tutti superati con indicibil valor e quindi con universale ammirazione, specialmente de' Dilettanti; tra quali il Sign. Lugiati che dopo aver goduti e fatti ad altri godere più saggi maravigliosi dell' abilità di tal giovane, hanno voluto infine farlo ritrarre in tela al naturale per serbarne eterna memoria. Nè è già nuovo questo pensiero; imperciocchè, da che egli va girando per entro l'Europa col padre suo, per dar pruova di se, ha tanta meraviglia eccitata in ogni parte fino dalla tenera età di 7 anni, che se ne serba tuttavia il ritratto in Vienna, in Parigi, dove sono anche i ritratti di tutta la sua famiglia, in Olanda ed in Londra, in cui si collocò esso ritratto suo nell' insigne Museo Britannico con una iscrizione, che celebrava la stupenda sua bravura nella musica nella verde sua età d'anni 8, che soli allora contava. Noi pertanto non dubitiamo, che nel proseguimento del suo viaggio, che ora fà per l'Italia, non sia per apportare eguale stupore dovunque si recherà, massimamente agli Esperti ed Intelligenti.«

Eine Nachfrage, welche ich durch Freunde nach diesem Bilde in Verona habe anstellen lassen, hat leider nur zu der Auskunft geführt, daß eine große Anzahl von Gemälden im Local der società filarmonica auf dem Hausboden ungeordnet liege, und nicht bekannt sei, ob sich unter denselben Mozarts Portrait befinde. Das in Verona gemalte Bild ist durch die von D. Leop. Sonnleithner veranlaßten Nachforschungen des k.k. Sectionsraths W. Böcking wieder aufgefunden und jetzt im Besitze des ersteren, der darüber Auskunft gegeben hat (Blätter f. Musik, Theater u. Kunst III S. 82f.). Mozart ist am Klavier sitzend vorgestellt; das anmuthige, geistvolle Porträt ist danach in Kupfer gestochen diesem Bande beigegeben.


6 Leop. Mozart rühmt besonders die Artigkeit des Grafen Franz Eugen v. Arco, dagegen ist er sehr entrüstet über den Fürsten von Taris, der so wenig als seine Gemahlin sie nicht einmal vorzulassen die Gnade hatte.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 1, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
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